The Green Knight: Nackenschläge und Glücksbändchen

Als Ritter – oder solcher, der es werden will- erlebt man bisweilen schon erhebliche Überraschungen. So auch der junge Gawain. Was als vermeintliches Trinkspiel beginnt, stellt sich in der als der reinste Horror raus. In David Lowerys bildgewaltiger Adaption des mittelalterlichen Helden-Gedichts kann von einer Entwicklungsgeschichte kaum die Rede sein, eher stolpert Dev Patel als junge Antiheld zittrig in sein Schicksal.

Der junge Gawain (Dev Patel) ist noch kein Name am der Ritterrunde des Königs (Sean Harris), gleichwohl bittet der Onkel beim Weihnachtsfest seinen Neffen um eine Geschichte um diesen besser kennenzulernen. Doch Gawain hat nichts zu erzählen.

Das freilich ändert sich umgehend, denn ein Grün Gerüsteter Ritter erscheint und fordert den König und seine Mannen zu einem Duell: Jemand möge einen Schlag gegen ihn, den grünen Ritter, führen und sich in genau einem Jahr die Erwiderung abholen. Gawain nimmt die Herausforderung an, köpft den Ritter und wähnt sich sicher. Doch der grüne Ritter ist nicht tot, nimmt seinen Kopf und zieht ab.

Ein Jahr später macht sich Gawain halbherzig auf den Weg zur Grünen Kapelle, wo der Ritter ihn erwartet. Doch unterwegs warten einige Prüfungen auf den jungen Wanderer. Er begegnet Räubern, einer Jungfrau und einem Adeligen, der auf die Pirsch geht, während dessen Gattin Gawain umpirscht.

Ehrlich? Ich habe „The Green Knight“ nun zum zweiten Mal gesehen. Die Sichtung auf Blu-ray hat dem Film beinahe zur Ehrenrettung verholfen, denn nachdem ich mehr als zwei Stunden im Kinodunkel auf eine grauenhaft finster ausgeleuchtete Leinwand gestarrt hatte, war ich mit dem grünen Kasper eigentlich durch.

Ja, Regisseur David Lowery legt die mittelalterliche Heldenromanze, die als eines der ältesten überlieferten Schriftstücke englische Sprache gilt, bildgewaltig, erzählvariabel und für den modernen Menschen zugänglich an, aber die Story ist, was sie ist, eine Queste eines angehenden Ritters, eine Suche nach sich selbst und dem Schicksal, selbst wenn das Ganze slackermäßig inszeniert ist, und diese Suche ist absehbar. Und daher hin und wieder (und gerade im Dauerdunkel der durchgrübelten Kinovorstellung) ermüdend, erheblich ermüdend.

Der Heimkino-Start hat nun mehrere Vorteile. Zunächst und am wichtigsten, es gibt Licht auf dem Fernsehschirm. Ich habe Bilddetails gesehen, die mir im Kino verborgen waren, was eventuell an der Projektion lag, aber auch filmimmanent ist und hochauflösend nun zum Vorschein kommt. Auch musste ich mich nicht mehr mit meiner vermeintlich irritierten Erwartungshaltung auseinandersetzen und konnte so auf andere Details achten.

Die Darstellungen und Kostüme sind herausragend, das anämische, siechende Königspaar (Kate Dickie und Sean Harris) sind furios in ihrer ätherischen Qualität, das bedrohlich heiser Flüstern des Königs geht in der Synchro allerdings verloren. Weiterhin stellte ich eine gewisse Sympathie für Dev Patels Gawain fest, der sich für jugendlich unzerstörbar hält, bis er mal zum Gedichtaufsagen nach vorne zitiert wird und dann anschließend seine nächste Demütigung einstecken muss. Da holt man schon seinen cleversten Move raus und die Chose sollte ein für alle mal erledigt sein. Mal so richtig Stärke zeigen. Mal so voll männlich die ollen Ritter beeindrucken. Und dann setzt die Furcht vor den lebenden Toten ein.

Wesentliche Teile der Charakterentwicklung lässt „The Green Knight“ weg, einfach weil das Jahr des Psychoterrors, die hosenscheißende Angst vor den Konsequenzen des eigenen Handelns, die einen zermürben, nicht ansatzweise Thema dieser Queste ist. Allein Dev Patels trauriger Blick sagt alles, wenn er auf seiner Rosinante aus der Burg reitet. Der Rest ist Geschichte, der Rest ist reine Poesie.

Warum „The Green Knight“ keinen deutschen Verleihtitel bekam, obwohl sogar Tolkien zu der Ballade von „Sir Gawain und dem grünen Ritter“ ein Essay schrieb und die Episode schon einen starken Bezug zur Artus-Sage hat, weiß der Geier. Vielleicht wollte man anspielend auf „the Dark Knight“ verwirrte Superhelden-Fans ins Kino locken, eventuell weiß heute jede:r Halbwüchsige was ein „Knight“ ist?

David Lowery weist im Bonusmaterial darauf hin, dass er eben diese Nähe zur Artus-Saga bewusst auszublenden versuchte, obwohl am Drehort in Irland auch Jon Bormans „Excalibur“ entstand. Das Bonusmaterial enthält Interviews mit Regisseur und Hauptdarstellern, ein ausführliches Making of, ein Feature über die Spezialeffekte und einen flotte Quickie über „(Fast) alles, was man über „The Green Knight“ wissen muss“. Da gibt’s nichts zu meckern und Fans und Nerds kommen voll auf ihre Kosten. Ich bin schlauer, weiß nun, dass Filme durch mehrmaliges Sehen auch erheblich besser werden können. Oder, um mit Tolkien zu sprechen: „Es tut sich was in der Riddermark.“ Prost!

The Green Knight“ ist durchaus faszinierend. Je nachdem von welcher Warte aus Zuschauer:innen das mittelalterliche Drama betrachten, ist es ein origineller Ritterfilm, eine modere Lyrikübersetzung oder eine mystische innere und äußere Reise. Je nach wesensbedingter Anziehungskraft leuchtet der eher duster belichtete Trip auch über die trägen Momente von Ballade und Suchendem hinweg. „The Green Knight“ ist nicht der erste Versuch jener Poesieumsetzung, aber einer der Sprache in starke Bilder zu wandeln vermag.

The Green Knight
OT: The Green Knight
Genre: Drama, Fantasy
Länge: 130 Minuten, UK, 2021
Regie: David Lowery
Darsteller:innen: Dev Patel, Sean Harris, Joel Edgerton, Alicia Vikander,
FSK: ab 16
Vertrieb: Eurovideo
Kinostart: 29.07.2021
VoD: 26.11.2021
DVD- & BD-VÖ: 09.12.2021

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