Ansichten am Donnerstag # 27: Das Internet tropft

Illegale Raubkopien sind nicht schön und bescheren Künstler und Vertrieb enorme Umsatzeinbußen. Doch die durch ein Leck ins Internet gelangte frühe Version des kompletten Blockbusters „X-Men Originals: Wolverine“ scheint alles bisher Dagewesene zu toppen.

Dabei begann die erste Meldung von Leck als vermeintlicher Aprilscherz und zumindest der Autor war sich nicht sicher, ob die Meldung ernst zu nehmen sei: Eine komplette Spielfilmversion eines Blockbusters aus den Hochsicherheitstrakts der Filmstudios geklaut und im Internet zum Download dargeboten. Das riecht schon nach angebrannter Ente.

Doch schon am nächsten Tag reagierte die 20th Century Fox und bestätigte, dass eine zwar spielfilmlange, aber unfertige Filmversion ins Internet gelangt sei. Das FBI wurde eingeschaltet und man rechne mit etlichen Millionen Mindereinnahmen an den Kinokassen, da wohl inzwischen wohl jeder, der ins Kino gegangen wäre, den Film inzwischen kenne. (Nein! Ich nicht und der Rest der Redaktion auch nicht) Kurz darauf bestätigten bekannte und beliebte File-Sharing Plattformen, dass „Wolverine“ inzwischen wohl häufiger als eine Millionen Mal heruntergeladen wurde – trotz aller Bemühungen seitens der Portale die kursierenden Versionen offline zu stellen.

Raubkopien und Übereifer

Ja, mag man jetzt denken, sowas passiert und vielleicht gehen die neugierigen,, illegalen Zuschauer ja auch noch ins Kino, doch die Filmwirtschaft sieht das bei weitem nicht als Werbegag oder Kavaliersdelikt. Auch Hugh Jackman, seines Zeichens Wolverine himself, gab zu Protokoll, ihm „blute das Herz“ angesichts der kursierenden Version, allerdings im Wesentlichen aus künstlerischer Sicht, denn das sei „wie einen Ferrari ohne Lackierung“. Recht hat er wohl und auch ich bezweifle den cineastischen Spaßfaktor.

Wer nun denkt, das war‘s, verpasst das Beste an der ganzen Story: Ein Journalist von Fox News, die zwar nicht zur selben Firma, aber zum selben Mutterkonzern gehören und auch den Namen Fox teilen, war entweder besonders altklug, oder besonders dämlich. Selbiger hat sich nämlich eine illegale Kopie des Films gezogen, den Film gesehen (wofür ist man schließlich Journalist) und dann für Fox News eine Kritik zum Film im Internet veröffentlicht. Der Tenor der Kritik war folgender: Hey, ich weiß gar nicht was die bei Fox Film sich alles so anstellen, der Film ist total super!

Tja, was macht man nun als Arbeitgeber mit so einem Suizidkandidaten, der offensichtlich total betriebsblind ist? Ich würde mal schätzen, rausschmeißen und die Rezension wieder aus dem Verkehr ziehen. Und siehe da, eben das ist auch passiert, denn letztlich hat der Kollege Werbung für Produktpiraterie gemacht. Merke: Gut gemeint ist schlimm genug.

Viel Spaß im Kino.

(ursprünglich veröffentlicht bei cinetrend.de am 09.04.2009)