Seit TV-Serien das neue Kino sind, sich jederman zum Binge Watching vor den Stream klemmt und beinahe im Wochenabstand neue – angeblich spektakuläre – Serien auf den Markt kommen, ist es absolut unmöglich den Überblick zu behalten und die Highlights herauszufischen. Bei uns in Deutschland kommen die Serien dann auch immer noch mit einiger Verspätung auf den Markt; vor allem, wenn die Serien zuvor bei Streaming-Diensten gelaufen sind. Nun hat Justbridge Entertainment die erste Staffel der turbulenten Western-Horror-Action-Serie um die Erbin des berühmten Westernhelden Wyatt Earp veröffentlicht: Die erste Staffel von „Wynonna Earp“ rockt ziemlich.
Wynonna Earp ist die Urenkelin von Wyatt Earp, dem berühmtesten Gesetzeshüter im Wilden Westen. Gerade rechtzeitig zu ihrem 27. Geburtstag kehrt die unangepasst, toughe Wynonna (Melanie Scrofano) zurück in ihre Heimatstadt Purgatory. Die scheinbar verschlafene Kleinstadt im so genannten „Ghost River Dreieck“ hat außer einer netten Kneipe, die immer noch aussieht wie der Saloon, in dem Wyatt Earp einst seine Drinks schluckte, eigentlich wenig zu bieten und zieht gelegentlich einige nostalgische Wild West – Touristen an.
Wynonna kehrt nach Purgatory zurück, weil ihr Onkel gestorben ist. Ihre Tante betreibt weiter die Kneipe und Wynonnas kleine Schwester Waverly (Dominique Provost-Chalkley) arbeitet dort. In Purgatory ist Wynonna aber nicht gerade willkommen. Dann allerdings tauchen Dämonen in der Stadt auf und nur Wynonna Earp ist die einzige Hoffnung für die Kleinstadt, nicht überrannt zu werden.
Die Rückkehr
Außer Wynonna scheint nur der undurchsichtige Bundes-Agent Dolls (Shamier Anderson) noch zu verstehen, was in Purgatory vor sich geht, und er stellt sich auf Wynonnas Seite. Dolls macht die Earp-Erbin zu seinem Hilfssheriff in der „Black Badge Division“, einer Sonderabteilung, die sich mit übernatürlichen Phänomenen befasst.
Die Ursprünge
Die unterhaltsame TV-Serie „Wynonna Earp“ basiert auf den gleichnamigen Comics von Beau Smith, der seit den 1990ern drei abgeschlossenen Miniserien über die revolverschwingende, übersinnliche Gesetzeshüterin geschrieben hat. Seit die TV-Serie 2016 mit großem Erfolg ausgestrahlt wurde, gibt es auch weitere begleitende Comics. Allerdings sind die „Wynona Earp“ Comics meines Wissens noch nicht auf Deutsch erschienen. Aber zurück zur TV-Serie: Serien-Mastermind Emily Andras („Lost Girl“, „Killjoys“) hat „Wynona Earp“ für die TV-Sender Syfi (USA) und CHCH-DT (Kanada) nicht nur produziert, sondern auch als Autorin umgesetzt. Inzwischen wurde bereits die dritte Staffel ausgestrahlt und die vierte ist in Arbeit.
Der Fluch
Ausgangspunkt der gesamten Handlung ist in der ersten Staffel von „Wynonna Earp“ ein Fluch, der auf Wyatt Earp zurückgeht. Alle 77 Bösewichte, die der Gesetzeshüter einst mit seinem legendären Colt Peacemaker ins Jenseits befördert, sind dazu verdammt, immer wiedergeboren zu werden und sie können nur mit eben jenen Peacemaker getötet werden. Zudem sind diese Wiedergänger in dem „Ghost River Dreieck“ gefangen. Sobald der älteste Earp-Nachfahre seiner Generation 27 wird, hat er (oder sie) die Macht die Dämonen mit dem Peacemaker zu töten. Sollte der verfluchte Nachfahre alle 77 schaffen, wäre der Fluch aufgehoben.
Eigentlich lag der Familienfluch auch nicht auf Wynonna, sondern auf ihrer älteren Schwester Willa Earp, doch die wurde in Wynonnas Kindheit bei einem Angriff der Dämonen auf das Earp Anwesen getötet. Bei der Gelegenheit hat die junge Wynonna auch versehentlich ihren Vater erschossen.
Der Peacemaker
Soviel also zu dem Setting der TV-Serie, die auf einen knackigen Genre-Mix setzt. Seit „Buffy – Im Bann der Dämonen“ (OT: Buffy the Vampire Slayer“) ist es eigentlich nichts Neues mehr, übersinnliche Grusel-und Horror-Motive mit einer „Comig of Age“-Geschichte und einer Menge Girl-Power zu mischen. Und auch diverse Filme haben das Western-Genre mit dem Horrorfilm oder dem Fantastischen vermengt, um einen neuen Ansatz zu bekommen, beispielsweise „Cowboys & Aliens“ (2011) oder „Abraham Lincoln: Vampirjäger“ (2012). Richtig überzeugen waren diese beiden Comic- bzw. Romanadaptionen allerdings nicht, vor allem wohl deshalb, weil sie sich zu ernst nahmen.
Der Spaß
Es ist vor allem der lässige, selbstironische Erählton der TV-Serie „Wynonna Earp“ der so überzeugend rüberkommt. Die Titelheldin ist eine ganz schön abgezockte, knallharte junge Frau, die den Kerlen auch gerne mal zeigt, wo der Hammer hängt. Dabei erwischt sich Wynonna allerdings immer wieder selbst, wie sie hinter ihrer „Bad Ass“ –Attitüde peinliche Auftritte hinlegt, die ihrem harten Image absolut nicht guttun. Aber gerade dass, die Heldin so fehlbar ist und darum weiß, macht ihren Charme aus.
Die bösen Büben
Fast alle der verfluchten Gauner, der so genannten Wiedergänger, sind in der Biker-Gang von Bobo Del Ray (Michael Eklund), der in einem abgelegenen Trailer-Park seinen Machtbereich ausbaut und seine eigenen Pläne schmiedet, um endlich aus dem Fluch auszubrechen. Aber es geht nicht nur um den Showdown zwischen Gauner und Gesetzeshüter, sondern auch um diverse Nebenhandlungen, die mit dem Fluch in Verbindung stehen. Die einzelnen Episoden sind in ihrer Grundhandlung, zumeist dem Ausschalten eines bestimmten Dämons, jeweils abgeschlossen (bis auf das Staffelfinale, dass sich über zwei Episoden erstreckt) aber es gibt übergeordnete Handlungsfäden und Motive, die sich – wie das heutzutage bei guten TV-Serien üblich ist – durch die gesamte 13-Folgen umspannende Auftakt-Staffel ziehen.
Die Frauen-Power
Sehr modern, zeitgemäß und emanzipiert angelegt, stehen in „Wynonna Earp“ die Frauenfiguren im Mittelpunkt, neben Wynonna und ihren Schwestern vor allem auch die böse Steinhexe, die nicht nur dafür verantwortlich ist, dass Wyatt Earps alter Freund Doc Holiday (Tim Rozon) in dem Kaff Purgatory auftaucht, sondern auch ihr eigenes Süppchen kocht. Dass der Doc in Purgatory vorstellig wird, sorgt zudem dafür, dass sich Wynonna nun mit zwei potentiellen Verbündeten und zwei „Love Interests“, wie das neudeutsch so schön heißt, auseinandersetzen muss. So richtig romantisch kann die Earp-Erbin aufgrund ihrer schnodderigen Art zwar nicht sein, aber die Beziehungskonstellationen sorgen in der ersten Staffel schon für eine unterhaltsame weitere Ebene.
Böse Seelen brennen länger
Zugegeben: die erste Folge von „Wynonna Earp“ hat mich nicht eben umgehauen, im Gegenteil, die Dialoge wirkten noch etwas aufgesetzt, die Figuren hatten ihre Platz noch nicht gefunden und man wusste noch nicht, wohin der Hase läuft. Aber spätestens mit der dritten Folge, in der Wynonna ein dämonisches Ritual vereiteln muss, ist der Genre-Mix aus „Horror, modernem Western und Girl-Power“ bei sich selbst angekommen. Anschließend gelingt es den Serienmachern immer wieder überraschende Wendungen und neue Elemente einzubringen und „Wynonna Earp“ eine ganz eigene und auch lustige Handschrift zu verpassen.
Hinzu kommt, dass auch das Produktionsdesign überzeugt und die Spezialeffekte im Rahmen eines TV-Bugets durchaus gut gelungen sind. Die Schauwerte sind effektiv eingesetzt, sparen auch nicht mit Dämonenblut und Höllenfeuer, (ohne allzu derbe zu werden) und bedienen damit die Genre-Ansprüche sehr souverän.
Die moderne Western-Horror-Serie „Wynonna Earp“ macht einfach Spaß. Sicher ist das Serienformat mit der toughen Heldin vor allem für eine jüngere und weibliche Zuschauerschaft konzipiert, aber gerade weil die Serie so selbstbewusst mit dem Girlie-Image kokettiert, geht die Serie weit darüber hinaus und schafft damit sogar ziemlich emanzipierte Role-Models. Es sollte mich wundern, wenn „Wynonna Earp“ nicht auch bei uns ein Hit wird. Mehr davon!
Serien-Wertung: (7,5 / 10)
Wynonna Earp Staffel 1
OT: Wynonna Earp Season 1
Genre: TV-Serie, Horror, Western,
Länge: 574 Minuten (13 x 43 Min. + Bonus)
Idee: Emily Andras
Vorlage: Comic „Wynonna Earp“ von Beau Smith
Regie: Paolo Barzman, ron Murphy, et al.
Darsteller: Melanie Scofano, Dominique Provost-Chalkley, Tim Rozon, Shamier Anderson
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Justbridge Entertainment
DVD- & BD_VÖ: 11.01.2019