Arboretum: Teenage Angst in Thüringen

Als Teenager hat der junge Mensch es nie leicht. Wenn dann noch eine spezielle angespannte Soziallage dazukommt, kündigt sich das Drama von langer Hand an. Kein Wunder, wenn Erik Visionen von sprechenden Bäumen hat, die ihm Hass einflüstern. Der beachtliche deutsche Spielfilm „Arboretum“ ist bei Meteor Film am 31. März 2023 digital und für das klassische Home-Entertainment auf DVD und Blu-ray veröffentlicht worden.

Erik (Oskar Bökelman) und sein Freund Sebastian (Niklas Doddo) haben es nicht gerade leicht. Sie werden in der Schule gemobbt und von den Rabauken, deren größere Brüder bereits rechtsradikal sind, regelmäßig drangsaliert. Da kommt der Mensch schon mal auf Rachegedanken. Die Dinge geraten im Sommer 2001 außer Kontrolle.

Die thüringische Kleinstadt, in der die beiden aufwachsen, gibt nicht viel her und leidet immer noch darunter, dass hier einst die Innerdeutsche Grenze verlief. Eriks Vater war zudem Grenzer, der auch noch Waffen zu Hause hat, und so fangen die beiden Kumpel mit heimlichen Schießübungen an.

Dann trifft Erik auf einer Party in einem besetzen Haus Elli (Anna Jung) und Hormone scheinen plötzlich wichtiger als Freundschaft. Sieht zumindest Sebastian so. Aber Erik hat auch noch einen anderen heimlichen Bekannten. Eines Abends tritt aus dem Wald ein sprechendes Baumwesen auf ihn zu und ermutigt ihn, seine Gewaltfantasien auszuleben. Als er kurz darauf die die beiden Schultyrannen schwer verletzt im gegen einen Baum gekrachten Auto findet, zerrt Erik kurzerhand einen der beiden ins nahegelegene Moor.

„Im Thüringer Wald da essen sie noch Hunde…“

Das zeitliche Setting im Sommer des Jahres 2001 scheint der Schlüssel für die Einordung von „Arboretum“ zu sein. Dabei gibt der Film die Daten erst spät und nur indirekt über zwei einschneidende Nachrichten preis. Zum einen die eskalierende Gewalt beim G8 Gipfel in Genua und später den Terroranschlag auf das Word Trade Center im September des Jahres.

Für die thüringische Kleinstadt und für Elli, Sebastian und Erik ist das nur am Rande von Belang, allein es setzt die Stimmung sich zuspitzender Anspannung und Gewalttätigkeit. Denn auch hier gibt es gewalttätige Konflikte und gesellschaftliche Verwerfungen, die das Miteinander maßgeblich belasten.

So wird aus dem klassischen Coming of Age einer Jungenfreundschaft auch ein Versuch sich gegen aufkommenden Rechtsradikalismus zu wehren und zugleich nicht mit dem Rucksack aus Ost-Vergangenheit aufzuwachsen. Ein hoffnungsirrer Versuch, der bei Sebastian Fluchtgedanken auslöst. „Sobald wie möglich bin ich hier weg.“ Und bei Erik einen Rückzug in die Fantasie.

Regisseur Julian Richberg legt sein Sozialdrama absichtlich als Genrebeitrag im Horror-Ambiente an. Nach eigenen Aussage ließe sich so wirksamer Sozialkritik transportieren als im klassischen Drama. Ein streitbarer Ansatz, der sicher insofern seine Berechtigung hat, als dass viele Genrefilme auch eindrücklich Kritik an der Gesellschaft transportieren.

„…nach altem Rezept, zur winterkalten Stunde.“ („Thüringen“, Reinald Grebe)

Bisweilen fügen sich die Elemente in „Arboretum“ schauerlich zu einen atmosphärischen Ganzen, das durchaus von „Donnie Darko“ (2001) oder von Gus van Sants „Elephant“ (2003) beeinflusst sein könnte. Beides passt durchaus in die Zeit, in der „Arboretum“ handelt. Anderes aber wirkt überladen und in der kurzen Spielzeit von 80 Minuten kaum ausführbar. So etwa die Kapitelstruktur des Films, die mit sechs Abschnitten ambitioniert, aber auch etwas willkürlich wirkt.

Oder aber der große Monolog von Eriks Vater gegen Filmende, der aus einer bisher nur unterfütternden Behauptung das weite Feld der Vergangenheitsbewältigung anreißt, ohne dem jenseits der Behauptung irgendwie gerecht werden zu können. Einem jungen Filmmacher und einem jungen Debüt-Film sollte man seine Ambitionen aber nicht vorhalten, sondern sich darüber freuen, dass hier jemand etwas zu sagen hat.

Eventuell hätte dem atmosphärischen Thriller „Arboretum“ etwas mehr Horror gutgetan. So etwas ist immer auch eine Budget-Frage und „Arboretum“ haushaltet beeindruckend mit seinen Mitteln. Bisweilen ist der Film etwas überfrachtet, aber die jungen Darsteller und die bedrückende Stimmung überzeugen.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Arboretum
OT:Aarboretum
Genre: Drama, Horror,
Länge: 80 Minuten, D, 2020
Regie: Julian Richberg
Darsteller:innen: Oskar Böckelmann, Julia Lang, Nikals Doddo
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Meteor Film
Kinostart: 09.02.2023
Digital-VÖ: 31.03.2023
DVD- & BD-VÖ: 31.03.2023

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