In dem biografischen Spielfilm „Dalíland“ kommt ein junger Mitarbeiter einer Kunstgalerie in den zweifelhaften Genuss, den Künstler und Star Savador Dalí eine Zeit lang zu begleiten. Mary Harrons Drama hat sehenswerte Stars aufzubieten, inszeniert die den exzessiven Kunstbetrieb aber bisweilen auch nahe am Klischee der Bohéme. Zu sehen ab dem 7. September 2023 im Kino.
Anfang der 1970er Jahre arbeitet James Linton (Christoper Briney) bei einem angesehenen New Yorker Galeristen. Dann taucht der Kunst-Star Savador Dalí in der Stadt auf, wie in jedem Jahr. Mitsamt Muse Gala (Barbara Sukowa), Entourage aus Starletts und Musikern und Kunstfreund:innen mietet sich der Dalí-Tross gewohnheitsmäßig im St. Regis Hotel ein.
James wird mit einem Koffer voller Geld hingeschickt, das Gala von dem Galeristen eingefordert hat. Der Lebensstil des Künstlers ist aufwändig. James gefällt Gala, die ein Faible für junge Talente hat. Er wird von Dalí als Assistent eingestellt und muss für den Galeristen quasi spionieren, ob der Maler auch malt. Eine Aufgabe, die sich als stressiger erweist als angenommen. Doch Gala, die Muse, sorgt dafür, dass Salvador kreativ ist.
New York vom Hotel aus
Eine Filmbiografie lässt sich auf unterschiedlichste Weise bewerkstelligen. „Dalíland“ hat sich entschieden, den Künstler und seine Muse auf dem absteigenden Ast in fortgeschrittenem Alter darzustellen. Das hat den Vorteil, dass auf zurückliegende Ereignisse Bezug genommen werden kann. Es hat den Nachteil, dass die Faszination des Neuen, die Erregung des Skandals nicht mehr mit heißer Flamme brennt.
Das Feuer der Kreativität muss genährt werden mit jungem Blut und einem unverstellt naiven Zugang. So wie James Layton mit großen staunenden Augen in das Reich des surrealistischen Künstlers eingelassen wird. Der Künstler als Blutsauger ernährt sich auch von frischer Bewunderung und dem Kult der Jugend.
Der junge Galerist leiht dem Publikum die Augen und die Naivität, da ist wenig Platz für eine eigene Persönlichkeit. Ähnlich wie auch in „Almost Famous“ der Chronist blass bleibt. Dafür strahlt der Star. Der vor allem ein meisterhafter Impressario ist. Sein Dalíland ist keineswegs nur Realitätsflucht oder Größenwahn, sondern auch Marketing und Aura. Dass Gala dabei die organisatorischen Fäden in der Hand hält, zeigt ein anderes Bild der Beziehung zwischen Maler und Muse, als andernorts oft vermittelt wurde.
Gieriger Kunstmarkt
Bisweilen wirkt „Dalíland“ wie die spießig-biedere Vorstellung einer hemmungslosen Orgie. Der Exzess bleibt immer auch in der Inszenierung stecken. Shock-Rocker Alice Cooper bleibt blasse Staffage und kommt kaum über ein paar Sätze hinaus. Der Kunstbetrieb entlarvt sich selbst: Der Galerist erweist sich als Kleinkrämer, der Manager als selbstsüchtig. Über allem schwebt, selbst im Stolpern und Scheitern, Salvador Dalí. Die Lichtgestalt, an der sich alle aus dem Dreck des Alltags ziehen.
Ben Kingsley und Barbara Sukow sind ein alterndes alterndes Ehepaar darstellend mehr als Grund genug, diesen bisweilen t rutschigen Film zu genießen. Beide Darsteller:innen haben bleibende Eindrücke hinterlassen auch und gerade mit der Verkörperung realer Personen. Sukowa als Hanna Arendt und Rosa Luxenburg, Kingsley als Ghandi, Lenin und „Moses“ aber auch als Meyer-Lansky, Adolf Eichmann und Georges Méliès.
Gala ist ebenso stark wie müde. Sie versucht sich neben dem „genialen Künstler“ als Person zu behaupten, hat ihre eigenen Projekte, wie etwa die Karriere von Jesus Christ Superstar. Dali wiederum fürchtet nicht nur den Tod, sondern auch die Einsamkeit und das Verschwinden der Kreativität. Zwischendurch aber blitzt bei beiden Figuren die Kraft und der Witz auf, die sie zu überlebensgroßen Figuren gemacht haben. Der Schalk, mit dem Hans im Glück jeden weiteren Tauschhandel eingeht.
Als Künstlerbiographie bleibt „Dalíland“ eventuell einiges schuldig, als sehenswertes Schaulaufen zweier großer Schauspieler:innen braucht es nur ein bisschen Zeitkolorit und eine Rahmenhandlung. Faszinierend ist das allemal.
Film-Wertung: 
(6 / 10)
Dalíland
OT: Dalíland
Genre: Biopic, Drama
Länge: 97 Minuten, GB, 2023
Regie: Mary Harron
Darsteller:innen: Ben Kingsley, Christoper Briney, Ezra Miller, Barbara Sukowa
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: SquareOne
Kinostart: 07.09.2023