Comissario Montalbano – Volume 8: Heikle Angelegenheiten

Für Krimi-Fans hierzulande ist die 8. Sammelbox der beliebten italienischen Krimi-Serie „Commissario Montalbano“ etwas ausgesprochen Ungewöhnliches: Die TV-Serie erschient als Home-Entertainment-Premiere bei Edel Motion ohne zuvor im Fernsehen ausgestrahlt worden zu sein. Die vier Fälle locken den Comissario zwar nicht aus der Comfortzone, bieten aber solide sizilianische Krimi-Unterhaltung mit einer Prise Humor und den üblichen landschaftlichen Schönheiten.

Im Jahr 1994 erschien in Italien der erste Kriminalfall von „Comissario Montalbano“ aus der Feder des sizilianischen Autors Andrea Camillieri. „Die Form des Wassers“ (OT: „La Forma dell’aqua“) begründete eine höchst erfolgreiche Krimi-Serie, die der Autor beinahe bis zu seinem Tod 2019 fortgeführt hat. Die letzten Kurzgeschichten und Romane erschienen sogar posthum. Montalbano verdankt seinen Namen einem spanischen Autoren-Kollegen. Manuel Vasquéz Montalbán war ein katalonischer Krimiautor, der die kultigen Krimi-Romane um Pepe Carvalho verfasste.

Seit 1999 ermittelt der Commissario auch im italienischen Fernsehen und stellte sich bald als weltweiter Exportschlager heraus. Ab 2001 zeigte auch das ZDF Montalbano-Krimis, allerdings nur die ersten vier in sich abgeschlossenen Fälle. Eine Dekade später übernahm Servus TV die erneute Ausstrahlung der Serie „Commissario Montalbano“ und ist aktuell bei Fall 26 aus der 9. Staffel angelangt.

An diesem Zeitpunkt setzt „Volume 8“ der Serie als Deutschland-Premiere an. Edel Motion veröffentlicht die Fälle 27 bis 30, die in offizieller italienische Staffel-Zählung die Staffeln 10 von 2016 und 11 aus dem Jahr 2017 beinhalten. Neu in den vier Fällen „Eine heikle Angelegenheit“, Das Bild der Pyramide“, „Das Nest der Schlangen“ und „Gängiger Praxis entsprechend“ ist die Darstellerin von Salvo Montalbanos Freundin Livia Burlando. Ansonsten herrscht in der TV-Serie, die übrigens immer noch erfolgreich läuft, große Besetzungskonstanz.

Darsteller Luca Zingaretti gibt den Comissario seit der ersten Ermittlung 1999, die übrigens nicht den ersten Montalbano-Roman verfilmt, sondern „Der Dieb der süßen Dinge“ oder auch „Tödliche Sühne“(OT: „Il Ladro di Merendine“, 3. Roman von 1996). Auch Regisseur Alberto Sironi und das Team des Commissarios, Fazio und Catarella, sind von Beginn an dabei. Mimi Auguello stößt erst in der zweiten Ermittlung zum Team. Fernbeziehung Livia findet in Sonia Bergamasco, die die Rolle seit 2016 übernimmt, bereits ihre dritte Inkarnation.

Edel Motion hat sich bei der Veröffentlichung der Serie an den in Deutschland ausgestrahlten Portionierungen der Krimiserie orientiert. Daher ist die Bezeichnung „Volume“ und die Durchnummerierung der Spielfilmlangen Fälle auch treffender, denn es handelt sich nicht um jeweilige Staffeln. Das ist vergleichbar mit der frühen Ausstrahlungspraxis bei „Inspector Barnaby“, aber lange nicht so unübersichtlich, da dort auch Fälle weggelassen wurden.

„Eine heikle Angelegenheit“

Nach so viel editorischer und historisch-kriminologischer Einordnung also endlich zu den einzelnen Fällen in „Comissario Montalbano Volume 8“. In „Eine heikle Angelegenheit“ (OT: „Un Facenda Delicata“, 27. TV-Fall) muss Salvo Montalbano seinen Kurzurlaub bei Livia in Boccadasse abbrechen, weil im heimatlichen Vigàta ein 70jährige Prostituierte ermordet wurde. Zwar ermittelt Auguello (Cesare Boci), aber man wird auf Sizilien das Gefühl nicht los, dass sich dessen Ermittlungen einseitig auf einen Perversen stürzen, der auf Seniorinnen steht.

Montalbano kennt seine Pappenheimer und macht sich auf den Rückweg, sehr zum Ärger seiner Freundin. Tatsächlich scheint es, als hätte Auguello einige Spuren übersehen und wäre den Reizen der charmanten Nachbarin erlegen, die er bereits wiederholt befragt. Montalbano folgt indes der Aussage von deren Sohn, der einen Mann hat weggehen sehen. Scheinbar fühlte sich das Opfer verfolgt. Gleichzeitig bekommt es der Commissario auch noch mit Missbrauchsgerüchten an einer Schule zu tun. Ob da tatsächlich etwas dran ist, oder ob man den Lehrer in Verruf zu bringen versucht, beschäftigt Montalbano, so dass die Mordermittlungen nicht immer seine ganze Aufmerksamkeit haben.

Selbst wenn die spielfilmlangen Fälle der TV-Serie nicht auf Montalbano-Romanen beruhen, so hat der Autor Camillieri die TV-Macher doch immer beraten und auch diverse Kurzgeschichten um den Commissario veröffentlicht. Der Fall der erwürgten Prostituierten ist nicht sonderlich dramatisch und auch nicht hochspannend, stattdessen gehen die Ermittlungen recht gemächlich voran, es zeigt sich, dass Auguello, der mit seinem schlanken Wuchs und dem spitzen Oberlippenbärtchen ein wenig an Horror-Darsteller Vincent Price erinnert. Ein steter Quell unfreiwilligen Humors ist und die sizilianischen Drehorte gerade in ihrer menschenleeren Ruhe schon einen großen Reiz der Serie ausmachen. Letztlich wartet der Fall mit einer Wendung auf, die der Rezensent lange nicht hat kommen sehen. (Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10))

„Das Bild der Pyramide“

„Das Bild der Pyramide“ (OT: „La Piramide di Fango“, 28. TV-Fall, 22. Roman) beginnt mit der Aufsehen erregenden nächtlichen Fahrradflucht eines schwer angeschossenen Mannes in Unterwäsche. Was auch immer den Mann treibt, er versteckt sich im Abwasserrohr einer Baustelle. Dort muss der Comissario die Leiche am nächsten Tag auch inspizieren. Bei der Suche nach der Identität des Mannes finden die Ermittler auch noch heraus, dass dessen Frau vermisst gemeldet ist. Alles sehr verworren.

Dann mehren sich die Unfälle auf der Baustelle, und ein Erdrutsch sorgt an einer Schule für Verwerfungen. Was hier stark nach Pfusch am Bau aussieht, riecht für Salvo Montalbano zudem auch nach immer stärker nach Mafia. Eventuell ist Korruption im Spiel, und der Commissario muss – um im Bild zu bleiben – ein dickes Brett bohren.

Abgesehen von dem bildstarken Auftakt und dem unerwarteten Besuch den Montalbano morgens auf seiner Terrasse am Strand entdeckt wird in dieser Folge ein komplexes Verbrechen Stück für Stück aufgedröselt. Das hat seinen Charme nachdem der Rezensent sich in das Format eingesehen hat und nicht mehr mit Spannungselementen rechnet. Auch sind die Fälle eigentlich (mit Ausnahmen) recht unbrutal inszeniert. [Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10))

„Das Nest der Schlangen“

„Das Nest der Schlangen“ (OT: „Un covo di vipere“, 29. TV-Fall, 21. Roman) beschäftigt sich mit dem Mord an einem Geschäftsmann. Cosimo Barletta wird erschossen in seinem Ferienhaus gefunden. Vom Täter weit und breit keine Spur. Doch im Laufe der Ermittlungen scheint sich ein Motiv herauszukristallisieren: Der ehrenhafte Herr scheint etliche Frauen sexuell ausgenutzt zu haben. Da läge Rache doch nahe.

Wenn einem so viele Damen schöne Augen machen, fällt es dem Commissario schon schwer noch in andere Richtungen zu ermitteln, aber am Tatort stimmt etwas nicht. Als sich Montalbano mit dem verstoßenen Sohn unterhält, zeigt dieser durchaus auch starke Mordmotive, und die Tochter des Opfers will dem Comissario nun auch noch bei der Ermittlung helfen. Gelegentlich offenbart die Serie ein paar schlappe Dialoge. Verhör-Beispiel: „Ich verstehe die Frage nicht.“ „Bitte antworten Sie.“ „Ja, xyz hat aus Liebe gehandelt.“

Alles in allem ist „Das Nest der Schlangen“ schon der turbulenteste Fall dieses 8. Volumes, aber auch der am wenigsten überzeugendste. Die Handlung wirkt mir dann doch zu konstruiert und das Aufkommen rachwütiger Damen ist mir zu überzogen. (Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10))

„Gängiger Praxis entsprechend“

Abschließend wird es in „Gängiger Praxis entsprechend“ (OT: „Come voleva la prassi“, 30.TV-Fall) ziemlich politisch. Nachdem erneut eine kaum bekleidete, stark verwundete Person durch die sizilianische Nacht irrt (siehe Fall 28), erliegt die junge Frau im Innenhof eines Mietshauses ihren Verletzungen. Erstaunlich nur, dass keine der Mietparteien die Tote kennt.

Die Obduktion ergibt dann schwere Misshandlungen und Hinweise auf Sexualverbrechen, doch weiter bleiben die Umstände unklar und höchst dubios. Die Mietsanlage umfasst 24 Wohnungen, jeweils sechs pro Etage und die Tote wohnte nirgends. Die Befragung wirft einen ersten Verdacht auf den Nachbarn, der die Frau gefunden hat, und den Nachtwächter, der die Polizei benachrichtigt hat.

Montalbano und seine Kollegen stoßen bei den Ermittlungen schnell an Grenzen, auf „Kefado“- Schutz, also auf Mafia-Beteiligung an dem Verbrechen und so ermittelt Montalbano in Richtung Prostitution. Es tut sich eine scheinheilige Welt des Lasters auf.

Die FSK Einordnung „Ab 16 Jahren“ der Krimi-Sammlung ist wohl vor allem auf diesen Fall sexualisierter Gewalt zurückzuführen. Zwar hält die Kamera nicht explizit drauf, aber den Serienmachern ist schon an einer realistischen und auch verstörenden Darstellung des Verbrechens gelegen. Der Fall an sich ist gewohnt komplex und zeigt immer wieder ungeahnte und überraschende Wendungen, selbst wenn die Auflösung gelegentlich nicht ganz überzeugt. Hier ist das Ende stark und biete auch einen starken Abgang in Sachen Staffelfinale. (Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10))

Die italienische Krimiserie „Commissario Montalbano“ nach Motiven und Romanen von Andrea Camillieri läuft inzwischen bereits seit mehr als 20 Jahren erfolgreich. Die deutschspraxchigen Episoden haben die italienischen noch längst nicht eingeholt. Am Serienkonzept und an den Schauwerten hat sich wenig geändert und vielleicht ist in Volume 8 alles ein bisschen in die Jahre gekommen, unterhaltsam bleiben die Ermittlungen unter der Sonne Siziliens und den Augen des Comissarios dennoch. Fans kommen auf ihre Kosten. Neue Zuschauer:innen kommen leicht in das kriminalistische Szenario hinein.

Serien-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Comissario Montalbano Volume 8
OT: Commissari Montalbano 27 – 30
Genre: TV-Serie, Krimi
Länge: ca. 450 Minuten (4 x ca 112 Minuten), I, 2016-17
Vorlage: „Commissario Montalbano“-Roman-Reihe von Andrea Camillieri
Regie: Alberto Sironi
Darsteller:innen: Luca Zingaretti, Sonia Bergamasco, Cesare Bocci, Peppino Mazzotta,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion
EST: 12.11.2021
DVD-VÖ: 17.12.2021

Comissario Montalbano TV-Serie bei wikipedia

Andrea Camillieri bei Wikipedia

Montalbano-Bücher Bei Lübbe