Aus dem Nirgendwo sind die „Massive Tales Of Doom“ bei mir gelandet. Das dritte Album des Prog Metal Duos PeroPero. Der Beipackzettel, bei dieser Art frickeliger Musik bisweilen hilfreich, weil sie eben nicht augenblicklich einzusortieren ist, verrät, dass ein Konzept hinter dem Output stecken soll. Klingt spannend. Wenn PeroPero solche Musik machen, darf ich auch komplizierte Worte benutzen. Freies Assoziieren inklusive. „Massive Tales of Doom“ ist seit dem 2.März bei Panta R&E in handelsüblichen Formaten veröffentlicht.
Ich gestehe, dass mir PeroPero bislang unbekannt waren. Ich habe es inzwischen allerdings aufgegeben in Sachen Musikbusiness irgendeinen Überblick behalten zu wollen. Das ist schlicht unmöglich. Wer was anderes behauptet, spinnt. Viel wichtiger sind offen Ohren und ein grobes Verständnis der Musikhistorie. Es hilft auch zu wissen, was man mag, eventuell auch warum. Soviel zur Volxbelehrung.
Warum es Österreicher Musiker nach Berlin verschlägt, ist angesichts der dargebotenen Musik, leicht nachvollziehbar. Dafür gibt es nur in London und Berlin eine aktive Mukkerszene, die einen künstlerisch weiterbringen könnte; eventuell noch in Budapest, aber Sprachbarriere und landespolitische Eckdaten geben schon auch Ausschlag bei der Standortentscheidung. Im Österreich mag noch ein Exotenbonus für die Exilanten herausspringen. Haben PeroPero aber gar nicht nötig.
„Kreuzberger Nächte“ (Gebrüder Blattschuss)
Bevor es gleich an die absolut hörenswerte Musik auf „Massive Tales of Doom“ geht, noch eine Interweb-Fundsache: „PeroPero ist ein Lemur unter dem Dienst ParaParas und wird eingesetzt, um gegen die Sailor Kriegerinnen zu kämpfen. Zuerst erscheint sie als fliegendes bonbonähnliches Wesen, das eine Reihe von kleinen Bonbonmonstern auf ihre Feindinnen abfeuert.“ (Sailor Moon Wiki). Kennt ihr nicht, erkläre ich euch: „Sailor Moon“ ist eine japanische Comic-Reihe, ein Manga, das auch als Anime, Zeichentrick-Serie, verfilmt wurde. „PeroPeros Name ist Lautspielerei für das Geräusch, das ertönt, wenn man an Süßes schleckt.“ (Selbe Quelle)
War mir gleich klar, dass die Herrren Julian Pajzs (guitar, vocals, synth programming) und Valentin Schuster (drums, backing vocals) nur was Süßen wollen. Komplett auf ‚nem Zuckerschock unterwegs. Verständlich auch, warum die Kollegen erfolgreich in Japan Touren, das Album ist der perfekte Anime-Soundtrack.
Nach „Milk“ und „Lizzard“ markiert „Massive Tales of Doom“ nicht nur wegen des extrovertiert langen Titels eine Dekade Bandbestehen. Textlich inhaltlich wird es wohl um Weltuntergangs-Szenarien in diversen Spielarten gehen. Wer sich Mähe gibt, kann dem Gesang recht gut folgen. Lyrics waren jetzt nicht dabei.
„I Want Candy“ (The Strangelove)
Geboten werden auf „Massive Tales of Doom“ 7 Tracks in 35 Minuten, von denen einer das Intro von „Moira“ ist, das auf der CD nicht extra aufgeführt ist. Musikalisch tummeln sich PeroPero im Bereich des Prog Metal mit Einschlägen von Jazz, Mathcore und 90s Alternative. Den Auftakt machte eine doomiger Song. „Vermin“ kriecht mit schwerem Riff gefällig in die geneigten Gehörgänge. Dann kommt was Thrashiges in den Sound und es gibt ein paar – vergleichsweise harmlose – Wechsel. Kein unfallgefährlichen Wildwechsel. Schöner sechsminütiger Auftakt.
Und die Gelegenheit sich mit dem komplexeren Sound vertraut zu machen. „Luminosities“ präsentiert dann die angepriesenen Retrosythies. Es beginnt mit atmosphärischem Teppich, geht in schweren Doom über und ab Minute 2:30 ruckelts im Mosh Pit. So geht das. Oder auch „Breaking through the Barriers of Sound and Time“ und mal eine Textzeile zu zitieren. Ebenfalls ein großartiger Song.
So langsam frage ich mich, wieso ich das Album nach dem ersten Durchlauf als weniger überzeugend und zu hysterisch einsortiert hatte? Diese Art von Musik wächst immer erst nach einigen Assimilierungsprozessen zu ganzer Pracht. Stupid Me! Allein, mit dem Gesang habe ich dann doch die meisten Schwierigkeiten. Oft genug verfällt Herr Pajzs in einen getragen knödeligen Vortrags-Tonfall der absolut zur Musik passt. Nur eben irgendwo zwischen Caruso und Patton mit einem Pathos ringt, das nicht zu meinen Favoriten gehört. Zu dem Synth ist das allerdings hinreißend.
Schicksalsrufe von Dr. Moira MacTaggert
„Event Horizon“ kenne ich als unterbewerteten Sci-Fi-Film. Hier allerdings ahmt ein frickeliger Gitarrenlauf irrlichternde Computersounds nach. Der Song fühlt sich in der naheligenden „trip trap zick zack“-Rhythmik wohl und zieht‘s dann auch gefällig durch… Gefällig, wenn das Ohr an solcherlei Akrobatik gewöhnt ist. Nachzuhören auf diversen Mathcore Alben und gerne auch bei „At the Drive in“ wobei „PeroPero“ der Nachfolgeband „The Mars Volta“ näher sind. Break im Song ist obligatorisch. Und selbstverständlich, oder?
„The Rip“ ist wohl der gemeine Vorstellung vom Heavy Prog Metal. fettes Riff, stakkatorartiger Rhythmus und immer wieder Ausbrüche. aber auch Episches. Es rockt aber gut und gemahnt an die instrumentalen Niederlander „Kong“. Dann reitet sich ein Soundteppich aus, der auch noch chorartige Harmonien auffährt und mal so richtig epische Spannung aufbaut.
Moira“ startet mit zweiminütigem Intro, das mit computerähnlichen Synthies beginnt, dann wabert und gegen Ende Gerede drauflegt. Und genau die richtige Frage: „What this Machine can do for You?“ Und dann schlägt die Schicksalsgöttin zu und die Keys und einige Gitarrenparts erinnern an die Hymnische Power früher DReam Theater. „Anleitung!“ Chapeau.
Aktuelles Video zu „The Rip“
Zum Abschluss gibt es noch „Kensor“. Das Stück steckt dem musikalischen Rahmen von „PeroPero“ vielleicht am anschaulichsten ab. Ein starker Song: tragende Synth, klasse Riff und ab 4:30 ergießt sich all das Gefrickel in epische, spacige Breite. Dann wabert‘s aus wie eine sich entfernende Raumsonde aus „Dark Star“. Erneut: Ich ziehe meinen Hut.
Ich kann das Labern dann ja doch nicht lassen und es richtet sich nicht gegen die Band. Aber Nein! Nein, Frank Zappa würde heutzutage nicht solche Musik machen. Das wäre viel zu sehr Nische. Stattdessen wäre wahrscheinlich, dass er sein Musikzieren in zwei Bereiche fokussiert hätte, einerseits moderne experimentelle Klassik, Beyond „Yellow Shark“. Andererseits UBoot-Pop der Marke „Bobby Brown“: gefällige Nummern, die die Komplexität verstecken und stetig das Musikverständnis des Mainstream unterwandern.
Does Humor belong into Music?“ (Frank Zappa)
Immer wieder muss Herr Zappa als Qualitätsreferenz für jedwede Art von Musik herhalten, die aus irgendwelchen Genregrenzen ploppt und nicht nach 3 Sekunden zu kategorisieren ist. Es gibt eine eigene Denkrichtung die sich mit dem Verwursten diverser Einflüsse beschäftigt, Eklektizismus nennt sich das. Doom-Urgestein Scott „Wino“ Weinrich hat den The Obsessed Klassiker „The Church Within“ übrigens Frank Zappa gewidmet. Der Mann hat Geschmack und Stil. „PeroPero auch, nur eben anders.
Was ich hingegen bei „PeroPero“ heraushöre sind Parallelen zu Nineties Alternative Crossover. So Marke „Waltari“ oder „Faith No More“, die auf „The Real Thing“ ziemlich „From out of Nowhere“ kamen und „Epic“ geblieben sind, bis die Band verdampfte und Mike Patton in andere glorreiche musikalischen Territorien aufbrach. Aber wer braucht das Einnorden schon, wen er ein Album hat, dessen Sci-Fi-Cover ein Stargate im Stil den großen Jean Giraud aka Moebius ziert.
Mit „Massive Tails of Doom“ legen PeroPero ein reifes und vielschichtiges Prog Metal Album vor, das durchaus mehrheitsfähig sein könnte und bei cleverer Platzierung zu einem fetten Karriereschub führen sollte. Vielleicht sind PeroPero die perfekte Symbiose aus Tab Two und Darkthone. Keine Angst vor vielen Noten, früher habt ihr Metal Heads auch Yngvie abgefeiert. Ihr Alternativ Rocker huldigtet Faith No More. Und für die Katholischen Studenten gibt es heute Fisch (Galactic Cowboys).
Album-Wertung: (8 / 10)
PeroPero: Massive Tales Of Doom
Genre: Progressive Rock, Heavy Metal,
Länge: 35 Minuten, D, 2023
Interpret: PeroPero
Label: Panta R&E
Format: CD, Vinyl, Digital
VÖ: 02.03.2023
PeroPero Hompage
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