The Music of Strangers: Musizieren für eine bessere Welt

A023_C001_09064MEigentlich sollte man von jeder Art von Musik erwarten, dass sie eine gewisse Botschaft transportiert. Das muss, etwa im Fall simpler Popmusik, nicht immer ausdifferenziert rüberkommen, aber in bisschen mehr als bloße Unterhaltung darf es schon sein. Das andere Extrem ist für Musik allerdings auch nicht immer tragbar. Der Cellist und Klassiksuperstar Yo-Yo Ma ist ein sehr umtriebiger Musiker und hat mit dem „Silk Road Ensemble“ auch ein Orchester, dass unterschiedlichste musikalische Traditionen zusammenführt. Weltmusik wenn man so will. Der renommierte Dokumentarfilmer Morgan Neville hat das Ma und das Ensemble portraitiert und einen streckenweise mitreißenden Film gemacht.

Bereits als vierjähriger begann der chinesisch stämmige Amerikaner Yo-Yo Ma Cello zu spielen. Er galt schon früh als musikalisches Wunderkind und hat eine beeindruckende Karriere gemacht. Irgendwann entschloss sich der Cellist auch Wege außerhalb der klassischen Musik zu gehen und musikalische Begegnungen zu suchen, was unter anderem 1992 zu einem Projekt mit dem Sänger Bobby McFerrin führte, der sich ebenfalls wenig um musikalische Kategorien schert.

A024_C028_0906BNAus einem Workshop heraus gründete der Cellist Yo Yo Ma 1998 das „Silk Road Ensemble“ mit Musikern, die, wie der Name schon sagt, entlang der alten Seidenstraße ausgewählt würden, um gemeinsam zu musizieren. Der Workshop war erfolgreich blieb aber zunächst eine einmalige Sache. Erst nach den Terrorereignissen vom 9. September 2001 beschloss der Cellist das Weltmusikensemble fortzuführen. Seither gab es etliche erfolgreiche Tourneen und Alben und die Verständigung durch die „Weltmusik“ scheint zu funktionieren. Inspiriert zu diesem Unterfangen wurde Ma vom Kredo des Komponisten und Dirigenten Leonard Bernstein, der Music als universelle Kommunikationsform über kulturelle Grenzen hinweg verstanden hat.

Die Aufgabe das Ensemble bei einigen Auftritten zu begleiten und auch einige wenige Musiker im Portrait vorzustellen, fällt den Dokumentarfilmer Morgan Nevillle zu, der mit „20 Feet to Stardom“ bereits zu Oscar-Ehren gekommen war. Seine tolle Doku über die Backgroundsängerin war nicht nur toll gefilmt, sondern zeigt auch einige großartige Stimmen, die sonst vor allem in der zweiten Reihe zu hören sind.

A023_C001_09064MAber zurück zu „The Music of Strangers“: Nevilles Doku zeigt kaum einmal das gesamte Ensemble, das über 40 Musiker umfasst,  sondern portraitiert neben Yo-Yo Ma, der hier seine Botschaft globaler Toleranz erläutert, vor allem solche Musiker, die das nicht nur verinnerlicht haben, sondern selbst auf die eine oder andere Weise musikalische Entwicklungshilfe leisten. So bringt die chinesische Pipa-Spielerin Wu Man eine Familie in die breite Öffentlichkeit die seit Generationen traditionelle chinesische Schattenspielmusik aufführt, eine Musikart, die heute immer seltener zu hören ist.  Der syrische Klarinettist Kinan Azmeh bringt Kindern in einen Flüchtlingslager die Flötentöne bei, der iranische Kamantche-Spieler Kayhan Kalhor leistete als Lehrer  im Iran musikalische Aufbauhilfe, zumindest bis er das Land verlassen musste und die galizische Gaia-Spielerin Christina Pato hat in ihrer Heimat ein Festival für traditionelle Musik ins Leben gerufen.

A005_C025_11069KVor allem diese Projekte zeigt Neville in großer Ausführlichkeit, nachdem die Entwicklung des Weltmusik-Ensembles chronologisch heruntergespult wurde.  Perlenschnurartig  wird das abgearbeitet und zwischendurch mit biografischem Hintergrund und Auftrittsimpressionen des Silk  Road Ensembles ergänzt. Die Musik selbst wird nicht nur Weltmusik-Fans überzeugen, sondern weiß mitzureißen und zeigt zu jedem Zeitpunkt die musikalische Virtuosität der Mitwirkenden. Allerdings ergibt sich daraus leider kein gänzlich gelungener Film. Nach zwei Dritteln geht „The Music of Strangers“ die Luft aus. Von da ab reiht sich ein zusammenfassendes Statement an das nächste; und dann kommt doch noch eine Szene.

music-of-strangers_06_mos_kinanazmehofsilkroadensembleandstudentsErst mit dem Abspann von „The Music of Strangers“ wird dann klar, warum die Musikdoku von Morgan Neville nicht durchgehend überzeugen und unterhalten kann. Denn in der Reihe der Produzenten der Doku steht auch das Silk Road Ensemble selbst. Und so etabliert sich am Ende der Eindruck eines spielfilmlangen Werbevideos, das die zwar wichtige aber auch extrem simple Botschaft der Völkerverständigung mit etwas viel Wohlfühlstimmung auch die Leinwand bringt.  Etwas enervierend  ist auch der entstehende Eindruck, vor dem „Silk Road Ensemble“ hätte noch nie jemand den „Eine-Welt“-Gedanken gehabt.

„The Music of Strangers“ hinterlässt also einen zwiespältigen Eindruck: Die fehlende Dramaturgie und der unkritische Ansatz, mit dem die engagierten Musiker hier einfach drauflosplappern und ihre Philosophie der notwendigen Weiterentwicklung von Kultur und Tradition durch Öffnung für neue Einflüsse zum Besten zu geben dürfen, ist doch arg plakativ und steht im Gegensatz zu den mitreißend und stilsicher eingefangenen tollen musikalischen Auftritten.Dennoch, die Botschaft ist durchaus wichtig.

Film-Wertung:7 out of 10 stars (7 / 10)

music-of-strangers_mos_posterThe Music of Strangers – Yo Yo Ma and the Silk Road Ensemble
OT: The Music of Strangers – Yo Yo Ma & the Silk Road Ensemble
Genre: Musikfilm, Dokumentarfilm
Länge: 95 Minuten, USA, 2015
Regie: Morgan Neville
Mitwirkende: Yo Yo Ma, Keyhan Kalhor, Cristina Pato, Wu Man
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: NFP
Kinostart: 15.09.2016

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