Das albanische Drama „Luanas Schwur“ führt das Publikum in eine Welt, die längst vergessen ist. In einer abgelegenen Bergregion herrschen archaische Regeln, die sich auch unter dem kommunistischen Regime gehalten haben. Eine junge Frau wehrt sich gegen die arrangierte Heirat und schlägt einen eigensinnigen Weg ein. „Luanas Schwur“ wurde auch mit deutscher Beteiligung produziert und kommt am 9. Februar 2023 in die Kinos.
Nach dem zweiten Weltkrieg wird die Balkanrepublik Albanien ein sozialistisches Land. Der Parteifuntionär Enver Hoxha (auf Deutsch ist auch die Schreibweise Hodscha geläufig) wird Staatsoberhaupt. In den abgelegenen Bergregionen kommt die neue Zeit erst langsam an. Hier herrscht noch das archaische Recht des Kanun, eines gesellschaftlichen Regelwerkes das im 15. Jahrhundert aufgestellt wurde und sogar die Blutrache regelt. Die kommunistische Politik ist religionsfeindlich und auf den Fortschritt bedacht. Im Jahr 1968 wird die Religion von Staats wegen verboten.
Im Jahr 1958 freundet sich das Mädchen Luana mit einem zugezogenen Jungen an. Agim ist der Sohn eines aufs Land verbannten Kommunisten und einer Ärztin. Der Junge kann lesen und bringt es Luana bei. Die Freundschaft der beiden findet heimlich statt, auch weil Luana seit früher Kindheit dem Sohn der Fiku Familie versprochen ist. Luanas Vater verbietet seiner Tochter irgendwann, Akim wiederzusehen.
Religionsverbot
Als es 1968 zu den Hochzeitsvorbereitungen kommt, stellt der unbekannte Bräutigam, Flamur Fiku, die Jungfräulichkeit seiner Braut in Frage. Er wird übergriffig und erschießt Luanas Vater, als dieser ihn zur Rede stellt. Der Vorfall wird daraufhin untersucht und die Ältesten glauben den Aussagen der jungen Frau nicht. Das Eheversprechen ist nach wie vor gültig. Doch Luana weigert sich den Mörder ihres Vaters zu ehelichen.
In den zwei Stunden Spielzeit von „Luanas Schwur“ erschaffen Regisseur Bujar Alimani und Drehbuchautorin Katja Kittendorf ein lebendiges Sittengemälde einer Dorfgemeinschaft im Wandel der Gesellschaft, das sich über Jahrzehnte zieht und viele Themen und Aspekte anreißt, ohne von der Hauptgeschichte der „albanischen Jungfrau“ abzugleiten.
Tatsächlich scheinen viele Aspekte dieser Dorfgemeinschaft übertragbar und die sich wandelnden Machtverhältnisse ziehen auch immer gesellschaftlichen Wandel nach sich. Die Konflikte, die prinzipieller Natur sind, brechen sich im Dorf herunter auf ein persönliches Niveau. Hier anschaulich mit dem Verbot der Religion dargestellt. Der Dorfpfarrer ist ein angesehener Mann, der auch die Regel des Kanuns interpretiert und dem Leben der Menschen Struktur gibt. Auch nachdem seine Kirche zerstört und seine Stellung entehrt wurde.
Traditionsgebot
Doch in dieser traditionsbewussten Welt haben Frauen nichts zu sagen. Bis heute haben sie in einigen abgelegen albanischen Regionen kein Stimmrecht. Dass das Dorfmädchen Luana überhaupt lesen lernt, ist einem Zufall geschuldet und den modernen sozialistischen Neuankömmlingen im Dorf.
Es gibt also durchaus moderne Rollenbilder, denen frau nacheifern könnte, doch es gibt auch die tröstende Gemeinschaft und die althergebrachten Traditionen, die auch die Wünsche und das Handeln der Menschen prägen. Luana gerät in eine ausweglose Zwangslage, aus der ihr ausgerechnet der Kanun eine Lösung bietet, doch der Preis dafür ist hoch und sorgt für einige Verwerfungen in der Dorfgemeinschaft.
Das alles ist mit ruhiger Hand inszeniert. Mit Blick auf die Charaktere und die Naturschönheiten der Gebirgsregion Albaniens. Die Nordalbanischen Alpen sind von wald- und vegetationsreicher Schönheit und haben ihre eigenen Schauwerte. Bisweilen wirkt das Leinwandgeschehen wie ein Pendant zu einem Western, quasi einem modernen „Eastern“. Damit und mit der Frauenperspektive ist „Luanas Schwur“ dem kurdischen „My Sweet Pepperland“ (2013) nicht ganz unähnlich. Dennoch ist Alimanis Drama ein ganz eigener Film, der dem Publikum eine Welt näherbringt, die es so sehr selten zu Gesicht bekommt.
Es dauert eine Weile sich in diese fremde Welt am anderen Ende Europas hineinzufinden. Das ist auch den anfänglichen Zeitsprüngen geschuldet. Doch das ruhige, etwas sperrige Drama entwickelt eine eigene Faszination und eine überraschende Dramatik. Dafür lohnt sich der Gang ins Kino und Rina Krasniqi wurde in Albanien zurecht doppelt für ihre Leistung ausgezeichnet.
Film-Wertung: (7 / 10)
Luanas Schwur
OT: The Albanian Virgin
Genre: Drama
Länge: 121 Minuten, D/B/AL/KOS, 2021
Regie: Bujar Alimani
Darsteller:innen: Rina Krasniqi, Shkurte Syljemani, Alban Ukaj
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: 24 Bilder, Splendid Film,
Kinostart: 09.02.2023