Sucker Punch: Tanz für die Teufel

Das vermeintliche Sommerloch in Sachen Kino werde ich auf diesen Seiten mit der Vertiefung des DC Extended Universe füllen – und mit anderen Filmvorstellungen, die über die Jahre hier irgendwie zu wenig Beachtung bekommen haben. Den Auftakt macht Zack Snyders „Sucker Punch“. Snyder ist bei Warner beziehungsweise DC ja als kreativer Kopf für die Ausgestaltung des DC Extended Universe zuständig. Es ist also durchaus interessant, sich mit Snyders Filmschaffen zu beschäftigen. Der Bildersturm „Sucker Punch“ hat schon zum Kinostart 2011 die Geister gespalten. Das ändert sich auch nicht mit der Home-Entertainment Veröffentlichung des Extended Cut auf Blu-ray. Und selbst nach mehrmaligem Genuss bleibt „Sucker Punch“ zwiespältig: genial und grottig zugleich. Das liegt vielleicht daran, dass „Sucker Punch“ eigentlich kein Film ist, sondern funktioniert wie ein Game.

Aber der Reihe nach: Die Story in „Sucker Puch“ ist schnell umrissen: Nach dem Tod der Mutter bleibt Baby Doll (Emily Browning) mit ihrer jüngeren Schwester beim Stiefvater zurück. Durch ihre Auflehnung gegen den Erziehungsberechtigten kommt ihre Schwester zu Tode und Baby Doll wird in eine Anstalt gesteckt. Dort müssen sich die jungen, weiblichen Insassen allerhand Drangsalierungen gefallen lassen, denn der Pfleger Blue (Oscar Isaac) spielt seine Macht gnadenlos aus, während die Anstaltspsychologin Doktor Vera Gorski (Carla Gugino) davon nichts mitbekommt. Baby Doll muss schnellstmöglich fliehen.

Der Schlüssel, um zu entkommen, liegt in der Fantasie. Baby Doll und ihre Gefährtinnen Sweat Pea (Abbie Cornish), Rocket (Jena Malone), Blondie (Vanessa Hudgens) und Amber (Jamie Chung) müssen in martialischen Fantasiewelten fünf Aufgaben erledigen, um ihrem Schicksal zu entrinnen. Hilfe bekommen die Girls dabei von einem weisen Mann (Scott Glenn). Und sie müssen sich beeilen, denn als Ultima Ratio der Behandlung wird der High Roller gerufen, der die Patientinnen lobotomisiert.

Auf einer weiteren Erzählebene entpuppt sich die Anstalt als Varieté-Theater unter Blues tyrannischer Leitung, in dem die Girls sich auch prostituieren müssen. Der Tanzunterricht ist wichtiger Bestandteil der täglichen Arbeit. Und während Baby Doll tanzt, eröffnet sich das Tor zur Fantasiewelt, in der sie alles erreichen kann. Dort müssen die Mädchen actiongelandene Missionen erfüllen und diese haben direkte Auswirkungen auf ihr tatsächliches Dasein in der Anstalt.

Das mag sich viel wirrer anhören, als es im Film wirkt. Zack Snyder („300“, „Watchmen“), der auch die Story für „Sucker Punch“ entwickelte, fügt alles zu einem stimmigen und funktionierenden Ganzen zusammen; freilich nach eigenen Regeln und Maßstäben. Dafür hat Snyder viel Häme und Kritik einstecken müssen, die im Wesentlichen darauf hinauslief, dass der Regisseur zwar genial Action inszeniert, aber die Story nichts taugt.

Das ist so aber nicht haltbar: Die Geschichte ist zwar simpel, aber nicht das Manko des Films. Die Verknüpfung der Realitätsebenen funktioniert schlüssig und auch das darunterliegende Prinzip der Realitätsflucht als Verdrängungsmechanismus ist nachvollziehbar. Die Actionsequenzen sind von erschlagender Bildmächtigkeit und ja, Snyder zeigt, was er technisch drauf hat: Stop Motion, beschleunigten Bildlauf nach langen Zeitlupensequenzen, intensive Kameraführung, standbildhaftes Erzählen und, und, und. Wenn man dabei auf eine CGI-Flatrate zurückgreifen kann, ist alles möglich. Das Ganze ist mit einem grandiosen Soundtrack unterlegt, der dadurch einen besonderen Kick bekommt, dass viele der heftig rockenden Songs von den Schauspielerinnen eingesungen wurden, großteils sind das mitreißende Cover-Versionen.

Hört sich also alles grandios an für den Überraschungsschlag, den „Sucker Punch“. Wäre da nicht diese emotionale Leere, die sich nicht nur durch das Erschlagen werden mit monströsen Actionszenen erklärt. Weil Snyder seine Girlies derart abstrakt als quasi namen- und identitätslose GoGo-Tänzerinnen inszeniert, kommt der Zuschauer gar nicht erst auf die Idee, das Filmgeschehen gefühlsmäßig an sich heran zu lassen. Natürlich wollen wir, dass die Mädels ihrem bösen Schicksal entkommen, das war’s dann aber auch schon. Für mehr Mitgefühl sind die Charaktere zu oberflächlich und plakativ.

„Sucker Punch“ erklärt sich besser, wen man den Film als Computerspiel begreift. Er folgt den gleichen Mechanismen und Regeln wie ein Blockbuster der Spielebranche: Simple Rahmenhandlung, verschiedene Level, die es zu bewältigen gibt, massenweise Combat-Sequenzen, wahlweise gegen übermächtige Gegner sowie für die vorwiegend männliche Zielgruppe noch ein paar knackige, kurzberockte Girlies – und nach erfolgreicher Mission fühlt man sich einfach nur noch leer. Dabei hat der Zuschauer nicht mal selbst geballert oder das Samuraischwert geschwungen. Für Filmschaffende ist dies Art von „Crossover“ legitim und künstlerisch herausfordernd, Zack Snyder erledigt das mit stilistischer Bravour, einer stimmigen Besetzung und gnadenlos cooler Musik. Aber ein Film ist „Sucher Punch“ nicht.

Ach ja, der Extended Cut, der nur auf Blu-ray veröffentlicht wird: Die 17 zusätzlichen, voll synchronisierten Filmminuten fließen hauptsächlich in eine Szene, in der Baby Doll endlich dem High Roller begegnet. Das gibt dem Ganzen eine zusätzliche Tiefe, verändert den Film und dessen Aussage aber nicht weiter. Einige der Actionsequenzen sind außerdem etwas länger ausgefallen. Wahrscheinlich wird auch hier das Urteil wieder gespalten ausfallen: die einen halten die Verlängerung für genial, die anderen für überflüssig.

Eine ziemlich eigene Bildspprache musste man Regisseur Zack Snyder schon in „300“ und „Watchmen“ zugestehen. Das alleine macht aber nicht immer einen gelungenen Film. Fans, die Zack Sniders Monumental-Actionspektakel „Sucker Punch“ schon im Kino vergöttert haben, werden auch den Extended Cut grandios finden.

Film-Wertung:  7 out of 10 stars (7 / 10)

Sucker Punch
OT: Sucker Punch
Genre: Action, Fantasy,
Länge: 110 Minuten (Kino-Version), 127 Minuten (Extended Cut), USA, 2011
Regisseur: Zack Snyder
Darsteller: Emily Browning, Abbie Cornish, Jena Malone, Vanessa Hudgens, Jamie Chung
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Vertrieb: Warner Home Video
Kinostart: 31.03.2011
DVD- & BD-VÖ: 02.03.2012