Gloria: Tanzen gegen die Einsamkeit

Aus dem Archiv in den #Mayromantic: Die argentinische Tragikomödie „Gloria“ von 2013. Auf der Berlinale 2013 war das argentinische Drama „Gloria“ für den Goldenen Bären nominiert und Hauptdarstellerin Paulina García bekam den Silbernen Bären. Gloria geht auf die 60 zu, ist geschieden und die Kinder sind aus dem Haus. Eine Geschichte über Liebe im Alter, eine Figur so mitten aus dem Leben, dass es beinahe dokumentarisch wird.

Gloria (Paulina García) lebt allein in ihrer Wohnung in der chilenischen Hauptstadt Santiago, sie ist geschieden und ihre erwachsenen Kinder sieht sie nur selten. Gelegentlich geht ihr der Nachbar auf den Senkel, wenn er wieder bis spät in die Nacht laute Streitgespräche führt und seine felllose Sphynx-Katze verirrt sich viel zu häufig in Glorias Wohnung. Gegen die Einsamkeit, die sie gelegentlich heimsucht, hat sie ein Mittel: Gloria besucht Single-Tanzabende für „Best Ager“, Leute im besten Alter.

Hier sucht sie Kontakt und auch eine Beziehung. Als sie den ebenfalls geschiedenen Rodolfo (Sergio Hernández) kennenlernt, scheinen sich ihre Hoffnungen zu erfüllen. Doch statt einer glücklichen neuen Beziehung im Alter entpuppt sich der Neue als unsteter Geselle, der zwar immer wieder bekundet, eine Beziehung mit Gloria zu wollen, sich letztlich aber nicht von seiner Familie ablösen kann.

Rhythmus und Leidenschaft

Die Kamera in Sebastián Lelios Film hat seine Hauptfigur ständig im Blick, lässt keine Gelegenheit aus, zu beobachten. Zu Gloria, die auch gesellschaftlich ein wenig abseits zu stehen scheint, bleibt immer auch eine Restdistanz, weil sich ständig jemand anderes ins Bild zu drängeln scheint.

Selbst in ihrem Appartement, wenn die Einsamkeit sie überfällt, hat Gloria die unerwünschte Gesellschaft der unnatürlich nackt wirkenden Nachbarskatze. Mehr als einmal muss sie das ihr widerwärtige Tier aus der Wohnung schmeißen. Dann aber verschiebt sich der Blick des Zuschauers unmerklich und man nimmt Anteil am Leben der „Randfigur“ Gloria. Nun entfaltet sich deren innere Kraft und Schönheit erst richtig.

Der chilenische Regisseur Sebastían Lelio lotet in seinem vierten Film „Gloria“ die Befindlichkeit von Frauen aus der Generation seiner Mutter aus. Und findet so eine wuchtige mitreißend erzählte Charakterstudie. Darstellerin Pauline García stellt mit großem Realismus und einer zupackenden Selbstverständlichkeit ihre Gloria so bescheiden aber selbstverständlich und doch bestimmt ins Rampenlicht. Die Frau hat sich selbst lange genug hinten angestellt und weiß inzwischen, was sie will.

Tanzpartner

Und dann wäre da noch Rodolfo: diese Hoffnung auf ein wenig spätes Glück in der Zweisamkeit. Der Mann betreibt einen Freizeitpark, in dem sich Paint-Ball-Spieler gegenseitig mit Farbe bekleckern können. Dorthin nimmt er Gloria einmal mit, um ihr seine Welt, sein Leben zu offenbaren. Rodolfo geht mit seinem Alleinsein völlig anders um und wirkt dabei häufig wie ein überforderter, verzogener Bengel mit erstaunlicher Unselbständigkeit.

Anders als Gloria, die das eigene Leben ihrer Kinder längst akzeptiert, kann Rodolfo es nicht lassen, sich um seine ebenfalls erwachsenen Töchter und seine Ex-Frau zu kümmern. Selbstverständlich geht das auch auf Kosten seiner Beziehung zu Gloria. Irgendwie steht Rodolfo mit seiner Vernarrtheit in Waffen und dem schlecht kaschierten Rest-Machismo auch ein wenig für Chiles Geschichte – eine Ahnung, eine Anspielung auf die Diktatur.

Nachtrag 2023: Julianne Moore war von dem Film so angetan, dass Sebastian Lelio auch das amerikanische Remake drehte. Das entstand 2018 entstand unter dem OT „Gloria Bell“ mit John Tuturro und Julianne Moore in den Hauptrollen.

Regisseur & Autor Sebastián Lelio zeichnet seinen Film „Gloria“ das eindrückliche und mitreißende Portrait einer alltäglichen Heldin, einer starken, selbstbewussten noch immer lebenshungrigen Frau, die sich einfach nicht unterkriegen lässt, dabei aber einen lebensklugen Realismus an den Tag legt. Dass Pauline García eine fulminante, furchtlose, sehr intime und ehrfurchtgebietende Gloria auf die Leinwand zaubert, ist mehr als Grund genug, sich diesen außergewöhnlichen Film anzusehen.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Gloria
OT: Gloria
Genre: Drama, Komödie
Länge: 110 Minuten, ARG, 2013
Regie: Sebastian Lelio
Darsteller:innen: Paulina Garciá, Sergio Hernández, Diego Fontecilla
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: nicht bekannt
Kinostart: 08.08.2013
DVD-VÖ: nicht bekannt