H.I.P. – Ermittlerin mit Mords-IQ: Staffel 1

Bisweilen lassen sich im Genre der Krimi-Serien immer noch Perlen finden. Die französische Krimi-Komödie „H.I.P. –Ermittlerin mit Mords-IQ ist so eine. Polyband veröffentlicht Ende April 2023 die erste Staffel der charmanten Serie mit einer Quereinsteigerin bei der Mordkommission in Lille. Eine Paraderolle für Frankreichs Star Audrey Fleurot.

Die alleinerziehende Morgane Alvaro (Audrey Fleurot) leidet unter Schlafstörungen, weshalb sie einen Job als Reinigungskraft in der Polizeidienststelle in Lille angenommen hat. Es kommt schon mal vor, dass sich die hochintelligente Mutter von drei Kindern bei der Arbeit von der Musik mitreißen lässt. Dusseliger Weise bringt Morgane dabei Akten eines Mordfalls durcheinander. Doch mit ihrem IQ von 160 interpretiert sie die Tatortfotos anders als die Polizei. Sie hinterlässt auf dem Flipchart den Hinweis, dass die Ehefrau des Toten, nicht die flüchtige Täterin ist, sondern das entführte Opfer.

Am nächsten Morgen bemerkt Ermittler Adam Karadec (Mehdi Nebbou), dass sich jemand in die Ermitttlungen eingemischt hat. Zusammen mit seiner Vorgesetzen Commissaire Celine Hazan (Marie Denarnaud) überprüft er die Videoüberwachung. Morgane wird vorgeladen.

Die Ertappte glaubt allerdings, sie würde wegen des geklauten Radiergummis einbestellt. Morgane wird gekündigt, aber neugierig sind die Polizisten schon, wie sie auf ihre Theorie gekommen ist. Die Erklärung offenbart Erstaunliches und eine hochintelligente Person (H.I.P.). Allerdings auch eine arg chaotische. Dennoch bietet Comissaire Hazan der 38jährigen, die ein Problem mit Autoritäten hat, einen Beraterposten an. Morgane hat ihrerseits noch etwas zu klären und nimmt an.

Lollis und Radiergummis

Die Formel für charmante Krimiunterhaltung ist in „H.I.P.“ (auf Deutsch mit „hoch intelligente Person“ übersetzt, im Original „Haut intellectuell potentiell“) schnell ausgemacht. Eine unkonventionelle Ermittlerin macht der müden Polizei Beine. Dabei kommt auch ein charakterlicher Gegenpol ins Spiel, der sich mit zunehmender Seriendauer auch als möglicher Love Interest entpuppt (und umgekehrt).

Neben den acht in sich abgeschlossenen Ermittlungen der jeweils etwa 50 minütigen Episoden gibt es übergeordnete Motivstränge, die sich entwickeln. Zum einen wäre das die bereits erwähnte knisternde Zusammenarbeit zwischen Alvaro und Karadec. Weiterhin wäre es die Team-Chemie der Ermittler und last but not least, Morganes chaotisches Familienleben.

Ihre drei Kinder stammen von zwei unterschiedlichen Vätern. Wobei der Vater der jugendlichen Théa (Cyprian Gardin) unter mysteriösen Umständen verschwunden ist, was Morgan auch im Serienverlauf beschäftigt. Die beiden anderen Kids sind deutlich jünger und aktuell hat Morgan eine eher chaotische Beziehung.

Lille – mit proletarischem Charme

Serienmacher – oder show runner wie das international genannt wird – Stéphane Carrié ist ein alter Hase im französischen Serien-Geschehen. Er hat bereits die Serie „Falco“ inszeniert, die auf dem deutschen Vorbild „Der letzte Bulle“ basiert. Und vor allem den charmanten Serienhit „Candice Renoir“, der auf diesen Seiten auch über diverse Staffeln vorgestellt wurde. Es gibt durchaus Parallelen zwischen der in Sète ermitttelnden Candice und der in Lille aktiven Morgane. Beide sind starke unabhängige Frauen, die den Spagat zwischen Beruf und Familie in fordernden Konstellationen mit unkonventionellem Vorgehen und Verhalten meistern. Das ist durchaus ein kraftvolles Leitmotiv für moderne Serienformate.

Auch in „H.I.P“ stehen die Kriminalfälle nicht immer eindeutig im Vordergrund. Allerdings wissen die mörderischen Rätsel eher zu begeistern als die bisweilen überschaubaren Tätersuchen in Südfrankreich. Immerhin muss der herausragende Intellekt der Quereinsteigerin ja demonstriert und gereizt werden. Bisweilen bekommt die Bebilderung der assoziativen und deduktiven Denkprozesse eine eigene Humorebene.

Der Bulle und das Mädchen

Ein wenig ist die moderne Heldin so wie ihre Stadt: nordfranzösisch, eher Arbeiterklasse und Malochermilieu, wenig glamourös, aber von stolzer Grazie. Für die französische Schauspielerin Audrey Fleurot ist das eine Steilvorlage, die immer wieder gerne angenommen wird und bisweilen bis an die Grenzen der Karrikatur ausagiert wird. Das mag beim Publikum auch schon mal übertrieben ankommen, hat aber seine glaubhaften Ecken und Kanten.

Im Duett mit dem beamtenhaften Vorschriftenreiter Adam Karadec ergibt sich dabei eine Dynamik und Gegensätzlichkeit wie sie auch bei Candice Renoir und Antoine Dumas auftritt und auch schon die klassische Krimiserie „Das Modell und der Schnüffler“ (OT: „Moolighting“) mit Cybill Sheperd und Bruce Willis ab 1985 zu starken Einschaltquoten verhalf. Hierzulande war „H.I.P.“ auch auf NDR zu sehen und in Frankreich wird aktuell die dritte Staffel ausgestrahlt. Krimi-Fans dürfen sich also auf weitere Eskapaden freuen.

Mit proletarischem Charme und wahnwitzigem IQ mischt eine unangepasste Ermittlerin die Polizeiarbeit in Lille auf. Der französische Serienhit „H.I.P.“ gefällt mit charmantem, emanzipiertem Witz und einer großartigen Hauptdarstellerin. Es geht nicht allzu mörderisch, dafür aber umso humorvoller und cleverer zur Sache.

Serien-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

H.I.P. – Ermittlerin mit Mords-IQ: Staffel 1
OT: H.I.P. – Saison 1
Genre: TV-Serie, Krimi, Komödie
Länge: ca 400 (8 x 50 Minuten), F, 2021
Idee: Stéphane Carrié
Regie: Laurent Tuel, Vincent Jamain
Darsteller:Innen: Audrey Fleurot, Marie Denargeau, Medhi Nebbou,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Polyband Medien
DVD-& Digital-VÖ: 28.4.2023

Episodenliste
Westwind (OT: „Vnts d’ouest“)
Tod in der Badewanne (OT: Coutume malgache)
Blinde Kuh (OT: Colin-maillard)
Schrecklicher Giftfrosch (OT: Phyllobates terribilis)
Blutgruppe 0 Negativ (OT: Tel maître, tel chien)
Erotische Albträume (OT: Hep et Soja)
Molotowcocktail (OT: Coctail molotov)
Auch ein blindes Huhn (OT: Homme de peu de foi)