Sibirisch für Anfänger: Ländliche Trinkspiele

„Wie das Land so das Getränk“ titelt die Werbung einer norddeutschen Brauerei. Übertragen auf den Jakutischen Episodenfilm „Sibirisch für Anfänger“ bedeutet das, für die Fisimatenten der sibirischen Landbewohner ist viel Fusel verantwortlich. Das erinnert bisweilen finnische Trinkermelancholie. Cineglobal bringt den Episodenfilm „Sibirisch für Anfänger“ am 15.Dezember 2022 in die Kinos.

Das Publikum mag kaum glauben, dass sich die beiden Jungen über einen Fahrradstunt unterhalten, den der eine auf TicToc gesehen hat. Hier in der Siedlung in der sibirischen Steppe wirkt es nicht so, als gäbe es W-Lan und stabiles Streaming. Dass die beiden dann am väterlichen Waffenschrank landen, statt die rostigen Räder zu Tunen, setzt den Ton für diese sibirische Episodenschau mit viel schwarzem Humor.

Insgesamt bekommt das Publikum sieben launige Episoden serviert. Das Regie- und Drehbuchduo Stepan Burnashev und Dmitry Davydov hat schon einige Filmprojekte auf dem Buckel und entführen die Zuschauer in eine cineastisch weitgehend unerforschte Gegend – Sibirien.

In der Tundra wächst der Gleichmut

An dieser Stelle kurz ein paar Bemerkungen zur transkribierten Schreibweise kyrillischer Namen, da gehen Laute oft nicht ganz einheitlich in unsere Sprache über. So etwa bei Yakutien (wie der Verleih schreibt) oder Jakutien (wie wikipedia schreibt), offiziell scheint ohnehin Sacha die bevorzugte Benamung dieser asiatischen Republik der Russischen Föderation zu sein. Gemeinhin ist Sacha gemeint, wenn jemand von „Sibirien“ redet. So auch hier.

Zurück zu Sibirisch für Anfänger“. Nach der Episode mit dem juvenilen Waffenverleih, geht es an eine Nachbarschaftsstreitigkeit, bei der der Standort des neuen Plumpsklos zur Belästigung wird. Anschließend sucht ein verunfallter Mann nach einer durchzechten Nacht sein Erspartes und verdächtigt den Saufkumpanen des Diebstahls.

Weiter geht es mit einem Heimkehrer, der gerade aus dem Gefängnis entlassen, die eigene Familie mit den Gewehr bedroht. Ein Lehrt und Jugendfreund versucht die Situation zu schlichten. Die Bürgermeisterwahl in der nächsten Episode führt zur eheinternen politischen Spaltung. Der Anschließende Autounfall, bei dem ein verdienter aber versoffener Mann jemanden überfährt, soll als harmloser unverschuldeter Unfall hingestellt werden. Wenn sich die Zeugen einige werden. Zum Finale geht es dann noch auf die Jagd. Leider glauben zwei Jäger jeweils sie hätten den Vogel abgeschossen und geraten über der Jagdstrecke in eine Rauferei.

Die Weite des Himmels vergibt dir

Die eingangs erwähnte Ähnlichkeit zur finnischen Trinkermelancholie soll verdeutlichen, dass hier bei den oft wortkargen Typen und den kargen Landschaften eine trostlose Gelassenheit vorherrscht wie sie auch Aki Kaurismäki mit lakonischen humor zelebriert hat. Auch gibt es wegen der Episodenhaftigkeit und des schwarzen Humors eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Argentinischen Arthaus-Überraschungshit „Wild Tales“, der vor einigen Jahrne Publikum und Kritiker begeistern konnte.

Wohlgemerkt spielen die Filmhandlungen im ländlichen Sibirien. Das hat an sich schon wenig Schauwerte. Die einheimischen Schauspieler geben sich sehr natürlich und auch die Kameraeinstellungen wirken auf den ersten Blick eher schlicht, um nicht von der Handlung abzulenken. Die entwickelt sich mit ländlicher Gemächlichkeit, die irgendwo zwischen „Neues aus Bütttenwarder“ und den bayrischen Dorfgeschichten eines Oscar Maria Graf angesiedelt ist.

Doch Zuschauer:innen sollten nicht den Fehler machen „Sibirisch für Anfänger“ als Schaubühgne für Dorftrottel zu verkennen. Die Form hat Methode. Die bildliche Auslassung einger Pointen verstärkt ihre dramaturgische Wirkung. Und der betrunkene Zug der vier Zechkumpane durch das nächtliche Dorf ist ungeschnitten. Eine Plansequenz par Excellence, in die sich durchaus eine Karikatur russischer Filmtradition und des Militarismus hineinlesen ließe. Aber das führt in meinem Wodkabenebelten Kopf nun doch zu weit.

„Sibirisch für Anfänger“ ist eine episodenhafte schwarzhumorige Komödie aus dem fernen Jakutien. Das hat ohnehin schon Exotenbonus verdient, punktet aber auch mit einigen sehr gelungenen Episoden. Eventuell sollte das Publikum diese „ländliche Reportage“ nicht allzu ernst nehmen. Wer Pointen und Geschichten mit einer gewissen Gemächlichkeit zu würdigen weiß, wird hier bestens unterhalten.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Sibirisch für Anfänger
OT: YT
Länge: 103 Min. Yakutien, 2021
Genre: Drama, Episodenfilm,
Regie: Stepan Burnashev, Dmitry Davydov
Darsteller: Innokentiy Lukovtsev, Sergei Balanov, Irina Mikhaylova
FSK:N.N.
Vertrieb: cineglobal
Kinostart: 15.12.2022

„Sibirisch für Anfänger“ bei cineglobal