Skandinavische Thriller-Serien, so genannte „Nordic Noir“-Formate, sind im Genre der TV-Krimiunterhaltung allgegenwärtig. Die Serie „Hanna Svensson – Blutsbande“, die im ZDF jüngst als Sonntagskrimi-Serie ausgestrahlt wurde, beschäftigt sich auf besondere Weise mit dem organisierten Verbrechen. Ohne es zu ahnen, versuchen eine Mutter und ihr zerstrittener Sohn unabhängig voneinander einem kriminellen Clan das Handwerk zu legen. Eine spannende Ausgangslage für ausdauernden Nervenkitzel. Edel Motion veröffentlicht die Serie nun auf DVD und Blu-ray für das klassische Home-Entertainment.
Hanna Svensson (Marie Richardson) ist eine konsequente Polizistin. Vor zwei Jahren hat sie ihren Drogen dealenden Sohn Christian (Adam Pålsson) verhaften lassen. Doch für Hanna läuft nicht alles rund. Sie ist aus der Abteilung für organisiertes Verbrechen zur Wirtschaftskriminalität versetzt worden. Die geschiedene Frau hat ein Verhältnis mit ihrem verheirateten Kollegen Sven und Hannas Sohn, der gerade aus dem Knast gekommen ist, will von seiner Mutter nichts mehr wissen.
Dann wird Sven entführt und die Suche nach dem Polizisten bietet Hanna die Chance, wieder mit ihrer alten Abteilung zu arbeiten. Doch deren Chefin Tina (Sofia Ledarp) ist ebenso skeptisch wie Kollege Björn (Markus Krepper), der sowieso am liebsten allein ermittelt. Bei der Suche nach dem entführten Kollegen geraten die rivalisierenden Motorrad-Gangs „Mobsters“ und „Delincuentos“ ins Visier der Polizei. In deren Bandenkrieg war jüngst die Ehefrau des Mobsters-Präsidenten erschossen worden.
Vom Tellerwäscher zum Spitzel
Hanna findet zudem heraus, dass Sven eine Informantin in die kroatischen Mafiafamilie Mimica eingeschleust hat. Die Informantin „Inez“ weiß noch nichts von der Entführung ihres Polizeikontaktes und Hanna versucht, die Quelle zu nutzen. Die Mimicas scheinen eine große Aktion zu planen, um ihren Machtbereich auszuweiten. Um die Informantin zu schützen, entschließen sich Hanna, Björn und Tina, diese Spur vor den Kollegen zu verbergen. Ohne es zu wissen, bringt Hanna dabei ihren Sohn Christian (Adam Pålsson aus“Die Brücke 3″) in Gefahr, der als Tellerwäscher im Restaurant der Mimicas arbeitet und Svens geheimer Informant ist.
In Schweden sorgte das Serienformat „Hanna Svensson – Blutsbande“ für traumhafte Einschaltquoten. Dort hatten die Zuschauer allerdings auch nicht mit der irritierenden deutschen Serienbetitelung zu kämpfen, die aus „Innan Vi Dör“ („Bevor wir sterben“) einen personalisierte Krimiserie macht, wie man das hierzulande von skandinavischen TV-Krimis wie „Kommissar Beck“, „Annika Benktzon“, Kommissar Wallander“ und ähnlichen gewohnt ist.
„Operation Krajina“
Auch der deutsche Zusatztitel „Blutsbande“, den das koproduzierende ZDF ausgewählt hat, ist nicht gerade ein Alleinstellungsmerkmal, denn mit jener schwedischen Familien-Drama-Serie „Blutsbande“, die auch noch aus der Feder von „Hanna Svensson“-Autor Niklas Rockström stammt, hat die Thriller-Serie nun überhaupt nichts zu tun. Aber das nur zur Aufklärung eventueller Namensverwirrung. Wie üblich werden die 10 einstündigen Folgen der Serie im ZDF als spielfilmlange Doppelfolgen ausgestrahlt. Auf DVD und Blu-ray sind aber die originalen Einzelfolgen zu sehen.
Nun aber endlich ans Eingemachte, an den Inhalt der schwedischen Thriller-Serie. In deren Zentrum steht eine ebenso toughe wie prinzipientreue Polizistin, die ihre Konsequenz wie einen Schutzschild vor sich her trägt und daher die Beziehung zu ihrem erwachsenen Sohn verliert. Die zerrüttete Mutter-Sohn-Beziehung ohne jedes Vertrauensverhältnis führt den Zuschauer durch die ersten eher schleppenden Folgen der Serie. Denn anders als Protagonistin Hanna weiß der Zuschauer ziemlich bald, dass Informantin „Inez“, tatsächlich ihr Sohn Christian ist.
Um diesem dramatischen Kern lässt sich eine veritable Geschichte über organisierte Kriminalität, Machtkämpfe im Drogenmilieu und die Parallelwelt der eingewanderten Großfamilien erzählen. In „Hanna Svensson“ sind die Mimicas zwar Bürgerkriegsflüchtlinge aus Kroatien, doch die so genannte Clan-Kriminalität , die sich in vielen europäischen Städten ausgebreitet hat, stellt durchaus einen aktuellen und gesellschaftsrelevanten Bezug zur Gegenwart her.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
„Hanna Svensson – Blutsbande“ bleibt aber vor allem ein Thriller-Format mit hohem Dramaanteil. Alle Figuren sind gut besetzt und die parallel montierten Familienbande der Svenssons und der Mimicas bieten ein starkes Grundgerüst. Dabei ist Davor Mimica (Alexej Manvelov aus „Jordskott“ und demnächst in „Stockholm Requiem“ zu sehen), das Oberhaupt der Mimicas, durchaus ein charmanter und charismatischer Gegenpart für die widerborstige, verschlossene Polizistin Hanna.
Hanna Svensson ist auf den ersten Blick alles andere als eine liebenswerte Person. Marie Richardson, die unter anderem aus „GSI –Spezialeinheit Göteborg“ und „Verdict Revised – Unschuldig verurteilt“ bekannt ist, spielt stark auf. Was man vielen ihren grantelnden, asozialen, männlichen TV-Kommissars-Kollegen zubilligt, führt bei der älteren Frau zu deutlich stärkerer Ablehnung. Im Grunde macht das die Figur jedoch noch stärker.
Die schwedische Thriller-Serie „Hanna Svensson – Blutsbande“ hat viele Qualitäten und schafft es, die Spannung immer weiter zu steigern. Modernisierte Anleihen an „Der Pate“ bleiben nicht aus, wobei die kroatische Familie eher Ähnlichkeiten zur Russenmafia im Dominik Grafs Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ (2010) hat und das Biker-Milieu in „Sons of Anarchy“ deutlich knackiger portraitiert wurde. Und ohne zuviel zu verraten, kann man erwähnen, dass auch die Mimicas ihren Spitzel bei der Polizei eingeschleust haben. Dieses doppelbödige Spiel kennt man von Martin Scorseses Oscar-prämierten Thriller-Drama „The Departed“ (2006), der auch wenig mehr ist als ein Remake des grandiosen japanischen Thrillers „Internal Affairs – Die achte Hölle“ (2002). Nun also übersetzt „Hanna Svensson“ das gegenseitige Bespitzeln ins moderne Schweden.
Abnutzungskampf gegen das Verbrechen
Der Krieg gegen das Verbrechen ist immer auch ein Abnutzungskampf wie dem Zuschauer auch in „Hanna Svensson“ vor Augen geführt wird. Hier laufen etliche Ermittlungsspuren ins Leere, viele Schreibtischszenen zeigen den polizeilichen Arbeitsalltag wie man das schon hundertfach gesehen hat. Und gerade zu Beginn der Serie, wenn es darum geht, die Figuren zu etablieren, bekleckert sich „Hanna Svensson“ nicht mit Ruhm.
Zumindest die ersten beiden Folgen sind doch sehr mühselig und getragen von erwarteten, weil bekannten Dialogen, Floskeln und Reaktionen. Hier vertrauen die Serienmacher vielleicht ein wenig zu sehr auf Qualität ihrer Serienidee, die sich erst später zeigt. Bleibt zu hoffen, dass angesichts der großen Serien-Konkurrenz auf dem Krimi-Sektor nicht zuviele Zuschauer zu früh abspringen; sie könnten etwas verpassen. Immerhin scheint aber eine zweite Staffel in Planung zu sein. Aber keine Panik, der Handlungsbogen in der ersten Staffel von „Hanna Svensson – Blutsbande“ ist abgeschlossen.
Nach ziemlich herkömmlichen Auftakt entwickelt sich die schwedische Thriller-Serie „Hanna Svensson – Blutsbande“ zu einem spannenden Katz-und Maus-Spiel zwischen Familienclan und Polizei, wobei die jeweiligen Spitzel für Bedrohung und für Hochspannung sorgen. Die intelligente Story hilft auch über einige Längen und klischeehaften Szenen hinweg.
Serien-Wertung: (7 / 10)
Hanna Svensson – Blutsbande – Staffel 1
OT: Innan Vi Dör
Genre: TV-Serie, Thriller, Krimi,
Länge: 585 Minuten, 10 x ca 58 Minuten, S7D, 2017
Idee: Niklas Rockström, Wilhelm Behrman,
Regie: Simon Kaijser, Kristian Petri, et al.
Darsteller: Marie Richardson, Markus Krepper, Alexej Manvelov, Adam Pålsson
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion, ZDF Enterprises
DVD-& BD-VÖ: 22.03.2019
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