Jung und schön: Lolita Variationen

Aktuell geht mit „Mein fabelhaftes Verbrechen“, der aktuelle Film von Regisseur Francois Ozon an den Kinostart. Anlass sich noch einmal mit einem älteren Film des Franzosen zu befassen. 2013 kam das Drama „Jung und schön“ hierzulande in die Kinos. Darin geht es um die sexuelle Erweckung einer jungen Frau. Und in gewisser Weise, aber komplett unterschiedlich, ebenfalls um das Ausloten weiblicher Befindlichkeiten.

Isabelle (Marine Vacth) lernt im Sommerurlaub einen Jungen kennen. Die fast Siebzehnjährige verliert zwar ihre Unschuld, ist aber romantisch nicht berührt. Aufgrund ihrer Ernüchterung beginnt sie nach den Ferien sich über das Internet als Prostituierte anzubieten. Isabelle verdient eine Menge Geld und niemand ahnt etwas von ihrem Doppelleben.

Doch dann stirbt ein Freier während des Liebesaktes und Isabelle flüchtet panikartig. Monate später steht dann die Polizei vor der Tür des Mädchens, und die verwirrte Mutter (Géraldine Pailhas) fällt aus allen Wolken, als sie von den Freizeitaktivitäten ihrer Tochter erfährt. Die anschließende Therapie scheint die Tochter kaum zu erreichen, während sich die Mutter große Vorwürfe macht.

Regisseur Francois Ozon spielt in seinem Werk von 2013 mit Klischees und mit der Filmgeschichte. Weil seine Hauptfigur durch das Jahr von unterschiedlichen Chansons der Sängerin Francoise Hardy begleitet wird, wirkt der Film episodenhaft, ohne es tatsächlich zu sein. Das Lolita-Motiv der jungen Verführerin wird in die Gegenwart übertragen und modernisiert.

Inspiration aus Literatur und Filmgeschichte

Die moralischen Befindlichkeiten und auch das sexuelle Erwachen bleiben da archaischer und direkter. Hier steht Coming of Age neben emotionslosem, pragmatischem Sex und erinnert an Luis Bunuels „Belle de Jour“ mit Catherine Deneuve von 1967.

In Cannes war „Jung und Schön“ 2013 für die Goldene Palme als bester Film nominiert. Doch es gibt in „Jung und Schön“ auch Aspekte, in denen die Reibung am Klischee nicht überzeugend wirkt. So deutet das Drama, das keineswegs eine Gesellschaftsanalyse sein will, durchaus an, dass die Abwesenheit einer Vaterfigur Isabelles Zuneigung für ältere Männer auslöst, während sie gleichzeitig Gleichaltrige nicht attraktiv findet.

Beharrlich verweigern der Film und Isabelle Erklärungsansätze oder Begründungen, auch nachdem das scheinbar verwerfliche und illegale, weil minderjährige Tun aufgedeckt ist und Reue und Selbsterkenntnis eingefordert werden. Doch damit wird das Publikum allein gelassen, was zu den Stärken des Films zählt, der bisweilen etwas ausgestellt wirkt.

Tatsächlich ist mir beim Verfassen des Reviews von „Mein fabelhaftes Verbrechen“ aufgefallen, das bei brutstatt.de überhaupt kein Francois Ozon Film besprochen ist. Eine Auslassung, der schleunigst Abhilfe getan werden muss, immerhin ist Ozon einer der produktivsten Regisseure Frankreichs. „Jung und schön“ ist wie Hauptdarstellerin Marine Vacth nicht ohne Reiz bleibt aber oberflächlich und kühl. Dem Publikum bleibt nur die etwas klinische Perspektive des Beobachters.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Jung und schön
OT: Jeune et Jolie
Genre: Drama
Länge: 95 Minuten, F, 2013
Regie: Francois Ozon
Darsteller:innen: Marine Vacth, Geraldine Pailhas
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Weltkino, Leonine
Kinostart: 14.11.2013
DVD- & BD-VÖ: 24.04.2014 (Studiocanal)
Neuauflage: 27.10.2017 (Leonine)