In der deutschsprachigen Schweiz heißt der Neumond auch Leermond, was nicht nur trefflich ist, da nix zu sehen, sondern auch eine Geisteshaltung beschreibt, mit der sich die geneigte Hörerschaft dem neuen Album der norwegischen Space Rocker Black Moon Circle nähern sollte. Wahnwitzig reiten die Trondheimer auf ihren Riffs herum bis sich die weltumspannende Midgard-Schlange in den eigenen Schwanz beißt. Neu bei Crispin Glover Records seit 21. April 2023.
Ein schwarzer Mond bezeichnet einen zusätzlichen Neumond. Das ist keine Mondfinsternis. Das ist mehr als das normale. Dieser geht bis elf. Wenn andere Bands schon wieder die Songlänge ausgereizt haben, legen Black Moon Circle einfach nochmal nach. Fange wieder von vorne an, oder mittendrin, oder wiederholen das Motiv, den Gesang, das Riff. Sie hören einfach nicht auf. Das hat was Besessenes, das hat etwas Tranceartiges und die Schwere des Rockens macht die Angelegenheit zunächst mal grundsympathisch.
Aber dann gerät der Rezensent ins Straucheln, verliert den akustischen Faden. Findet ihn wieder und kaut auf demselben alten Riff wie vor 5 Minuten. Eventuell braucht es bewusstseinserweiternde Substanzen oder einfach eine weniger moderne Hektik in den Blutbahnen, um sich in die Monotonie der Riffs fallen zu lassen, als ich sie an den Tag legen kann. Wie gesagt grundsympathisch, aber total over the top.
Schlangenöl
Dann fängst du an zu recherchieren und stolperst über dies und das und kannst dir keinen Reim mehr machen auf die wüst manische Veröffentlichungsflut und die wahnwitzigen Dauern, die die Kompositionen so haben. Also sortieren, nicht nur für mich, sondern für alle die denn ready and willing sind, sich einzulassen auf den Weltraum:…unendliche Weiten.
Die Band, als Projekt der schwer rockenden Brüder an Bass und Gitarre scheint seit 2014 zu musizieren. In jenem Jahr kam die erste Single heraus und auch gleich 2 weitere Tonträger, beziehungsweise digitale Veröffentlichungseinheiten. Der Sound der Schwarzmondkreise ging seinerzeit bereits in diese Richtung. Überbordende, schwere Jams irgendwo zwischen Hawkwind und Monster Magnet, aber mit Hang zum Chaos. Tatkräftig unterstützt von Keyboards und Synthi-Geschwurbel.
Ich bin mir nun direkt auch nicht sicher, wie sich die Outputs so zählen lassen. Der Promo-Zettel spricht von zehnten Album. Ich zähle auf Bandcamp eher neun, zwei Singles und eine erweiterte Compilation der „Studio Jams“. Die Jam Sessions scheinen mir nicht so recht vollwertig, aber angesichts der “regulären“ Alben auch keinen Unterschied zu machen. Wen interessiert’s?
Weltraumherrscher
Verwirrender hingegen ist der wuselige Umgang mit Betitelung von Musikstücken. Auf „Leave the Ghost Behind“ finden sich sieben Songs. Zu „Serpent“ (hier ca 7 Minuten“ mache ich eine Jam-Session aus, die insgesamt Serpent betitelt ist und aus zwei Teilen (Head und Tail) besteht und zusammen 40 Minuten wegrockt. Ist das aktuelle Stück nun ein Auszug, die Essenz oder was ganz anderes?
Ebenso „Psychedelic Spacelord“, hier mit 18 Minuten am Start, da gab’s ‘ne „Single“ selbigen Titels (?), die 45 Minuten reißt. Im ewigen kharmischen Rad mag das gleichgültig sein, ich bin im Hier und Jetzt verhaftet und verwirrt. Verwirrung ist grundsätzlich gut. Nur scheint mir das Musizieren nicht zielführend, das muss ich dann auch nicht mitgehen.
Der Opener „Snake Oil“ bringts auf dem Punkt: „I am everywhere in a snake oil confusion“. Das so genannte Snake Oil ist ein Synonym für Quacksalberprodukte. Insofern tut sich die Band da nicht wirklich einen Gefallen. Die Riffs und der Gesang in fast allen Songs wissen zu gefallen und hauen voll in meine Kerbe, aber wo sieben Minuten die Minimum-Laufzeit für eine oder mehrere musikalische Ideen sind, wird ein Riff auch schon mal totgeritten.
Zwerggalaxien
„Snake Oil“ mit 11 Minuten macht noch richtig Laune, „Serpent“ ist mit 7 fluffig und phat, hat aber bereits so seine Ermüdungen. „Psychedelic Spacelord“ ist großartig, aber mit 18 Minuten definitiv auf die Hälfte kürzbar. „Bubbles in the Air“ ist nett. „Cohiba“ und „Magellan Cloud“ wissen mit jeweils rund 10 Minuten zu gefallen und das abschließende „Radiant Sun“ ist einfach nur ellenlang, ohne jeglichen Erkenntnisgewinn, selbst in Jam-Begriffen. Dass insgesamt auch noch unkommerzielle 85 Minuten rausspringen, mag die Vinyl-Fans freuen, da ein do-LP fällig ist, aber auf eine CD gehen nur 80 Minuten rauf, weshalb auch keine angeboten wird.
Ich habe kein Problem im mit meditativer Musik und bin großer Fan marokkanischer Gnawa-Sounds, mag Hawkwind und auch ellenlange Grateful Dead Jams, hatte früher bei Neurosis-Gigs kakophonischen Spaß und weiß seit Karma to Burn, dass Songs auch einfach nur durchnummeriert werden können. Aber irgendwie geht’s mir mit Black Moon Circle auf „Leave the Ghost Behind“ wir mit Okkultokrati auf „Raspberry Dawn“: geile Mukke aber irgendwann arg eintönig. Insofern möge jed:r Interessierte selbst seine Ohren benutzen.
Album-Wertung: (6 / 10)
Black Moon Circle: Leave the Ghost Behind
Genre: Space Rock, Stoner, Heavy Rock
Länge: 85 Minuten, 7 Songs, N, 2023
Interpret: Black Moon Circle
Label: Crispin Glover Records
Format: Doppel-Vinyl, Digital
VÖ: 21.04.2023
Black Moon Circle bei Bandcamp
Crispin Glover Records
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