Ein achtarmiges Monster beschwören die Linzer Heavy Rocker von Tentacula auf ihrem zweiten Album „Estrella Destruida“. Die Scheibe hat schon ein paar Monde hinter sich, ihre Halbwertszeit aber lange noch nicht erreicht. Grund genug ein weiteres Beschwörungsritual anzuzetteln, bei dem heftig gerockt und schwer gelockt wird.
Der Bandname schwurbelt das Kopfkino an, irgendwie bleibt die Erinnerung bei Bela Lugosi hängen, der sich in der „Ed Wood“-Verfilmung mit Gummiarmen selbst einen Kraken spielen muss. So schnell landet der Hörer bei dem trashigen Schauerfilmen von Jack Arnold. Erinnert jemand noch „Tarantula“? Von da aus ist es nicht mehr weit bis zum Titty Twister in „From dusk till Dawn“, wo eine Band namens „Tito and Tarantula“ der Schlangenvampirin Selma Hayek die Tanzmusik darbieten. Wenngleich die Tarantulas üblicherweise heftiger Rocken als in der Leinwandsequenz.
Tentacula aus Linz trifft das alles noch nicht ganz, aber das Ohr und der Geist nähern sich einer Sphäre von harter Rockmusik, die auch mit Horror-Elementen verbunden ist, eher Lovecraft als Misfits. Keineswegs Gothic, wohl aber folkloristisch psychedlisch, wenn es sich denn aus dem heavy Rhythmus-Teppich heraushören lässt.
Was sich im Hirn festsaugt ist zunächst der erste Eindruck der Hohepriesterin bei Tentacula. Sängerin Penny Slick Perry prägt den Sound der Band einfach maßgeblich. Dabei beginnt das Album mit einer Gitarrenmelodie, bevor die Groove-Abteilung einsetzt und erst langsam, nachdem sich „Shadows“ eingegroovt hat, setzt der Gesang ein. Der treibende Bass scheucht den Song ins Finale.
Komm in meine Garage
Anschließend legt „Garaje“ eine gewisse Stop-and-go-Mentalität an den Tag, die durchaus als Garagenrock durchgehen könnte. Die Klampfen sägen sich ins Ohr und die Sirene lockt die Hörerschaft tief in die Ecken der Autounterkunft. Der Titelsong „Estrella Destruida“, was soviel heißt wie zerstörter Stern, hat nur bedingt etwas mit Grateful Deads hinreißendem „Dark Star“ zu tun. Der Vibe, den die Deads seinerzeit in ausufernden Live-Jams im Song zelebrierten, ist ähnlich. Also haben Tentacula auch eine psychedelische Komponente in ihrem Music.
Wer sich das Artwork des Albums angeschaut hat, ahnte dies ohnehin. Denn dieses Wesen, dieser humanoide Kopffüßler mag galaktischen und submarinen Ursprungs sein, alltäglich ist er nicht. „Trip Pattern“ nimmt die Schwere und auch das Tempo aus dem Album und vor allem eine gelungene Powerballade.
„Birds Whispering“ würde beim Vinyl dann die B-Seite einläuten und Sängerin Penn Slick Perry schreit lauthals nach einer neuen Inspiration. Nicht gerade mein Favorit, aber durchaus mit neuen Soundelementen. Mache ich da Doom Metal aus? Passen würde es und es steht der Band auch gut zu Gesicht. Langsam und heavy muss man als Musiker:in als Band erst einmal überzeugend hinbekommen. Da kannste schon mal die Matte kreisen lassen, sofern Haupthaar vorhanden.
Das Leben ist kein Ponyhof
„No Place for Ponies“ mag der Versuch sein, den Spruch „Das Leben ist kein Ponyhof“ zu vertonen, aber die Angelegenheit ist ernst und getragen. Die Nummer hat starke Gitarrenläufe zu bieten. Überhaupt steht es der Tentacula gut, wenn das Tempo gedrosselt wird. So fügt sich auch das anschließende „Warning Signs“ in die „neue Inspiration“ ein. Wieder getragen, psychedelisch, stark. Zum Abschluss täuschen Tentacula ein fettes, schnelles Riff an, machen dann aber langsam und schleppend weiter bis es doomig schwer wird. Ein schöner schwerer Abschluss für ein gelungenes Album.
Wie eingangs angedeutet ist „Estrella Destruida“ bereits im April 2022 erschienen. Die Band beziehungsweise das Label legt das Album in diversen Formaten und Vinyl-Farben auf und das Kontingent ist limitiert. Die Deluxe-Versionen haben auch noch einen Comic dabei, in dem quasi die Herkunftsgeschichte des oder der „Tentacula“ erzählt wird. Das mit dem Comic haben die Österreicher eventuell bei den australischen Kollegen von The Neptune Power Federation übernommen. Aktuell hat die Band auch ein neues Buch mit Artworks am Start; ist auf Bandcamp erhältlich.
„Tentacula“ haben durchaus ihren eigenen Sound gefunden, dennoch liegen gerade Vergleiche mit „Female Fronted Rock Acts“ nahe, so dusselig sich das anhört. „Neptune Power Federation“ sind etwas rockiger, „Blues Pills“ sind eher retro als Tentacula, ein bisschen Wüstenblues kommt da immer durch und diesen spanisch-mexikanische Verbindung lässt sich schwer leugnen. So derbe Underground wie die Berlinerin „Maggot Heart“ sind die Linzer nun auch wieder nicht und eventuell finden sich soundmäßig einige Gemeinsamkeiten mit den Schwedinnen von MaidaVale. Aber das mag jede:r selbst hören.
Mit „Estrella Destruida“ legen die Linzer Psychelic Rocker „Tentacula“ ein beachtliches Album vor, das eigeständig und mit Horror-Affinem Konzept Ansprüche geltend macht. Die Konserve überzeugt vor allem bei den Getragenen Songs, die mal doomig Heavy mal power-Balladesk rüberkommen und der charismatischen Sängerin den nötigen (Klang)-Raum gewähren.
Album-Wertung: (7 / 10)
Tentacula: Estrella Destruida
Genre: Hard Rock, Psychedelic, Doom,
Länge: 41 Minuten (8 Songs), A, 2022
Interpret: Tentacula
Label: Stone Free Records, Österreich
Album-VÖ: April 2022
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