Was tun, wenn man vom Tod einer Frau erfährt, an die man sich gar nicht erinnert? Einfach mal zur Beerdigung fahren? In der amerikanischen Tragikomödie „Rache auf Texanisch“ sieht der New Yorker Journalist Ben Manalowitz in dem Todesfall vor allem eine Karrierechance und macht sich auf nach Texas. Ab 19. Januar 2023 im Kino.
Ben Manalowitz (B.J. Novak) ist ein neurotischer Großstädter, der von Bindungsängsten geplagt wird und ständig Angst hat, etwas zu verpassen. Der Journalist hofft immer noch mit einer Podcast-Serie groß herauszukommen. Wobei es nicht nur ihm scheint, als hätte jeder in New York gerade einen Podcast. Als Ben auf einer Party die erfolgreiche Produzentin Eloise (Issa Rae) anspricht, um eine Serie zu pitchen, erklärt die ihm erst einmal, dass er eine Story brauchen würde, um sein intellektuelles Thema zu transportieren.
Einige Nächte Später wird Ben vom Telefon geweckt. Ein unbekannter Anrufer beklagt den Tod seiner Schwester, von der er denkt, sie wäre Bens Freundin und große Liebe. Ben weiß von nichts, hat Mühe sein aktuelles Date ruhig zu halten und wird zu einer Trauerfeier überredet. Die allerdings findet im Texas statt. So weit weg von jeder Großstadt wie es sich nur denken lässt.
Der Journalist lernt die Familie Shaw kennen, deren Tochter Abilene bei einer Party im nirgendwo an einer Überdosis verstorben ist. Abilenes Bruder Ty (Boyd Holbrooke) schwört, dass Abi nie Drogen genommen habe und sie von einem Drogendealer ermordet wurde. Der habe sie bereits zu Schulzeiten gestalkt. Jetzt wird Rache genommen. Selbstverständlich muss Ben mit von der Partie sein.
„Mein Prius ist explodiert!“ (Ben)
Anstatt das Missverständnis aufzuklären, dass Abi nicht seine große Liebe war, telefoniert Ben mit der Produzentin. Er schlägt ihr ein Porträt der Toten und ihrer texanischen Familie und eine Doku des Rachefeldzugs vor, den Ben als typische Verschwörungstheorie einordnet. Tatsächlich willigt Eloise ein und Ben untersucht den Tod eines unschuldigen Mädchens. Worauf er sich da nur eingelassen hat?
„Rache auf Texanisch“ spielt mit der Erwartungshaltung des Publikums und ist eben kein Thriller und auch kein Drama, sondern eine Kombination aus Mediensatire und komödiantischer Gesellschaftskritik. Doch der Regieerstling von Schauspieler B.J. Novak „The Office (US)“, „Saving Mr.Banks“) macht es dem Publikum nicht leicht in den Film hineinzukommen.
Die Partyszene zu Beginn des Films haut so ziemlich jedes Klischee über neurotische, urbane Medienleute raus, das zu finden ist. Der Kampf der Kulturen im ländlichen Texas ist klassisches Gag-Terrain und wirkt zunächst arg abgegriffen. Doch überraschender Weise gelingt es dem Rachefeldzug unerwartete Wendungen und Charaktere aus dem Hut zu zaubern.
Schnell sind die Texas-Klischees durchgenudelt und der pseudo-philosophische Musikproduzent in der Wüste (Ashton Kutcher) kann seine guru-hafte Weltsicht mitteilen. Ty und Ben gehen irgendwann die Verdächtigen aus. Doch für den New Yorker geht es längst nicht mehr darum, Rache zu nehmen, sondern das vermeintliche Verbrechen aufzuklären.
„Alles bedeutet so viel, daher bedeutet nichts irgendetwas.“ (Ben)
Tatsächlich nimmt die „Mordtheorie“ auch die Neigung zur Verschwörungstheorie auf, die unter der Regentschaft von Donald Trump ein ganzes Land kirre gemacht hat. Das ist nicht gerade subtil, aber für Ben beschreibt es die Geistesverfassung einer gewissen ländlichen Bevölkerungsschicht. Bis er ebenfalls bemerkt, das die Indizien in diesem Sinne deutbar wären. Warum sonst fühlt sich keine der Behörden für die Untersuchung des Todesfalls zuständig?
Mag sein, das „Rache auf Texanisch“ etwas zu neurotisch und vor allem zu narzistisch wirkt, aber letztlich ist genau dieser übersteigerte Selbstverliebtheit das Thema des Films. Immer wieder nimmt das Drehbuch von B.J. Novak auch naheliegende Wendungen, so dass sich Originalität und Absehbarkeit lange die Waage halten. Am Ende hat es „Rache auf Texanisch“ tatsächlich vollbracht, keinen einzigen Song der kleinen, alten Band aus Texas, ZZ Top, anzustimmen.
Wer sich von dem Titel nicht irreführen lässt und sich von einem Gang ins Kino auch gerne überraschen lässt, wer damit leben kann, wenn die Charaktere nicht allzu sympathisch sind und wer gerne einen weiteren Blick auf die USA wirkt, der könnte in „Rache auf Texanisch“ gut unterhalten werden.
Film-Wertung: (7 / 10)
Rache auf Texanisch
OT: Vengeance
Genre: Komödie, Drama, Thriller
Länge: 107 Minuten, USA, 2022
Regie: B.J. Novak
Darsteller:innen: B.J. Novak, Issa Rae, Ashton Kutcher, Boyd Holbrooke
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Universal Pictures International
Kinostart: 19.01.2023