Der perfekte Chef: Alle immer in der Waage halten

Als Chef eines mittelständischen Unternehmens hat man es nicht immer leicht. Vor allem, wenn man seinen Betrieb als erweiterte Familie betrachtet und sich um seine Mitarbeiter:innen kümmert. In der bissigen spanischen Komödie „Der perfekte Chef“ bekommt es Javier Bardem als traditionsbewusster Unternehmer mit einigen Problemen zu tun. Ab 28. Juli 2022 im Kino.

Für das Familienunternehmen “Blanco Waagen“ laufen die Dinge gut. Das Firmenjubiläum steht an, die Umsätze stimmen und das mittelständische Unternehmen ist für den regionalen Exzellenz-Preis vorgeschlagen. Doch Firmenchef Blanco (Javier Bardem) kann es nicht allen Recht machen.

Während die Praktikantinnen bei der Verabschiedung schon mal in Tränen ausbrechen, ist der gekündigte Mitarbeiter Jose (Oscar de la Fuente) einfach nicht ruhig zu kriegen. Der Familienvater will unter allen Umständen seinen Job zurück und beschließt aus Protest vor dem Firmengelände zu campieren.

Für Blanco, der die Exzellenz-Kommission erwartet, ist das ebenso unerfreulich wie die nicht geeichte Waage an der Zufahrt. Doch Blanco hat noch andere Probleme: sein langjähriger Mitarbeiter Miralles (Manolo Solo) scheint mit den Gedanken überall zu sein, aber nicht bei der Arbeit. Das führt zu Fehllieferungen und zur Bestellung nicht passender Bauteile.

„Keiner fliegt raus!“ (Jose)

Nun muss Blanco nicht nur den Zoff zwischen Miralles und dem arabisch-stämmigen Leiter der Logistik, Khaled, schlichten, sondern auch Miralles Privatleben richten. Außerdem kommen neue Praktikantinnen an und müssen beschäftigt werden. So auch die junge BWL-Studentin Liliana, die besonders eifrig zu sein scheint.

Da will man in entspannter Stimmung das Firmenjubiläum bei „Blanca Waagen“ feiern, und dann laufen einem die Dinge aus dem Ruder. Für den Patriarchen Blanco ist es zwar selbstverständlich, sich um seine Angestellten zu kümmern, aber mit Problemen kommt der Firmen-Erbe doch nicht immer gut zurecht.

Es ist eine Sache, jovial dem arbeitslosen Sohn eines Betriebsschlossers einen Aushilfsjob als Lieferant für die Mode-Boutik von Blancos Frau zu verschaffen. Obwohl der junge Mann und seine arbeitslosen Kumpel ständig vor dem Laden abhängen und die Kundschaft vergraulen, nimmt Senora Blanco die Situation hin.

Eine andere Sache ist es, jeden Tag den Protest des wegrationalisierten Mitarbeiters zu ertragen. Doch der befindet sich auf öffentlichem Grund und kann vom Pförtner und Wachdienst nicht ohne weiteres vertrieben werden. Der Ungehörte greift zu immer drastischeren Protestmaßnahmen.

„Gleichgewicht ist alles.“ (Blanco)

Und dann ist Blancos Einmischung auch nicht immer gewünscht. Miralles Frau verbittet sich die Schlichtungen in ihrer Ehe und Khaled sieht sich ganz gewiss nicht als Sohn der Firma, auch nicht als Adoptivsohn. Vielmehr weiß der Lagerist mit Migrationshintergrund um seine Qualifikationen und den Wert seiner Arbeit. Die Zeiten ändern sich und so langsam gleiten dem Patriarchen die Fäden aus der Hand.

Der spanische Filmmacher Fernando León de Aranoa lotet mit seiner hintersinnigen und ziemlich bissigen Komödie „Der perfekte Chef“ die Untiefen patriarchaler Macht aus und zeigt dabei ebenso schlicht wie überzeugend, wie sich die Wirtschaftswelt mit der Globalisierung geändert hat. Die Veränderung zeigt sich nicht nur in Warenströmen und Lieferketten, sondern eben auch in Arbeitsverhältnissen, im Marketing und in den sozialen Netzwerken.

„Man muss gelegentlich die Waage austricksen…“ (Blanco)

Nach der großartigen und international besetzten Weltenretter-Satire „A Perfect Day“, die 2015 auf dem Filmfest Hamburg und anschließend auch in den Kinos zu sehen war, drehte der Autor und Regisseur zunächst eine politische Doku. Anschließend erkundete „Loving Pablo“ die Liebe zwischen einer Journalistin und dem Drogenboss Pablo Escobar. Dargestellt von dem Ehepaar Penelope Cruz und Javier Bardem. Danach wurde es um den Regisseur etwas stiller, da er als Drehbuchautor an der historischen TV-Serie „Die Pest“ mitschrieb. Mit „Der perfekte Chef“ kehrt Fernando León de Aranoa zurück zum schwarzen Humor.

Javier Bardem („No Country For Old Men“) gibt den Firmenchef des mittelständischen Familienbetriebs mit großer Souveränität und immer am Rande der ererbten Selbstzufriedenheit. Das wirkt bisweilen sehr charmant, wie das bei Männern mit Macht gelegentlich ist, wenn deren joviales Gebaren einem freundlich und wohlwollend widerfährt.

Doch „Der perfekte Chef“ leuchtet auch die andere Seite der Medaille aus. Jene, die hinter gedämmten Türen cholerische Wutausbrüche hat, komplett überfordert ist, wenn die Methoden des Herrschens nicht mehr greifen und die eigene Autorität untergraben wird. Da kann es schon mal passieren, dass die Verhältnismäßigkeit der Mittel aus dem Fokus gerät. Aber das sollte jede:r selbst sehen.

Die spanische Komödie „Der Perfekte Chef“ glänzt mit einem großartigen Javier Bardem und einem sehenswerten Nebenschauplatz der Globalisierung, der als nuancierter, detailreicher Mikrokosmos entfaltet wird. Hier bei „Blanco Waagen“, wo Feder- und Balkenwaagen friedlich neben digitalen Geräten zur Gewichtsbestimmung produziert werden. Tradition und Moderne im Gleichgewicht.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Der perfekte Chef
OT: El buen Patrón
Genre: Komödie
Länge: 120 Minuten, E, 2021
Regie: Fernando León de Aranoa
Darsteller:innen: Javier Bardem, Manolo Solo, Almudena Amor, Óscar de la Fuente
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Alamode
Kinostart: 28.07.2022

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