Gefühlt Mitte Zwanzig: Jugendwahn & Midlife-Crisis

Jüngst ist mit „Weißes Rauschen“ der neue Film von Filmmacher Noah Baumbach in den Kinos angelaufen. Gelegenheit noch eine Rezension von „Gefühlt Mitte Zwanzig“ nachzulegen, den Baumbach 2015 veröffentlichte, ebenfalls mit Adam Driver neben Naomi Watts Amanda Seyfried und Ben Stiller. In der tragikomischen Beziehungskomödie geht es vor allem um das Älterwerden.

Mit „Gefühlt Mitte Zwanzig“ blickt Baumbach auf das Lebensgefühl der Mittvierziger. Die Situation ist bisweilen vertrackt: Irgendwie sind Cornelia (Naomi Watts) und Josh (Ben Stiller) schon etabliert, aber auch in einer Lebensphase, in der einem nicht mehr alle Möglichkeiten offenstehen.

Bei Dokumentarfilmer Josh läuft es beruflich nicht gerade gut. Seit fast zehn Jahren bastelt er an einer politischen Doku herum und kommt einfach nicht auf den Punkt. Cornelia, selbst Cutterin, bietet wiederholt ihre Hilfe ebenso an.  So auch Schwiegervater Leslie (Charles Grodin), gleichfalls Dokumentarfilmer. Leslie soll demnächst für sein filmisches Lebenswerk ausgezeichnet werden. Doch Josh will es alleine schaffen. Als Dozent fühlt er sich folglich geschmeichelt, als nach einer Vorlesung die Studenten Jamie (Adam Driver) und Darby (Amanda Seyfried) seine Arbeit würdigen.

Jamie hat selbst filmische Ambitionen und Josh nimmt die Rolle des Mentors ungefragt an. Der Kontakt mit den beiden Hipstern scheint ihn zu verjüngen und lebendiger zu machen.  Statt also den alten Freunden Marina und Fletcher, die endlich Nachwuchs bekommen haben, beim Windeln wechseln zuzusehen, geht es wieder auf die Piste. Cornelia und Josh besuchen Straßenpartys und esoterische Events und bieten Jamie sogar ihre Hilfe bei seinem Filmprojekt an. Josh hat das Gefühl, endlich von der Stelle zu kommen.

Lebensplanung keinesfalls abgeschlossen

Noah Baumbach beschäftigt sich eigentlich in jedem seiner Filme mit Beziehungen und Familienleben. Mit Abstrichen gilt das auch für die Indie-Erfolge „Greenberg“ und „Frances Ha“. In „Gefühlt Mitte Zwanzig“ versteht das Publikum schnell, dass Cornelia (Naomi Watts) und Josh (Ben Stiller) eine gewisse rastlose Unruhe angesichts der Familienplanung befällt. Ihre besten Freunde Marina und Josh bekommen Nachwuchs und plötzlich dreht sich alles nur noch um das Kind. Bei Josh und Cornelia hat es irgendwie nicht geklappt, die beiden haben sich mit ihrem Freiraum für ein anderes Beziehungskonzept entschieden. Doch auch das hat seine Phasen.

Im Filmverlauf kommt es immer wieder ausführlich zur Sprache: In „Gefühlt Mitte Zwanzig“ geht es um Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Authentizität. Das Thema Dokumentarfilm steht auch sinnbildlich für die Lebenssituation. Mit drei Generationen von Dokumentarfilmern wird das schon etwas überstrapaziert. Denn während Josh in seinem Film auf der Suche ist, scheint Newcomer Jamie einfach alles zuzufliegen und Leslie steht sowieso über den Dingen.

Vielleicht ist diese cineastische Reflektionsebene die Schwächste in Noah Baumbachs Film. Als Filmfan lässt es sich indes trefflich an den Thesen und unterschiedlichen filmischen Zugängen theoretisieren. Ein Kollege nannte „Gefühlt Mitte Zwanzig“ nicht umsonst einen geschwätzigen Film. Dennoch kommt die Komödie sehr sympathisch daher.

Hinsichtlich der Milieuschilderung und des Selbstverständnisses der beiden Altersklassen aber überzeugt „Gefühlt Mitte Zwanzig“ aber voll und ganz. Das hängt auch mit dem großartigen Ensemble zusammen. Ben Stiller scheint in Baumbachs Filmen eine stimmige Abwechslung vom Klamauk zu genießen. Adam Driver zeigt hier auf lässige (und ein bisschen schleimige) Art, warum er seinerzeit so angesagt und heiß gehandelt war. Und „Gefühlt Mitte Zwanzig“ ist natürlich für Noah Baumbach auch wieder eine New York Film.

Erzählrhythmus und der Takt im Leben

Interessant ist der Erzählrhythmus des Films: durch die Grenzgänger Cornelia und Josh interferieren die Alltagswelten der Mittzwanziger und Mittvierziger und kontrastieren einander auch. Vor allem Josh, der sich (mal wieder) in einer Phase der Selbstreflexion befindet, was zu Cornelias Leidwesen immer wieder mit seinem Vorschlag endet, doch ein Kind zu bekommen, weil er darin eine gewisse Sinnfindung und ein endgültiges Erwachsenwerden erhofft, beklagt die mangelnde Spontaneität und Erlebnisarmut seines urbanen Lebens.

Verständlich, dass da die Rückbesinnung der Jugend auf „Alte Werte“ Erstaunen auslöst. Die sorglose Selbermachen-Mentalität ist ansteckend. Auf große Euphorie folgt allerdings häufig Ernüchterung. So auch in „Gefühlt Mitte Zwanzig“ als Josh immer stärker erkennt, wieviel an Jamies Lebensentwurf schlichtweg Attitüde und Willen zum Stil und zum Erfolg ist.

Mit Josh und Cornelia portraitiert Mittvierziger Baumbach seine Generation und deren Problemen mit dem Altwerden. Das scheint heute bei gesellschaftlichem Jugendwahn andre Herausforderungen zu bieten als zu anderen Zeiten. Vor allem die sympathische Besetzung macht die kluge, urbane Komödie zu einem Gewinn. Mit Naomi Watts und Ben Stiller ist „Gefühlt Mitte Zwanzig“ sehenswert besetzt.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Gefühlt Mitte Zwanzig
OT: While We’re Young
Genre: Drama, Komödie
Länge: 97 Minuten, USA, 2014
Regie:Noah Baumbach
Darsteller:innen: Amanda seyfried, Naomi Watts, Ben Stiller, Adam Driver
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Leonine
Kinostart: 30.06.2015
DVD- & BD-VÖ: 04.12.2015