Da kommt der junge Unternehmer Robert Sax ganz unverhofft zu einem gefährlichen Abenteuer im Brüssel kurz vor der Weltausstellung. Der Serienauftakt des belgischen Thriller-Comics „Robert Sax“ kommt weniger nostalgisch als stilsicher daher und begibt sich mit dem etwas ungelenk ermittelnden „Helden“ auf klassisches Spionageterrain. Der Comic-Verlag Schreiber & Leser veröffentlicht die Serie nun hierzulande, und im August 2023 macht „Nucleon 58“ den Auftakt.
In einer verregneten Nacht im Frühjahr 1957 kommt es in Brüssel zu einer Verfolgungsjagd. Dabei fallen Schüsse und einer der Verfolgten versteckt sich in einem Buchladen. Tags darauf wird Robert Sax, der eine Autowerkstatt geerbt hat, aber mit Motoren weniger anfangen kann als mit der Ästhetik von Karosseriekurven, von seinem Jugendfreund Boon angerufen. Sax ist dankbar für die Abwechslung vom schnöden Arbeitsalltag.
Boon ist ebenjener Buchhändler, bei dem am Vorabend seltsame Herren auftauchten und kurz darauf ohne etwas zu kaufen wieder verschwanden. Das Ganze ist mysteriös genug, um genau Roberts Kragenweite zu haben. Während Boon auf dem Gelände der kommenden Weltausstellung verabredet ist, fragt Robert Sax bei der Polizei nach, ob Vorfälle gemeldet wurden. Immerhin untersuchen die Polizisten einen Stift, den Boon in seiner Jacke gefunden hat und finden einen Mikrofilm.
Kurz darauf ist Boon verschwunden, seine Mutter macht sich Sorgen und Robert Sax geht suchen. Anschließend bekommt er charmante Gesellschaft von CIA Major Barlow, die sich als attraktive Blondine herausstellt. Und die sowjetischen Satellitenstaaten beginnen einen Konkurrenzkampf um den Mikrofilm.
„Wie darf ich Sie dann nennen? Chef? Boss? Meister? Majestät?“
Die belgische Krimi-Comic-Serie „Robert Sax“ ist eine Hommage an die Aufbruchsstimmung der 1950er Jahre. Im Interview mit den Machern, das den Comic-Band abrundet, sind sich Zeichner Alloing und Szenarist Rudolphe in ihrer Faszination für die Epoche und den Fortschrittsglauben jener Tage einig. Tatsächlich entstand die Serienidee mit dem Verleger Guy Delcours, der nach einer Serie in diesem Umfeld fragte.
So erscheint der „Amateurspion, Diplomatenboxer und ehrenamtlicher CIA-Mitarbeiter“ Robert Sax auf der Bildfläche. Das Auftakt-Abenteuer „Nucleus 58“ kann sich durchaus sehen lassen, hat aber in mehrerer Hinsicht noch Potential. Gerade in Sachen Figuren-Tiefe bleibt in „Nucleon 58“ Vieles vage. Weder wird Robert Sax’s Vergangenheit beleuchtet, noch seine Werkstatt-Angehörigen weiter vorgestellt. Aber es gibt nennenswertes Personal. Zum einen die Sekretärin Martina, die mit den „neuen“ Chef und seiner mondänen Art arg fremdelt, und den Chefmechaniker Raul, an dem die ganze Arbeit und Organisation in der Kfz-Werkstatt hängen bleibt. Gelegentliches Genörgel deutet an, dass Raul bald in den Arbeitskampf gehen könnte.
Aber das bleibt vorerst Zukunftsmusik. Im Original sind bislang fünf Episoden der Serie erschienen und das Konzept scheint erfolgreich. Stilistisch ist „Robert Sax“ in typischer klarer Linie (Ligne Claire) gehalten, aber keineswegs so klassisch wie es scheint. Hier und da haben Zeichner Alloing und Kolorist Drac Schattenspiele und Schraffuren eingefügt, ohne dem zeichnerischen Konzept untreu zu werden.
Verlorener Stift gefunden
Auffällig ist der exakt eingefangenen Zeitgeist, der sich zeichnerisch an Details wie Mode und Automobilen, an Werbe-Aschenbechern und anderen Interieurs zeigt. Ebenso wie die (sehr wahrscheinlich) authentische und detailgetreue zeittypische Inszenierung von Brüsseler Plätzen und Orten.
Die Story ist da nicht ganz so genau. Und während das Atomium bereits 1957 fertiggestellt war, lief die Weltausstellung als Ereignis eigentlich erst im Sommer des nächsten Jahres. So dass die Expo eigentlich noch im Aufbau begriffen ist. Auch scheint mir der Spruch von Robert Sax etwas flapsig, „ein nachlässiger Apfelpflücker habe die Leiter im Garten des Konsulats stehen gelassen“. Im Mai werden auch in Brüssel keine Äpfel geerntet und so flott ist das sprachliche Bild nun auch wieder nicht.
Das Verwirrspiel um die Spionagetätigkeiten der „niederen“ Ostblockstaaten, die man früher sowjetische Satellitenstaaten nannte, nun wieder ergibt nach und nach durchaus Sinn. Darin spiegelt sich auch ein bisschen James Bond und in der Erzählweise eher Marlowe als Nestor Burma. Denn so anarchisch wie Leo Malets Schnüffler (vergleiche „Ratten im Mäuseberg“) kommt der Sax keineswegs daher. Aber stilistisch sind sich die Comics schon ähnlich. Der Zeitgeist in Brüssel schielt eher nach Amerika denn nach Frankreich. Robert Sax hat also nach seiner Zusammenarbeit mit der CIA noch weitere Karrieremöglichkeiten. Wir bleiben gespannt.
Wer auf klassische Krimi- und Thriller-Comics franko-belgischer Schule aus ist, sollte „Robert Sax“ eine Chance geben. Der Serienauftakt des im Brüssel der 1950er Jahre ansässigen Hobby-Detektivs haben nicht von ungefähr ihre verlegerische Dependence bei der Comic-Krimi-Institution Schreiber & Leser gefunden.
Comic-Wertung: (7 / 10)
Robert Sax Band 1: Nucelon 58
OT: Robert Sax 1: Nucleon 58, Edition Delcours, 2015
Genre: Thriller, Comic,
Autor: Rodolphe
Zeichungen: Louis Alloing
Kolorierung: Drac
Übersetzung: Harald Sachse
ISBN: 978-3-96582-126-2
Verlag: Schreiber & Leser, Reihe: Alles Gute, Hardcover, 56 Seiten,
VÖ: 01.08.2023