Tides: Geflutete Hoffnungen

Der deutsche Science-Fiction-Thriller „Tides“ zeichnet kein wohlwollendes Bild der Menschheit. Statt sich um den Planeten zu kümmern, sind die Eliten ins Weltall ausgewandert. Nun schickt man Expeditionen um zu sehen, ob die Erde wieder bewohnbar ist und überlebt faustdicke, keineswegs erfreuliche Überraschungen. Das finstere feuchte Szenario von Tim Fehlbaum ist vor allem visuell herausragend.

Weil ich das Klima auf der Erde immer katastrophaler entwickelt, suchen die Reichen und Mächtigen nach einer anderen bewohnbaren Welt, bevor die Menschheit ausstirbt wie einst die Dinosaurier. Auf dem fernen Planeten Kepler 209 findet sich eine lebensfähige Atmosphäre, doch wie sich herausstellt, werden die Menschen dort unfruchtbar.

Zwei Generationen später stellt sich die Frage nach der Zukunft der Menschheit. Eventuell haben sich die Lebensbedingungen auf der Erde wieder beruhigt. Nachdem eine erste Expedition spurlos verschwunden ist, schickt Kepler eine weitere Mission auf den Weg.

Doch die Ulysses II nimmt beim Eintritt in die Atmosphäre Schaden und die zweiköpfige Crew versinkt in einem stürmischen Ozean. Weil sich Tucker schwer verletzt hat, bleibt es an Blake (Nora Arnezeder) hängen, die Aufklärungsmission zum Erfolg zu führen. Doch auf der Erde ist vieles anders als erwartet. Es gibt überlebende Menschen und die sind feindselig. Für Tucker und Blake beginnt ein scheinbar aussichtsloser Überlebenskampf.

Bereits mit seinem ersten Kinospielfilm „Hell“, der 2011 erschien, erschuf Filmmacher Tim Fehlbaum eine dystopische Zukunft, in der das Klima die Gesellschaft zerstörte. Nur war das seinerzeit eine alles versengende Sonne. In „Tides“ wird aus dem blauen Planeten eine von Wasser beherrschte Welt, in der die Meere zu einem meterhohen Gezeitenwechsel eskaliert sind. Ein Überleben funktioniert nur durch eine Anpassung an eine schwimmende Existenz oder durch die Besiedelung künstlicher Inseln.

In diese Ursuppe gerät die Astronautin Blake, die direkt beim Eintritt in die Atmosphäre auf sich gestellt ist, weil ihr Kollege bewusstlos ausfällt. Anders als bei früheren Raumfahrmissionen ist die „Ulysses II“ nicht schwimmfähig konstruiert und versinkt umgehend. Doch das ist für Blake erst der Anfang.

Die Story ist in typischer dystopischer Abenteuermanier gehalten und die Heldin hat selten Zeit durchzuatmen, weil sich bereits die nächste Bedrohung ankündigt. Dabei lockern einige Rückblenden die Handlung auf, bis sich herausstellt, dass die Mission die Astronautin im Grunde in ein moralisches Dilemma führt. Das ist ebenso souverän wie dramatisch stimmig in Szene gesetzt und führt zu einem packenden Thriller, bei dem die Bedrohungslagen sich wendungsreich ändern und das Publikum spannend unterhalten.

Allerdings ist die Story in weiten Teilen auch nicht gerade hochoriginell. Ein Überlebenskampf bleibt ein Überlebenskampf und der fiese Twist der Geschichte liegt im Grunde bereits in der Prämisse. Immerhin haben sich die Eliten aus dem Staub gemacht und sich wenig um die verbleibenden Menschen und die katastrophalen Verhältnisse gekümmert. Was lässt sich da bei einer vermeintlichen Rückkehr erwarten?

Auch wenn die Geschichte in Teilen absehbar ist, so sind doch die Themen zu denen offensichtlich die Zerstörung des Planeten und weniger offensichtlich einige grundlegende Fragen über Macht und Gesellschaft gehören, wichtig für unsere Gegenwart und bilden daher ein Szenarium, das auch Impulse zum Nachdenken gibt, sofern die Anspannung erst einmal nachgelassen hat.

Und dann wäre da noch die herausragende Optik dieser untergegangenen Welt. Anders als in „Waterworld“ geht es hier rau und unberechenbar zu, die Atmosphäre selbst ist ein prägender Filmcharakter. Gefilmt wurde im Wattenmeer der Nordsee und hinterher wurde mittels Green Screen und CGI eine entsprechende Überformung der Kulisse vorgenommen.

Ähnlich ist auch der österreichische Thriller „Hinterland“ vorgegangen. Erstaunlicherweise kommen beide Produktionen quasi Zeitgleich ins Kino und für den Hausgebrauch heraus. Das mag auch daran liegen, dass „Tides“ pandemiebedingt nicht früher starten konnte. Zwei Beispiele machen noch keinen Trend, aber die aufwändige Computerlastige Produktion bruachtr sich auch in „Tides“ nicht hinter der internationalen Konkurrenz zu verstecken. Sicher hat auch der ausführende Produzent Roland Emmerich „The Day After Tomorrow“, „Independence Day“ einige Kontakte und Möglichkeiten einbringen können.

Die überflutete Erde in „Tides“ sieht einfach atemberaubend und großartig düster aus. Regisseur Tim Fehlbaum beweist einmal mehr sein Gespür, wenn es darum geht Extrembedingungen stimmig in Szene zu setzen. Die Story ist gelungen, die Besetzung trägt, beides bleibt aber eher in den erwartbaren Spuren als das Szenario. Wer auf packende Endzeit-Thriller steht, sollte einen Blick durch die Schwimmbrille riskieren.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Tides
OT: Tides
Genre: Science-Fiction, Thriller
Länge: 104 Minuten, D, 2020
Regie: Tim Fehlbaum
Darsteller:innen: Nora Arnezeder, Sarah-Sofie Boussnina, Joel Basman, Iain Glen
Vertrieb: Constantin Film,
Kinostart: 26.08.2021
DVD- & BD-VÖ: 18.02.2022