Aus dem Archiv in den #MayRomantic: „Lunchbox“ von 2013. Bei uns wird indisches Kino immer noch mit Bollywood-Produktionen gleichgesetzt, dabei hat sich in den letzten Jahren (Stand 2013) ein junges Kino entwickelt, dass nicht dem Bollywood-Muster eines überlangen Feel-Good-Movies mit viel Musik und Tanz und Happy End entspricht. Auch Filmmacher Ritesh Batras Spielfilmdebüt hat mit Bollywood wenig zu tun. Eine Feel-Good-Komödie ist „Lunchbox“ trotzdem – und eine gelungene.
Die Hausfrau Ila (Nimrat Kaur) leidet darunter, dass ihr Ehemann sie kaum noch beachtet. Die ältere Nachbarin in der Wohnung über ihr, setzt ganz auf die alte Weisheit, dass Liebe durch den Magen geht und verrät Ila ein Rezept, das den Gatten garantiert wieder entfacht. Also kocht Ila, nachdem die Tochter zur Schule geschickt ist, ihrem Mann einen besonderen Lunch.
Dieser wird dann von den Dabbawalas, den Lieferanten in der Stadt bis zur Mittagspause ausgeliefert. Die Dabbawalas sind stolz auf ihr fehlerfreies Liefersystem, doch als Ilas Gatte am Abend nach Hause kommt, ist er weder leidenschaftlich entflammt, noch lobt er das außergewöhnliche Essen.
Liebe geht durch den Magen
Jetzt erst stellt sich heraus, dass die Lieferanten die Lunchbox vertauscht haben und die vernachlässigte Hausfrau einen Fremden bekocht. Dieser Fremde ist der alternde Versicherung-Sachbearbeiter Saajan (Irrfan Khan). In einem Monat geht Saajan in Vorruhestand und er muss nun den jungen Kollegen Shaikh (Nawazuddin Siddiqui) einarbeiten. Der lebenslustige junge Mann hat es allerdings schwer, Kontakt zu Saajan aufzubauen. Eines Tages findet dieser eine Nachricht von Ila in seiner Lunchbox und ein Briefwechsel beginnt.
Mumbai ist eine quirlige Metropole und es mutet aus unserer Sicht seltsam an, dass Ehefrauen ihren Männern ein warmes Mittagessen zur Arbeit hinterherschicken. Daraus und aus dem hochgelobten, vortrefflichen Liefersystem der Dabbbawalas, das eine typische Mumbai-Spezialität ist, entwickelt Regisseur und Autor Ritesh Batra seine Komödie.
Zertifiziertes Botensystem
Dazu muss man wissen, dass das Transportsystem der Dabbawalas in Kollektiven organisiert ist und auch von internationalen Ökonomen untersucht wurde. Das System wurde auch nach internationalen Standards des Qualitätsmangements untersucht und zertifiziert. Das System macht keine Fehler! Die indische Komödie „Lunchbox“ konstruiert aber aus ebendieser Möglichkeit, dass sich doch einmal ein Fehler einschleicht, eine Komödie, die zwei ganz unterschiedliche Menschen in Kontakt zueinander bringt.
Zwischen dem missmutigen Witwer und der vernachlässigten Ehefrau entspinnt sich der Ansatz einer Romanze, indem die täglich ausgetauchten Nachrichten immer persönlicher werden und sich gegenseitig Mut zusprechen. Das hat etwas von Brieffreundschaft oder Internet-Chat und die Neugier läuft beinahe zwangsläufig darauf hinaus, dem Gegenüber auch im echten Leben begegnen zu wollen. Auch mit diesem Element spielt die indische Komödie gekonnt und dennoch realistisch.
Alltag in Mumbai
Gekonnt wechselt der Film zwischen den beiden großartig dargestellten Charakteren Ila und Saajan und deren Lebenswelt: Ebenso wie die kleinen täglichen Botschaften zwischen der meisterhaften Köchin und dem begeisterten Esser, dessen Lebensmut und Zuversicht mit jeder Mahlzeit wieder zu wachsen scheint.
Im Subtext dieses lockeren Dramas mit einer gehörigen Prise intelligenten und leisen Humor finden sich einige Aspekte des modernen und urbanen indischen Lebens wieder. Allein die drei sehr unterschiedlich sozialisierten Protagonisten und deren im Lauf des Films näher betrachtete Lebensgeschichten geben einen breit gefächerten Eindruck der indischen Gesellschaft. Viele gesellschaftliche Probleme werden am Rande dieser menschelnden Geschichte angerissen, ohne den Unterhaltungswert von „Lunchbox“ zu schmälern.
In seinem Debut gelingt Ritesh Batra eine subtile Gratwanderung zwischen leichter Muse, romantischer Komödie und gelassener gesellschaftlicher Beobachtung. Und die wundervolle Stimmung des Films lässt den Zuschauer mit einem Lächeln aus dem Kinosaal gehen.
Film-Wertung:
(7 / 10)
Lunchbox
OT: The Lunchbox
Genre: Drama,
Länge: 104 Minuten, IND, 2013
Regie: Ritesh Batra
Darsteller:innen: Irrfan Khan, Nawazuddin Siddiqui, Nimrat Kaur
FSK: ohne Altersbeschränkung, Ab 0 Jahren
Vertrieb: Concorde, Euro Video
Kinostart: 21.11.2013
DVD-VÖ: 28.05.2014
