Mord in Genua – Ein Fall für Petra Delicato : Staffel 1

Eigenwillige Ermittlerfiguren gehören zum modernen Krimi wie abstruse Fälle. Die von ZDF koproduzierte italienische Krimi-Reihe „Mord in Genua – Ein Fall für Petra Delicato“ hat beides zu bieten. Die vier abgeschlossenen spielfilmlangen Fälle der ersten Staffel wurden ab Dezember beim ZDF als Sonntagskrimi ausgestrahlt. Was ja an sich schon ein gewisses Qualitätssiegel ist. Nun veröffentlicht Justbridge Entertainment die Krimis, die auf Romanen der spanischen Autorin Alicia Giménez Bartlett beruhen auf DVD und Blu-ray für das klassische Home-Entertainment. Und nicht nur die Kulisse der italienischen Hafenstadt Genua sorgt für launige Krimi-Unterhaltung.

Die geschiedene ehemalige Rechtsanwältin Petra Delicato (Paola Cortellesi) wagt einen Neuanfang. Sie wechselt nicht nur die Stadt und zieht von Rom nach Genua, sondern auch den Job und ist nun Inspektorin bei der Polizei. Allerdings hat es sich die in sich gekehrte und stille Frau im Archiv der Polizei bequem gemacht. Ebenso wie sie in ihrer Wohnung eine giftige Spinne als Haustier hält.

Petras Putzfrau beschwert sich schon mal, dass die Umzugskartons auch nach zwei Jahren nicht ausgepackt sind. Und ihrer zweiter Exmann, der Koch und Restaurantbesitzer Lorenzo (Simone Liberati) bringt seiner verflossenen immer noch Abendessen vorbei, weil er weiß, dass Petra ihre Ernährung ansonsten vernachlässigen würde.

Eigentlich ermittelt die ehemalige Rechtsanwältin in der spanischen Hafenstadt Barcelona, der Heimatstadt ihrer Erschafferin, der Autorin Alicia Giménez Bartlett. Giménez Bartlett begann 1996 mit der Kriminalreihe um Petra Delicado. 1998 adaptierte das spanische Fernsehen eine wenig erfolgreiche Krimiserie um die Inspektorin. Für „Mord in Genua“ wurde der Schauplatz zwar in die italienische Hafenstadt verlegt, aber die vier Fälle der ersten Staffel beruhen auf den ersten vier Romanen der beliebten und erfolgreichen Krimi-Reihe. Hierzulande sind die Krimis von Alicia Giménez Bartlett unter anderem im Unions-Verlag und bei Bastei Lübbe erschienen.

„Das Zeichen“

Den Auftakt der TV-Serie macht „Das Zeichen“ (Roman: „Gefährliche Riten“, OT: „Ritos De Muerte“, 1996): Eigentlich hat Petra Delicato eine ruhige Nachtbereitschaft erwartet und es sich wie immer m Archiv bequem gemacht. Doch als am Morgen ihre Schicht eigentlich schon vorbei ist, wird sie zu einem Verbrechen gerufen, weil von der Tagschicht noch niemand da ist. Eine junge Frau behauptet vergewaltig worden zu sein und trägt eine seltsame Schnittwunde am Arm davon.

In ihrer ersten Außendienst-Fall stellt sich Petra ziemlich unbeholfen an und die Vernehmung des vermeintlichen Opfers läuft nicht gerade gut. Doch dann taucht der Vize-Inspektor Antonio Monte (Andrea Pennacchi) auf und übernimmt dezent. Eigentlich arbeitet Monte gerade an einer Undercover-Action um Schmugglern im Hafen das Handwerk zu legen. Wenn der Boss ihn aus Personalmangel allerdings zur Unterstützung der Archivarin abordert, dann macht Monte auch das klaglos.

Die Zusammenarbeit läuft holprig, aber nach und nach stellten sich die beiden Ermittler aufeinander ein. Erfolge sind dringend nötig, denn der Vergewaltiger ist nach wie vor aktiv und treibt sein Unwesen in der ganzen Stadt. „Das Zeichen“ nimmt sich Zeit, die Zuschauer in demselben Tempo an die Charaktere und die Geschichte heranzuführen wie die Archivarin an die operative Verbrechensermittlung. Dabei gelingt beides vor allem dank der ruhigen Art des Antonio Monte. Der versteht es die Kanten seiner Vorgesetzten abzumildern und so auch die Zuschauer:innen mit der eigenwilligen Inspektorin bekannt macht.

Kriminalistisch ist dieser Fall nicht gerade eine Herausforderung, aber die Charaktere werden sehenswert und interessant eingeführt und Genua als Handlungsort wird eindrucksvoll in Szene gesetzt, mal malerisch, mal zwielichtig, aber immer mit eigener Bildsprache.

„Hundeliebe“

Dass es überhaupt weitere Ermittlungen der Inspektorin Petra Delicato gibt, ist der Hartnäckigkeit und dem Weitblick von Antonio Monte zu verdanken. Der Witwer hat das Potential der Zusammenarbeit erkannt und um die Versetzung in die Mordkommission gebeten – zusammen mit der Archivarin. Und tatsächlich spielt sich die Zusammenarbeit ein. Im zweiten Fall „Hundeliebe „(Roman: „Hundstage, OT: „Dia de Perros“, 1997) wird am Strand ein unbekannter erschlagener Hundebesitzer gefunden. In dessen Wohnung abstruse Notizbücher und ein Haufen Bargeld.

Doch von einem Motiv oder Verdächtigen weit und breit keine Spur. Bis ein Pfarrer in der Nähe den Hund erkennt, der bis auf weiteres bei der Inspektorin untergekommen ist. Die hat den Streuner allerdings nicht ganz uneigennützig behalten, denn der Tierarzt ist attraktiv und charmant. Auch Monte kommt im Zuge der Ermittlungen ins Schwärmen für eine toughe Hundetrainerin. Und die Ermittler kommen illegalem Tierhandel und brutalen Hundekämpfen auf die Spur.

„Hundeliebe“ ist vielleicht der stärkste Kriminalfall dieser Reihe. Die Ermittlungsarbeit wird neben die privaten Entwicklungen im Leben der Ermittler gestellt. Auf interessante Weise kommt es immer wieder zu Überschneidungen von Arbeit und Freizeit. Dabei lernt das Publikum seine Heldin und ihren Sidekick besser kennen und die Serie nimmt an Fahrt auf.

„Glückssucher“

Leider verliert „Mord in Genua“ dieses Spannungsmomentum bereits im der nächsten Ermittlung. Der dritte Fall „Glückssucher“ (Roman: „Boten der Finsternis“, „Mensajeros de la oscuridad“, 1999) beginnt damit, dass Petra Delicato Fanpost bekommt. Deshalb, weil sie von ihrem Boss zum neuen, attraktiven „Aushängeschild“ der Polizei gemacht wird. Zwar sollen Delicato und Monte weiterhin dem grantigen und erfahrenen Kollegen Pessone (Antonio Zavatteri) berichten. Der soll die „Neue“ unter seine Fittiche nehmen, aber Petra nimmt das nicht so genau und Pessone kann mit der Archivarin auch nicht so gut.

Zurück zur Fanpost: Ein abgeschnittener Penis gibt Monte und Delicato Rätsel auf. Vor allem, weil die Entmannung scheinbar fachgerecht durchgeführt wurde. Statt männerhassende Rache bekommen es die Ermittler mit einer Sekte zu tun, die ihre Wurzeln in der Erleuchtung eines russischen Bauern hatte und die nun scheinbar in Genua ihre Jünger zur Keuschheit verpflichtet.

Es kommt ein weiteres abgeschnittenes Glied mit der Post. Zudem meldet sich ein Kollege aus Russland an, um dem unbekannten Oberhaupt der Sekte auf die Schliche zu kommen. Der machomäßige Kollege passt zudem noch in Petras Beuteschema. Eine mysteriöse Sekte lädt zum Schwadronieren über Verschwörung und Weltuntergang ein, doch bis Petra und Antonio erstmal ansatzweise einen Durchblick haben, ist in „Glückssucher“ bereits einiges an Dramatik verpufft. Fast so, als drückte das Team um Regisseurin Maria Sole Tognazzi bewusst auf die Bremse, damit das psychologische und Dramatische nicht in einem handelsüblichen Thriller-Einheitsbrei untergeht.

„Schein und Sein“

Dabei hätte etwas mehr Tempo definitiv nicht geschadet und hätte auch den großartigen Luftaufnahmen nicht die Schau gestohlen. So sind es auch und vor allem die eindrucksvollen Drehorte, die „Glückssucher“ auszeichnen.
Im abschließenden vierten Fall „Schein und Sein“ (Roman: „Tote aus Papier“, OT: „Muertos de Papel“, 2000) wird es für Petra Delicato dann sehr persönlich. Der Mord an einem skrupellosen und unbeliebten Boulevard-Journalisten bringt Petra und Antonio eine Dienstreise nach Rom ein. In ihrer Heimatstadt wird Petra nicht von ihrer jüngeren Schwester abgelenkt, sondern auch mit ihrem ersten Ehemann konfrontiert. Nicola (Diego Ribon) ist immer noch erfolgreicher Anwalt und einer seiner prominenten Mandanten rückt bei Petras Ermittlungen in den Brennpunkt.

Ob als Opfer einer Erpressung, oder als Mörder, oder beides, lässt sich schwer herausfinden, da Nicola alles tut, um den Kontakt mit dem Verdächtigen zu verhindern. Außerdem beschwert sich Pessone, dass ihm Petra nicht Bericht erstattet und seine geheimen Ermittlungen dadurch behindert. Delicato und Monte werden von dem Fall abgezogen. Doch so leicht lässt sich die neue Inspektorin Petra Delicato nicht unterkriegen.

Auch in „Schein und Sein“ legen die Macher wieder mehr Wert auf Starke, charaktervolle Figuren und persönliches Drama als darauf Thriller-artige Spannung aufzubauen. Das Kalkül der Serie geht allmählich auf und Zuschauer:innen erkennen so langsam, wie sehr sich dieses Ermittlerteam von herkömmlichen TV-Polizisten unterscheidet und wo die Serie ihre Stäken und Qualitäten hat. Nicht umsonst ist die Roman-Reihe von Autorin Alicia Giménez Bartlett seit Jahren sehr beliebt. Auch die eigenwilligen, selbstgedrehte rauchende TV-Inspektorin Petra Delicato hat Charme und Potential.

In Sachen Spannung haben die Ermittlungen von Petra Delicato und Antonio Monte noch Luft nach oben. Das liegt auch daran, dass es den Machern eher um Charaktertiefe und starke Figurenzeichnung geht. Absonderlich sind die Verbrechen, die die ehemalige Rechtsanwältin aus dem Polizeiarchiv locken allemal, das entwickelt sein eigenes Tempo und seinen eigenen Charme selst wenn es bisweilen eher dramatisch als kriminalistisch zugeht.

Serien-Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

Mord in Genua – Ein Fall für Petra Delicato –Staffel 1
OT: Petra
Genre: TV-Serie, Krimi,
Länge: ca. 360 (4x 90 Minuten), I/D, 2020
Vorlage: Petra Delicado –Krimi-Reihe von Alicia Giménez Bartlett
Regie: Maria Sole Tognazzi
Darsteller:innen: Paola Cortellesi, Andrea Pennacchi, Antonio Zavatteri
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: ZDF Enterprises, Justbridge Entertainment
DVD-& BD-VÖ: 09.04.2021

Petra Delicato beim ZDF

Mord in Genua bei Justbridge Entertainment