Prizefighter – Die Geburt des Boxens: Augen auf bei der Berufswahl

Da ist der Name doch mal Programm: In dem britischen Bio-Pic „Prizefighter“ geht es um die Geburtsstunde des Boxsportes. Jem Belcher, dessen Leben und Karriere in dem Drama erzählt wird, ist nach wie vor einer der jüngsten Weltmeister aller Zeiten. Aber dazu später mehr. Die Home-Entertainment-Premiere hat mit Russel Crowe und Ray Winston immerhin zwei Schwergewichte zu bieten.

Jack Slack (Russel Crowe) ist ein Trunkenbold, der immer für einen soliden Faustkampf zu haben ist. Immerhin hat der Kämpfer in seinen besseren Tagen, den einen oder anderen Champion zu Boden geschickt. Doch die Zeiten sind längst vorbei. In seiner Heimatstadt Bristol kloppt sich Jack vor allem, um den nächsten Gin zu bezahlen. Doch der Alte hat für seine Enkel immer eine Lebensweisheit parat.

Auch wenn Jacks Schwiegertochter davon nichts hören will. Seit sie verwitwet ist, bringt sie die Familie nur eben gerade durch. Gewalt ist ihr ein Greuel und ihre beiden Söhne James, genannt Jem, und Tom erzieht sie dazu, sich nicht zu schlagen. Doch als die Jungen älter werden, wird es immer schwerer ein Auskommen zu haben. Jem (Matt Hookings) versucht sich in unterschiedlichen Handwerken, doch der Lohn ist immer knapp. Während seiner Zeit als Schmiedegehilfe, gerät er auf dem Heimweg zufällig im Wald an einen Preisboxer.

Die Aussicht schnelles Geld zu verdienen, lässt Jem sein Glück versuchen. Unter den Zuschauern ist der ehemalige Faustkämpfer Bill Warr (Ray Winstone), der immer auf der Suche nach Talenten ist. Bill erkennt Jems Talent, kannte seinen Großvater und versucht dem jungen Mann Disziplin und Technik beizubringen. Immerhin werden in London Box-Meisterschaften ausgetragen. Der Gewinner kann sich sogar Weltmeister nennen. Gegen den Willen seiner Mutter versucht Jem Belcher sein Glück als Faustkämpfer.

Kämpfen als Selbstschutz

Keine Frage, für Box- und Kampfsportfans sind die Anfänge der Sportart immer interessant. Jener Übergang von Hafenschlägerei zu sportlichem Wettkampf mit Regeln, selbst wenn sich kaum einer daran hält. Die Wende zum 19. Jahrhundert, markiert in England und damit weltweit die „Professionalisierung“ des Boxsportes. Bislang hatte es nur auf dem Rummelplatz die Herausforderung gegeben, Preisgeld zu gewinnen, indem man einige Runden gegen den jeweiligen Champion der Truppe aushält.

Doch die feine, städtische Gesellschaft findet zunehmend Gefallen an den Faustkämpfen, die seiner Zeit noch überwiegend ohne Handschuhe, also bare knuckle, mit nackten Fäusten, ausgetragen werden. Jem Belcher ist einer der ersten, die vom Preisgeld leben können, weil der Kampf ein gesellschaftliches Ereignis darstellt. Und Jems Zutritt zur Londoner High Society.

Allerdings ist dieser Aufstieg ein zweischneidiges Schwert. Wie im alten Rom, werden Gladiatoren zwar geachtet, sind aber vor allem Staffage, mit der sich die Edelleute gerne präsentieren. So auch die Damen, die von der animalischen Kraft angezogen werden. Doch Jem kann mit dem Lebensstil nicht umgehen. Die Abwärtsspirale beginnt sich zu drehen und nach einem tragischen Unfall in einer anderen Sportart, ist auch Jems Boxkarriere in Gefahr.

„Prizefighter“ erzählt im Wesentlichen die biografische Geschichte des Jem Belcher, geht dabei chronologisch vor und legt vor allem Wert auf authentische Kampf- und Trainingssituationen. Das ist nichts, was man bei „Rocky“ und Konsorten nicht schon packender, weil besser dramatisiert gesehen hätte.

Boxen als sozialer Aufstieg

Matt Hookings, der die Hauptrolle übernimmt, hat den Film auch produziert und das Drehbuch verfasst. Es scheint ihm eine Herzensangelegenheit zu sein. Eventuell war die Mehrfachbelastung zuviel des Guten. „Prizefighter“ ist so altbacken, absehbar und klassisch ausgefallen, dass es einem schwer fällt die knapp zweistündige Sportgeschichtsstunde zu empfehlen.

Es hätte dem Film schon gut getan, deutlich mehr Arbeit in ein packenderes Drehbuch zu stecken. Auch weiß Russel Crowe nur ansatzweise zu überzeugen. Er tut, was er in den letzten Jahren öfter tut, und füllt vor allem die Leinwand aus. Inspiriert wirkt das nicht. Auch Ray Winstone hat es schwer, aus der arg stereotypen Rolle des Trainers etwas herauszuholen.

So bleibt es an Matt Hookings, den Film zu schultern. Das gelingt ihn leider nur bedingt. Sein Boxer ist durchaus sehenswert, die Physis weiß zu überzeugen. Anders die emotionale Seite des Kämpfers, die kaum einmal zur Entfaltung kommt.

Verwirrend in „Prizefighter – Die Geburt des Boxens“ ist allerdings auch und vor allem der Look des Films. Beinahe durchgehend, vor allem aber bei Landschaftsaufnahmen liegen Filter und Weichzeichner über der Szenerie, die an David Hamiltons pseudoerotische Eskapaden in den Siebzigern erinnern. Oder an jene Szenen in „Herr der Ringe“ als sich die Gefährten verabschieden.

Es mag Gründe geben, sich für diese Optik zu entscheiden. Eventuell waren Szenerien, die zeitgenössischer Wirkten nicht im Budget, oder die Nachbearbeitung moderner Landschaften war nicht möglich. Vielleicht ließ sich nur auf diese Weise eine für die Verantwortlichen gelungene Optik herstellen.

Auch der Ruhrpott-Regisseur Adolph Winkelmann hat anlässlich seines letzten Films „Junges Licht“ beklagt, dass er keine brauchbaren Drehorte mehr finden würde. Beinahe jede Kulisse müsse nachbearbeitet werden, um die Narben der Moderne zu entfernen. Vielleicht will „Prizefighter“ aber auch nur ein eine märchenhafte Welt des Boxsports entführen.

Das britische Sport-Drama „Prizefighter – Die Geburt des Boxens“ erzählt von den Anfängen des Boxsportes und von einem der ersten Champions. In Sachen Spannung und Dramaturgie bleibt der Film einiges schuldig. Genrefans und Box-Enthusiasten mögen dennoch auf ihre Kosten kommen.

Film-Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

Prizefighter – Die Geburt des Boxens
OT: Prizefighter – The Life of Jem Belcher
Genre: Drama, Biografie, Historie
Länge: 107 Minuten
Regie: Daniel Graham
Darsteller: Matt Hookings, Russel Crowe, Ray Winston
FSK: ab 16 Jahren
Vertieb: Leonine, Square One
Kinostart: Nicht in Deutschland
EST: 22.12.2022
DVD- & BD-VÖ: 30.12.2022