Der Staat gegen Fritz Bauer: Endlich ausmisten!

Es passiert selten genug, dass die Vorstellung eines älteren Films einerseits zur Unterfütterung eines aktuellen Titels brauchbar ist und andererseits in das Monatsmotto passt. Insofern kommt mit „Der Staat gegen Fritz Bauer“ ein früherer Film von Lars Kraume zum Zug, der gerade „Der vermessene Mensch“ in die Kinos bringt. Außerdem ist „Der Staat gegen Fritz Bauer“ von 2015 ein sehenswerter Beitrag zu den #IdenDesMärz. Also, mitten rein in die Bundesrepublik Deutschland der 1960er Jahre.

Nach außen sieht es Ende der 1950er Jahre aus, als wäre in der Bundesrepublik Deutschland wieder Normalität eingekehrt. Das Wirtschaftswunder sorgt für Wohlstand und der verlorene Krieg soll auch endlich vergessen sein. Allerdings arbeiten Staatsanwalt Fritz Bauer und sein Team noch daran, Kriegsverbrecher und Nazis vor Gericht zu bringen. Bauer ist deutscher Jude, der in Dänemark im Exil war und nach dem Krieg wieder in Frankfurt lebt.

Bauers Bemühungen stoßen immer wieder auf Hindernisse. Das liegt auch daran, dass in vielen öffentlichen Funktionen wieder ehemalige Nationalsozialisten sitzen. Denen ist nicht daran gelegen, ihre Kameraden vor Gericht zu sehen. Die Kameradschaft wirkt im Verborgenen weiter. Eines Tages bekommt Bauer den anonymen Hinweis, Adolf Eichmann sei in Argentinien gesichtet worden.

Die Suche nach Kriegsverbrechern

Das reiht sich in eine unzuverlässige Reihe von Nazi-Sichtungen. Doch irgendwie hat der Staatsanwalt eine Ahnung und geht dem Hinweis nach. Für Bauers Arbeit wäre es ein immenser Fortschritt, einen so hochrangigen Täter zu fassen. Doch die deutsche Gesellschaft und auch die deutschen Behörden scheinen nicht an einer Aufarbeitung der Vergangenheit interessiert. Das Bundeskriminalamt und auch Kollegen in der Staatsanwaltschaft behindern Bauers Ermittlungen. Der junge, ambitionierte Anwalt Karl Angermann (Ronald Zehrfeld) scheint da etwas anders drauf zu sein.

Es wäre nutzlos, das Leben und Wirken Fritz Bauers an dieser Stelle nachzuerzählen. Das tut der Film bereits, wenn auch fiktionalisiert und auf ein wesentliches Ereignis bezogen. Bauer war als Jude und ehemaliger KZ-Häftling maßgeblich für die Auschwitz-Prozesse und das Auffinden Adolf Eichmanns verantwortlich.

„Der Staat gegen Fritz Bauer“ von Regisseur Lars Kraume ist ein in weiten Teilen gelungener fiktionalisierter Zugang zu einer wenig beleuchteten Phase der deutschen Geschichte. Gleichwohl will der Film Fritz Bauer auch merklich ein Denkmal setzen und inszeniert ihn schon häufiger als Nazis jagenden, deutschen Simon Wiesenthal denn als Juristen.

Der Glaube an die Justiz

In den vergangenen Jahren gab es im deutschen Film mit Margarethe von Trottas „Hannah Arendt“ (2012) und Giulio Ricarellis „Im Labyrinth des Schweigens“ (2014) gleich zwei Filme, die sich thematisch mit der deutschen Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit beschäftigen. Auch wurde fast zeitgleich mit Kraumes Film noch „Die Akte General“ für das deutsche Fernsehen produziert. Die Story ist ähnlich, in der Rolle des Fritz Bauer agiert dabei Ulrich Noethen, der die Person anders, aber ebenso faszinierend wie Burkhard Klaußner interpretiert.

Der vorliegende Kinofilm verpackt die Handlung meist gelungen in kriminalistische Elemente und konstruiert so einen Handlungsrahmen. Jüngst war die TV-Miniserie „Bonn – Alte Freunde, neue Feinde“ auf ähnlichen historischen Terrain unterwegs und befasste sich ebenfalls mit noch im Nachkrieg funktionierenden Nazi-Netzwerken. Zudem ist mit „Fritz Bauers Erben“ eine sehenswerte Doku zum Thema erschienen.

Lars Kraume stellt einen jungen Anwalt an die Seite des alten Recken, auch um diesen mit seiner Sexualität erpressbar zu machen. Bisweilen wirkt das alles etwas zu plakativ und offensichtlich. Andererseits erweitert es das Themenspektrum von „Der Staat gegen Fritz Bauer“.

Die Hindernisse alter Seilschaften

Das Drehbuch von Kraume („Das schweigende Klassenzimmer“, diverse „Tatort“-Folgen und „“Der vermessene Mensch“) und Koautor Oliver Guez liefert aber auch eine willkomene Vorlage für einen Ausstattungsfilm. Die Fünfziger- und Sechzigerjahre werden mit vielen Details, Interieurs und Fahrzeugen ins rechte Licht gerückt, da kommt selten Kitsch durch. Inwiefern Bauers „originale“ Bürotapete den Film tatsächlich aufwertet, bleibt fraglich. Der Design-Entwurf von Le Corbusier ist ein geschütztes Kunstwerk und macht den Erwerb von Nutzungsrechten notwendig.

Die Figur des Fritz Bauer selbst wird von Burkhardt Klaußner großartig dargeboten und weiß mit Mundart und wehrhafter Aufrichtigkeit zu überzeugen und den Film zu tragen. Das übrige Ensemble überzeigt ebenfalls, aber die Charaktere bleiben recht oberflächlich. Bis auf Ronald Zehrfelds jungen Staatsanwalt.

Kaum vorstellbar, dass nach den Greueltaten der Nazis deutsche Juden wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Der Sozialdemokrat Fritz Bauer war so einer. Als Staatsanwalt hat er maßgeblich zu Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen beigetragen und enormes geleistet. „Der Staat gegen Fritz Bauer“ reiht sich also nahtlos zwischen „Hannah Arendt“ und „im Labyrinth des Schweigens“ ein. Lars Kraumes Drama „Der Staat gegen Fritz Bauer“ einen beinahe unermüdlichen Kampfgeist und eine große Figur der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Der Staat gegen Fritz Bauer
OT: der Staat gegen Fritz Bauer
Genre: Drama, Bio-Pic, Historisches
Länge: 105 Minuten, D, 2015
Regie: Lars Kraume
Darsteller:innen Burghardt Klaußner, Lilith Stangenberg, Ronald Zehrfeld,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Alamode, Alive
Kinostart: 01.10.2015
DVD-& BD-VÖ: 11.03.2013