„Perfektion ist der Schlüssel zu einem Leben, das Chancen abseits der Norm ausschließt. Regisseur Aaron Schimberg (Chained for Life) erzählt in A DIFFERENT MAN eine außergewöhnliche Geschichte, in der die Gegensätze aus überzeugter Selbst- und missverstandener Fremdwahrnehmung eine zerstörerische Dynamik entwickeln.“ Meint zumindest die Inhaltsangabe des Filmverleihs Universal und das Publikum ist nicht wesentlich Schlauer, wenn der gesichtsdeformierte Schauspieler Edward beschließt in experimentelle Behandlung zu gehen. Zu sehen im Kino ab 5. Dezember 2024.
In New York fristet Edward (Sebastian Stan) ein eher bescheidenes Dasein als Schauspieler. Der junge Mann leidet unter einer Gesichtsdeformation und bekommt gerade mal eine Rolle in einem Inklusions-Werbespot. Ach sonst läuft es nicht gerade gut für Edward. In seiner Mietswohnung tropft es durch die Decke und niemand kümmert sich.
Erst als die junge Regie-Studentin Ingrid (Renate Reinsve) nebenan einzieht, bekommt Edward von der Nachbarin, die beim Umzug Eds Tür beschädigt hat, etwas Aufmerksamkeit. Doch Edward bekommt von seinem Arzt die Möglichkeit an einer Experimentellen Therapie teilzunehmen. Die schlägt auch an. Und weil Edward nicht mehr erkannt wird, erzählt er, er wäre der Nachmieter.
„Kenne ich sie irgendwo her?“
Als inzwischen erfolgreicher Immobilienmakler mit blendendem Aussehen stolpert Edward zufällig in die Auditions für ein Theaterstück namens „Edward“. Ingrid hat aus seinem ihr bekannten Leben ein Theaterstück gemacht und sucht nun einen Hauptdarsteller. Edward bewirbt sich mit der Maske seines alten Aussehens und überzeugt unerkannt. Doch dann taucht der lebenslustige, temperamentvolle Oswald auf, der tatsächlich ein ähnlich deformiertes Gesicht hat wie Ed früher.
In einer Branche, die das im Wesentlichen mit Abbildung wirkt und arbeitet ist das Aussehen schon ein wichtiger Faktor. Nun dreht „A Different Man“ die übliche Casting Logik der Filmindustrie um und schafft so eine erste dramatische Ebene in dem vielbödigen Film von Autorenfilmer Aaron Schimberg. Und letztlich mag das auch als Kommentar auf die woke, identitätspolitische Besetzung-Philosophie, Dass Rollen nur von Darsteller:innen mit gleicher Identität gespielt werden sollten. Aber das mag an dieser Stelle zu weit führen.
Sicherlich spielt „A Different Man“ mit Identität, Schönheitsideal und gesellschaftlicher Norm, thematisiert aber auch, dass Wandel nicht nur auf einer Ebene stattfinden kann. Damit ist „A Different Man“ gerade in diesem Jahr neben dem Body-Horror von „The Substance“ und oder „Emilia Perez“ eine weitere körperliche Exkursion in das Sein der Figuren.
„Irgendwie siehst du aus wie du, aber du bist nicht duselbst.“
Das ist schon clever gescripted und auch sehr gut gespielt und knüpft selbstverständlich an die Filmgeschichte von „Freaks“ oder „Elephant Man“ an. Tatsächlich gestehe ich, dass ich den Film weniger interessant fand hat als ich ihn an dieser Stelle beschreibe. Es ist einfach ein gelungener Film. Das dunkel Komödiantische erschließt sich mir nur bedingt.
Das vermeintlich Naive Interesse Ingrids an ihrem entstellten Nachbarn wirkt an sich schon irgendwie schräg, so wie die Umsetzung des individuellen Schicksals in ein Theaterstück gleichermaßen nicht nur selbstlos und aufopfernd zu verstehen ist. Und so rottet Eds Apartment statt der Person selbst und so wie einst Gregor Samsa in Kafkas „Die Verwandlung“ an dem Apfelwurf litt.
Ebenso wie auf körperliches Außenseitertum eingegangen wird, ist „A different Man“ in seiner Beredsamkeit und in seinem Intellektualismus ein klassischer New York Film und dem Schaffen von Woody allen nicht unähnlich. Und die Elemente der Branchen-Nabelschau werden gleichermaßen sichtbar.
Schauspieler Adam Pearson ist dabei tatsächlich von Neurofibromatose betroffen. Pearson spielte bereits in Schimbergs vorangegangenem Film „Chained for Life“ (2018), der nur auf Festivals lief, bevor er im amerikanischen TV zu sehen war.
„A Different Man“ ist weniger eine Freakschau als eine differenzierte und mehrschichtige Auseinandersetzung mit Sein und Schein, mit Norm und Abweichung und der Suche nach dem Glück. Das ist nicht immer ganz einfach anzuschauen und die zeitlos grobkörnige Optik ist ebenfalls speziell.
Film-Wertung: (7 / 10)
A Different Man
OT: A Different Man
Genre: Drama, Komödie
Länge: 112 Minuten, USA, 2024
Regie: Aaron Schimberg
Schauspiel: Sebastian Stan, Renate Reinsve, Adam Pearson
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Universal Pictures International
Kinostart: 05.12.2024