Ansichten am Donnerstag #57: Spider-Man Comicgeschichte

Nun (2012) ist „The Amazing Spider-Man“ auch in seiner amerikanischen Heimat in den Kinos zu sehen und wird am Wochenende für volle Kinosäle sorgen. Doch die Kritik an dem Sommer-Blockbuster reißt nicht ab, während einige „nur“ Geldmacherei vermuten, kommen vermeintliche Puristen unter den Fans mit den Neuerungen nicht klar. Eine kleine Comicgeschichte; und Vorsicht, Spoiler.

Einwände gegen das Reboot (mit Andrew Garfield) sind absolut in Ordnung, nur, liebe Leute, bleibt mal auf dem Teppich: Das ist nicht die erste und nicht die letzte Spider-Man Neuerfindung. Warum glaubt ihr werden Filme mit einem Budget von Hunderten von Millionen produziert? Damit die Kunst sich ausdrücken kann?

Sicher, die Situation der Produktionsfirma Sony scheint gelinde etwas zwiespältig: Das bisherige Franchise unter Sam Raimi ging – aus was weiß ich für Gründen – nicht weiter und gleichzeitig hat Marvel, seit Disney den Laden übernahm, ernsthafte Bestrebungen seine Lizenzen zurückzukaufen. Offenbar gibt es das so Vertragsklauseln, die den Lizenznehmer quasi verpflichten, in gewisser Frist einen Film zu produzieren. Munkelt man so im Business.

Wie auch immer, das Reboot mag man für die „billigste“ Methode halten, einen neuen Spider-Man Film zu drehen, der höchst wahrscheinlich der Auftakt einer neuen Reihe ist. Andererseits ist es der konsequenteste Weg, eine neue Inkarnation auch noch einmal von Beginn an zu erzählen. Und die Comicvorlage bietet dazu, bis auf den Spinnenbiss, genügend unverbrauchte Ansatzpunkte, die in Sam Raimis Variante unberücksichtigt blieben.

Doch hier setzt das Fan-Gepöbel ein: gegen die Storyschwerpunkte, gegen die neue (alte) Frau in der Geschichte, gegen Regisseur und Schauspieler und überhaupt. Meine liebste Kritik zu „The Amazing Spider-Man“ lautete sinngemäß wie folgt: Also ich bin schon lange Spider-Man Fan, und kenne die Geschichte ja schon. Die neuen Schauspieler mag ich nicht und die Filme von Sam Raimi waren echt super, deshalb werde ich mir den neuen nicht angucken. Der Film ist aber schlecht.

Fan-Unmut und Neustarts

Alles nachvollziehbar und absolut gerechtfertigt, bis auf den letzten Satz. So geht das nicht! Abgesehen davon, dass Filmkritik notwendiger Weise voraussetzt, dass man den Film gesehen haben sollte, musste der Spider-Man Fan schon Einiges über sich ergehen lassen. Eine neue Serie, die auch noch einmal von vorne anfängt („Ultimate Spider-Man“), Spidey als Manga, als historisches Abenteuer, als Held in diversen Paralleluniversen. Den Netzschwinger in einem außerirdischen Kostüm, dass dann seine eigene Serie („Venom“, „Carnage“) bekam und und und. Das ist im amerikanischen Comic-Business keine Seltenheit, sondern gehört zu den Gepflogenheiten der Branche. Bei Batman und Spider-Man treibt das allerdings extreme Blüten. Sich jetzt über Geldmacherei aufzuregen, ist also nicht ganz angebracht.

Und dann wäre da noch die neue Blondine, Gwen Stacey, die in den Comics übrigens erstmals auftaucht, als Peter Parker auf die Uni geht. Kurz darauf lernt er Mary Jane kennen, die nicht seit Kindheitstagen nebenan wohnt. Nur weil das so lange her ist, dass sich der pubertierende Fan nicht erinnert, wird es nicht falscher. Übertrieben auch die Behauptung, die Autoren hätten die blonde Zicke ja schließlich nicht ohne Grund aus der Serie herausgeschrieben. Ziemlich verkürzt dargestellt; immerhin dauern die Abenteuer Peter Parkers in denen Gwen Stacy mit dabei ist, mehr als 100 Ausgaben. Da kann man wohl kaum von „hat sich nicht bewährt“ sprechen.

Aber was reg ich mich überhaupt auf. Ich bin Fan und habe die Neuinterpretation sehr genossen. Es gab genug Aspekte, die anders waren als in der Raimi-Verfilmung, um einen Reboot inhaltlich zu rechtfertigen. Und Andrew Garfield macht einen tollen Job.

Viel Spaß im Kino.

(ursprünglich veröffentlicht bei cinetrend.de, 07.07.2012)