Kin-dza-dza! Sandhaufen am Ende des Universums

Hierzulande bekommen die Zuschauer viel zu selten russische Filme zu sehen, dabei hat die ehemalige Sowjetunion eine reichhaltige Kinotradition, in der es vor großen Künstlern vor und Hinter der Kamera nur so wimmelt. Mit der absurden Sci-Fi-Komödie „Kin-dza-dza!“ erlebt nun ein russischer Kultfilm rund dreieinhalb Jahrzehnte nach Veröffentlichung endlich seine Deutschlandpremiere. Den kleinen Kinoverleih Dropout Cinema sei Dank und allen Fans des abseitigen Humors sei dieser Film empfohlen.

Bevor ich hier schlicht und ergreifend eine Film-Besprechung abreiße, stelle ich mal die Frage in den Raum, wieso das Filmgeschehen auch und gerade in den Kinosälen so einseitig ausgerichtet ist? Was war zuerst, das Huhn, oder das Ei? Der Publikumsgeschmack oder die westliche Nachkriegspropaganda. Marshallplan oder Quote für heimisches Kulturgut?

Gleichviel. Es ist ein Fakt, dass das Filmgeschehen in Deutschland sehr stark vom Angloamerikanischen Business geprägt ist. Was hierzulande in den Kinos läuft, kommt, sofern nicht aus eigener Produktion, häufig aus den USA, Großbritannien oder Frankreich. Gelegentlich schleicht sich etwas östliches in das Segment des Arthaus-Films, wahlweise mitgefördertes Filmschaffen aus ehemaligen Sowjet-Republiken. Da ist ein großer blinder Fleck, der auch damit zu tun hat, dass der Osten jahrzehntelang der Feind war, das verortete Böse.

Seltene Kinogäste aus dem Osten

So kommt nicht nur eine Generation, die mit dem Kalten Krieg aufgewachsen ist, in den Genuss einer absurden Sci-Fi-Komödie aus der UdSSR, sondern auch junge Menschen, die eventuell gar keinen Bezugsrahmen für diesen hinreißend eigenwilligen „Wüstenplaneten“ haben. Zur Beruhigung sei gesagt, dass „Kin-dza-dza!“ als Komödie großartig gealtert ist und ohne jedes Hintergrundwissen aus sich selbst heraus funktioniert und sehenswert ist. Nun kommt der Film in restaurierter Form ins Kino und sucht sein Publikum. Obwohl „Kin-dza-dza“ von 1986 ist, lief der Film nicht in der ehemaligen DDR und erlebt erst jetzt seine Deutschlandpremiere. Warum das so ist, darüber mag jeder selbst Vermutungen anstellen.

Im Grunde beginnt „Kin-dza-dza!“ mit einem klassischen Witz. Ein Mann geht mal eben aus dem Haus und kommt nicht wieder. Der Bauarbeiter Wladimir Nikolajewitsch (Stanislaw Lyubschin), Onkel Wowa, soll kurz noch Brot und Nudeln holen als er auf der Straße in Moskau von dem georgischen Studenten Gedewan (Levan Gabriadze), Geiger, gebeten wird, einem obdachlosen Zu helfen, der behauptet er wäre ein Außerirdischer.

Bevor der Mann sich erklären kann, hat Onkel Wowa schon auf dem Gerät, das auf keinen Fall ein intergalaktische Teleporter sein kann, herumgedrückt und nun befinden sich Wowa und Gedewan irgendwo in einer endlosen Wüste. Onkel Wowa ist ein Pragmatiker, wähnt sich in der zentralasiatischen Karakum-wüste und will sich sogleich in Richtung Moskau auf den Weg machen. Irgendwann wird schon eine Straße, eine Siedlung oder ein Wanderer auftauchen, der weiterhelfen kann.

„Es gibt Sonne. Es gibt Sand. Es gibt Gravitation. Wird sind also auf der Erde!“ (Onkel Wowa)

Als dann ein seltsames Fluggerät auftaucht, dessen Insassen ein unverständliches Kauderwelsch sprechen, wähnt sich Wowa im kapitalistischen Ausland. Wie sich herausstellt, sind die beiden Sowjetbürger auf dem Planeten Plük gelandet, der nur aus Wüste besteht. Hier sind Streichholzer ein enormer Reichtum und die Bewohner des Planeten, die sich in herrschende Tschatlanen und untergeordnete Patsaken, die eine Glocke in der Nase tragen müssen, aufteilen. Beiden ist es auf telepathischem Weg möglich die Sprache der Neulinge zu erlernen, was denen aber kaum weiterhilft, weil sich die Sprache auf Plük anders entwickelt hat als auf der Erde. Nun sind die beiden Erdlinge damit beschäftigt zurück zu ihrem Heimatplaneten zu gelangen. Das verlangt einiges an erstaunlichen Geschäften, seltsamen Allianzen und verwirrenden Begegnungen.

Im Grunde kultiviert der georgische Regisseur Georgi Danelija, der zu den Meistern der russischen Komödie gezählt wird, einen absurden Humor, der sich irgendwo zwischen Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“ und Samuel Becketts „Warten auf Godot“ bewegt. Angereichert mit einem quasi postapokalyptischen Setting wirkt „Kin-dza-dza!“ wie eine trashige Mischung aus „Mad Max“ und „Dune – Der Wüstenplanet“. Wer sich in dem solcherart vermessenen Weltraumhumor wohl fühlt, ist mit der frisch gebliebene Komödie ganz wunderbar bedient.

Ganz bestimmt entstand „Kin-dza-dza!“ in Zeiten sowjetischer Perestrojka auch als Gesellschaftsatire und wer daran Freude findet, darf Rätseln oder Herausfinden welche gesellschaftlichen Missstände Danelija und sein Co-Autor Revas Gabriadse wohl zuspitzen wollten. Es ist schließlich kein Geheimnis dass sich Gesellschaftskritik in den restriktiven und zur Zensur neigenden Gesellschaften häufig in einer Art Phantastik versteckt.

„Einen Planeten, der keine Hosenfarben unterschiedet, hat keine Ziele!“ (Bee)

Verglichen mit den Verfilmungen von Douglas Adams galaktischem Roadtrip „Per Anhalter durch die Galaxis“, sowohl als BBC-Serie (1981) als auch als Film (2005), macht „Kin-dza-dza“ eine erstaunlich gute Figur, ist sogar die bessere, stimmigere Visualisierung kosmischen Humors ohne viele Schnörkel. Und am Ende reiht sich „Kin-dza-dza“!“ doch wieder in die russische Filmtradition ein, in der auch Alexander Germans Sci-Fi-Verfilmung „Es ist schwer ein Gott zu sein“ ihre ganz erdverbunden Haftung findet, nämlich in der schlichten Darstellung der Sichtbaren und der damit ermöglichten vielschichtigen Interpretationsoffenheit. Auch so geht Kino, indem in Denken Freiräume ermöglicht werden.

Doch Zuschauer:innen müssen sich nicht mit solcherlei historisch-politischer Dimension abmühen, denn „Kin-dza-dza“ bleibt eine erstaunlich frische Sci-Fi Komödie, die mit ihren trashigen visuellen Effekten sogar noch aus der Zeit gefallener wirkt als ohnehin schon. Die Bewohner des Planeten Plük verständigen sich mittels eines Einwort–Dialogs, der sehr an das redende Bäumchen aus „Guardians of The Galaxy“ erinnert. Zwischen „Ku“ und „Groot“ liegen nur wenige Knurrlaute. Übersetzung braucht es in beiden Fällen.

Eigentlich ist es beschämend, dass die großartige, zeitlose Sci-Fi-Komödie „Kin-dza-dza!“ erst nach rund fünfunddreißig Jahren hierzulande in die Kinos kommt. Umso schöner ist es zu erleben, dass die absurde Komödie überdauert hat und nichts von ihrem sowjetischen Kult-Charme verloren hat. Ku? Ku!

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Kin-dza-dza!
OT: Kin-dza-dza!
Genre: Science-Fiction, Kömodie,
Länge: 132 Minuten, UdSSR, 1986
Regie: Georgi Danelija
Darsteller: Stanislaw Lyubshin, Levan Gabriadze,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Drop-out cinema
Kinostart: 10.09.2020

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