Sibirische Erziehung: Verbrecher unter sich

Aus dem Archiv in die #IdenDesMärz: „Sibirische Erziehung“ von 2013. Die Legende will es, dass Stalin als er sibirische Gauner wie auch andere Volksgruppen nach Transnistiren am Schwarzen Meer deportieren ließ, dort eine regelrechte Gangsterrepublik mit eigenen Ehrenkodices und eigenen Gesetzen etablierte. Dort wachsen die Freunde Kolymar und Gagarin zusammen auf, bevor sie als Männer zu erbitterten Feinden werden. Die italienische Gaunersaga „Sibirische Erziehung“ ist durchaus sehenswert ausgefallen.

Die Sibirier in dieser Gegend am Schwarzen Meer bleiben unter sich. Ihr Grand Seigneur ist Großvater Kuzya (John Malkovich) und er bringt seinem Enkel Kolymar (Arnas Fedaravicius) und dessen bestem Freund Gagarin (Vilius Tumalavicius) die Grundbegriffe von Ehre und Moral bei. So, wie sie unter den gläubigen Gaunern unumstößlich herrschen. Ihre Zeit vertreiben sich die beiden Jungen damit, sowjetische LKWs auszurauben, die durch die Gegend fahren. Eines Tages wird Gagarin geschnappt und kehrt erst als junger Mann aus dem Knast zurück.

Lehrjahre

Doch Gagarin hat sich verändert. Ebenso wie sein Freund Kolymar, der mit seinem Zeichentalent nun Tätowierer werden will und beim Meister Ink (Peter Stormare) in die „Lehre“ geht. Außerdem hat sich Kolymar mit der geistig zurückgebliebenen Xenya (Elinor Tomlinson) angefreundet, die ihn auf ihre unschuldige Weise anhimmelt. Gagarin zeigt zunehmend Verachtung für das konservative Wertesystem der Sibirier, nimmt Drogen, ist auf schnelles Geld aus und verbrüdert sich mit den Gaunern anderer Volksstämme. Die Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt.

Die italienische Produktion „Sibirische Erziehung“ ist episches Genrekino, das vor allem von den beiden Charakterdarstellern John Malkovich und Peter Stormare getragen wird, die immer wieder Glanzpunkte setzen können. Aber auch die jungen Darsteller wissen ihre Rollen auszufüllen und die Spannungen in der Freundschaft werden wirklich gut getroffen.

Der Film, der auf dem Debutroman von Nicolai Lilin basiert, entführt den Zuschauer in eine eigenartig heile Welt, in der Ganoven auch Ehre haben und das Familienoberhaupt einem die Welt erklärt. Das wirkt an sich schon beinahe märchenhaft verwunschen, hat aber eine innere Logik und eine zeichnet das Bild einer Parallelgesellschaft, die nach ganz eigenen Gesetzen funktioniert. Das hat Ähnlichkeiten mit anderen Geschichten über das organisierte Verbrechen, sei es nun die Mafia, die Yakuza oder was auch immer.

Freundschaft und Entwicklung

Doch das Epos „Sibirische Erziehung“ erzählt eine zeitlose Geschichte von Freundschaft, vom Erwachsenwerden und auch vom Verschwinden einer bekannten Welt. Die Story basiert auf den autobiografischen Erlebnissen des russischstämmigen Autors, der heute in Italien lebt und auf Italienisch publiziert. Die Parabel über den Wandel ist in eine stimmige Genrehandlung eingebunden und hat durchaus ihre Momente, ohne sich dabei nur auf die großen Stars zu verlassen.

Italienisches Genrekino von internationalem Rang, das zumindest eine Marke ist, gibt es seit seligen Italowestern und Historienschinken nicht mehr. Seit Jahren wird die italienische Filmkultur von Autorenfilm getragen und dort werden die Filmschaffenden immer älter. Insofern begründet „Sibirische Erziehung“ zwar keinen zweiten Frühling, aber im Kriminalgenre zeichnet sich seit der hochgelobten TV- Serie „Romanzo Criminale“ (2005) und dem Mafia-Drama „Gomorrha“ (2008) zumindest wieder frischer Wind ab. Es verwundert folglich auch nicht, dass sich Regisseur Gabriele Salvatores mit zwei Drehbuchautoren zusammengetan hat, die auch für „Romanzo Criminale“ aktiv waren.

Das Gaunerepos „Sibirische Erziehung“ kann durchaus internationalen Standards genügen und weiß mit einer Zeitlosen Geschichte über Freundschaft und das Erwachsenwerden im Gaunermilieu gut zu unterhalten. John Malkovich setzt da als russischer „Pate“ noch ein paar Glanzlichter drauf.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Sibirische Erziehung
OT: Educazione Sibiriana alternativ: Deadly Code aka Siberian Education
Genre: Thriller, Drama
Regie: Gabriele Salvatores
Darsteller:innen: Arnas Fedaravicus, John Malkovich, Eleanor Tomlinson,
Vorlage: gleichnamiger Roman von Nicolai Lilin
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Ascot Elite
Kinostart: nicht in Deutschland
DVD- & BD-VÖ: 03.12.2013