Anlässlich des Kinostarts von Wolfgang Fischers aktuellem Film „Styx“ habe ich nochmal die Besprechung zu „Was du nicht siehst“ herausgekramt. Seinerzeit war ich – wie auch heute optimalerweise – total unbelastet bei der Sichtung. Denn es hat Vorteile, wenn man komplett unvorbereitet in einen Film geht, und nicht einmal grob weiß, was da kommen wird. Das Überraschungsmoment hatte „Was du nicht siehst“ damals also schon mal auf seiner Seite. Außerdem bekommt man (immer noch ) selten Mystery-Thriller aus heimischen Gefilden zu sehen.
Fischers Langfilmerstling brauchte sich beim deutschen Kinostart 2011 nicht vor der Konkurrenz zu verstecken. Fragte sich, warum „Was du nicht siehst“ so lange brauchte, um in die Kinos zu kommen? Bereits im Herbst 2009 lief der Film auf Festivals in Montreal und in Hof und konnte beim Publikum Gefallen finden.
Der 17-jährige Anton (Ludwig Trepte) fährt mit seiner Mutter und deren neuem Lebensgefährten Paul in Urlaub. An der Atlantikküste in der Bretagne haben die drei ein Ferienhaus gemietet. Anton hat den Unfalltod seines Vaters noch immer nicht verwunden und das Meer jagt ihm Angst ein. Weil der Junge auf ein Internat geht, ist der Urlaub auch dazu gedacht, dass Anton und Paul sich näher kennenlernen.
Doch schon auf der Anreise gibt sich Anton schweigsam und verschlossen, während Paul immer wieder von seiner Arbeit an der Erholung gehindert wird. Als Anton auf einem Spaziergang einem der Nachbarhäuser näher kommt, trifft er dort auf David (Frederick Lau) und Katja (Alice Dwyer). Von den beiden Altersgenossen geht eine seltsame Faszination aus; vor allem, da sie alleine in dem Ferienhaus wohnen und machen, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Allmählich wird die Atmosphäre bedrohlich und heizt sich auf. Vor allem David manipuliert Anton und zeigt eine gewalttätige Ader. Dann verschwindet Pauls Hund plötzlich…
„Was du nicht siehst“ startet mit einer typischen dramatischen Konstellation, in der der aufwachsende Sohn den Tod der väterlichen Bezugsperson nicht verwinden kann und sich nun mit einer neuen Beziehung der Mutter arrangieren muss, doch Regisseur Wolfgang Fischer gelingt es die Atmosphäre langsam und stimmungsvoll aufzubauen. Ebenso schleichend wie sich die Urlaubsatmosphäre von aufgestauter Aggression beherrscht wird, kommen seltsame Geschehnisse hinzu und aus dem Drama des Verlustes, des ersten sexuellen Erwachens und des Aufwachsens wird ein handfester Psychothriller.
„Was du nicht siehst“ hat internationales Format (ja, damals musste man darauf noch hinweisen) und muss sich nicht hinter neueren amerikanischen Beiträgen zum Thema Mystery-Thriller verstecken. Im Gegenteil, gerade das dramatische Potential kommt dem Film zu Gute und hebt ihn aus der Masse heraus. Das ist niveauvoll und nicht auf den plumpen Schockeffekt ausgerichtet. Der Effekt beim Zuschauer ist umso nachhaltiger.
Die Besetzung ist vor allem mit den drei großartigen Darstellern der jugendlichen Figuren extrem gelungen und um das deutsche Kino muss einem nicht bange sein. Dennoch bleibt die Eingangsfrage, wieso der Film fast zwei Jahre brauchte um einen einheimischen Verleih zu finden. An der Qualität kann es nicht liegen, wohl eher am Mut der Verleiher.
„Was du nicht siehst“ erfindet das Genre des Mystery-Thrillers nicht neu, spielt aber überzeugend nach den Regeln des Spiels und bekommt durch die dramatische Ausgangslage ein ganz andere Tiefe, als der übliche Gruselfilm je erreichen kann.
Film-Wertung: (7 / 10)
Was du nicht siehst
Genre: Drama, Thriller, Mystery
Länge: 82 Minuten, D, 2009
Regie: Wolfgang Fischer
Darsteller: Ludwig Trepte, Alice Dwyer , Frederic Lau
Vertrieb: Alive , W-Film
Kinostart: 07.07.2011
DVD-VÖ: 23.02.2012
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