Ansichten am Donnerstag # 56: Boxoffice

Der aktuelle Boom (2011) der 3D-Filme hat nicht nur Auswirkungen auf unsere Sehgewohnheiten im Kino, sondern auch auf die Einspielergebnisse in den Kinos und auf die daraus entwickelten Bestenlisten, genannt Box Office. Normalerweise sagt Beliebtheit noch lange nichts über die Qualität aus, insofern könnte man das Problem eigentlich ignorieren. Doch Anfang September schwappte die Frage erneut an deutsche Gestade, als nämlich „Die 3 Musketiere“ und „?“ sich um das beste Ergebnis am Starwochenende stritten; ausnahmsweise mal zwei deutsche Filmproduktionen.

Recht hatten erstaunlicherweise beide, je nachdem, ob man sich die Zuschauerzahlen oder den Umsatz beim Kartenverkauf ansieht. Dem Zuschauer mag‘s egal sein, aber es hat wirtschaftliche und werbetechnische Konsequenzen, denn wie auch im Leistungssport ist der olympische Gedanke „Dabeisein ist alles“ längst der kapitalistischen Realität gewichen. Nur wer ganz oben auf dem Treppchen steht, hat auch Erfolg gehabt, wenigstens was den Markt für Blockbuster angeht.

Die Frage ist grundsätzlich: Steht der Mensch im Mittelpunkt der Betrachtung, oder sein wirtschaftliches Handeln, die Größe des Haufens, den er setzt? Beide Betrachtungen folgen ihrer eigenen Logik und sind in sich schlüssig. Auf Dauer allerdings ist es enervieren, immer eine parallele Liste zu führen, um beides zu erfassen. Früher war das einfacher: Zuschauer ist Ticketverkauf ist Umsatz.

Zuschauer- oder Umsatzmessung?

(Den Überlängenzuschuss lassen wir mal außen vor.) Der Zuschlag auf den Eintrittspreis ist bei 3D Filmen heute Gang und Gäbe, schließlich mussten die Lichtspielhäuser für teuer Geld umgerüstet werden und die Kosten werden via Eintrittspreis an den Zuschauer/ Endverbraucher weitergegeben.

Das führt dann zwangsläufig zu dieser zwiegespaltenen Sichtweise und der Betonung des wirtschaftlichen Aspektes im Handeln des Einzelnen. Und der Trend lässt sich trotz der grundsätzlichen Probleme der Gesellschaft, die gerade daher rühren, dass nur noch das Finanzielle im Vordergrund steht, nicht aufhalten.
Ein Kompromiss zwischen den beiden Sichtweisen ist nicht möglich und man muss sich wohl entscheiden, aber – und das ist das Schöne am Kapitalismus – man kann die Sichtweise stetig wechseln. Je nachdem, was einem besser gefällt.

Fehlt nur noch, dass man den Verzehr des Filmpublikums heranzieht, um den Filmerfolg zu messen, was die großen Kinos zweifellos informell tun. Schließlich haben sie ihren Bruttoeinnahmen in Deutschland von 2005 bis 2010 – trotz Dauergequengel über die ständig schlechtere Zuschauerzahl und hohen Kosten – von 745 auf 920 Milliarden steigern können. Während die Zuschaeurzahl mit 127 Millionen gleichgeblieben ist (Zahlen nach Brand eins Ausgabe 9/2011).

Viel Spaß im Kino.

(ursprünglich veröffentlicht bei cinetrend.de, 15.9.2011)