Ansichten am Donnerstag # 21: Gefährliche Fülle – DVD-Direktveröffentlichung

Momentan findet sich der Redakteur in einer sonderbaren Misere: Eigentlich ist Kino das Thema und nicht DVD, doch in den letzten Monaten häufen sich mal wieder die VÖs direkt auf DVD und wollen (ja, müssen!) auch berücksichtigt werden. Waren die Filme wirklich alle zu schlecht für heimische Leinwände?

Wahrscheinlich ist die Frage in dieser Form schon irrelevant, denn der Output an Filmmedien ist seit Jahren enorm hoch, daher müssen die Filmverleihe und Kinos sich beschränken und eine Auswahl treffen. In den häufigsten Fällen geht das nach dem Kriterium des vorhersehbaren kommerziellen Erfolges. Das ist ja auch nachvollziehbar (Programmkinos nehme ich jetzt mal aus). Doch was passiert mit all den anderen Filmen? Alle in eine Abstellkammer und Licht aus?

Nein. Die werden momentan verstärkt direkt auf DVD veröffentlicht. Auf dem unübersichtlichen Markt für Heimunterhaltung tummeln sich inzwischen etliche neue Filmverleihe, die mit Nischenprodukten oder übersehenen Filmperlen aufwarten und es dem Filmfan schwer machen, die Übersicht zu behalten. Und die Schlussfolgerung, dass die Filme schlecht sind, nur weil sie auf DVD herauskommen, ist definitiv nicht zulässig. Der Anime-Fan weiß das seit langem, ist es in dem Genre doch üblich TV-Serien und Filme direkt auf DVD anzubieten, es werden sogar Titel extra dafür produziert – OVA (Original Video Animation) nennt sich das dann.

Home-Entertainment

Aber zurück zu meiner Misere, wie mit dem zusätzlichen medialen Overkill umgehen. Und auch hier heißt die Devise: Selektieren und Ordnung in das Chaos bringen. Filtern, was sehenswert ist, was wichtig, relevant oder zumindest schrullig genug ist, um überhaupt erwähnt zu werden. Der Rest braucht die Konsumenten nicht zusätzlich noch zu verwirren. Wer sucht, findet sowieso was er braucht und mag – mündiger Konsument nennt sich das dann wohl.

Beispiele gefällig? „The Illusionist“ ist ein wirklich gelungener, klasse Besetzter Mystery-Thriller, war sogar Oskar-nominiert, hatte aber seinerzeit das Pech fast zeitgleich mit zwei thematisch ähnlichen Titeln konkurrieren zu müssen: Woody Allens „Scoop“ und Christopher Nolans „The Prestige“. Erst jetzt taucht „The Illusionist“ auf, und hat mich sehr gut unterhalten. Anders als „Bangkok Dangerous“ der deutlich mehr verspricht als er halten kann und an der Kinokasse sowieso nicht gepunktet hätte.

Dann gibt es da noch die Nischenfilme wie „Extreme Beat“, immer hin mit Kiefer Sutherland („24“)und Courtney Love (Die Witwe von Nirvana-Sänger Kurt Cobain) prominent besetzt, aber thematisch ein unsicheres Unterfangen: Es geht um William S. Burroughs, den Beat-Schriftsteller („Naked Lunch“), der seine Frau beim „Wilhelm Tell-Spielen“ erschossen hat und darum wie es überhaupt soweit kommen konnte. Das interessiert mich, einfach aus dem Grund, dass ich die Literatur dieser Beat-Typen mag. Daher will ich das sehen, auch wenn’s keine gelungene Darstellung sein sollte.

Im Grunde läuft es wohl darauf hinaus, dass der Redakteur für die geneigten Leser und potentiellen Käufer den Vorkoster spielt, damit diese sich genussvoll auf das Menü stürzen können. Nur manchmal verirrt sich der Vorkoster als Zöllner in die Küche und lässt bestimmte Speisen gar nicht erst auf den Tisch, sozusagen beschlagnahmt. Aber mal ehrlich die feine Nase des Gourmets lässt sich doch so leicht nichts vorenthalten, oder?

Viel Spaß im Kino.

(ursprünglich veröffentlicht auf cinetrend.de am 29. Januar 2009)