Neuer deutscher Horrorfilm – Teil 4: Wir sind die Nacht – Blutrausch in Berlin

Vampirfilme sollten in Deutschland eigentlich Tradition haben, schließlich brachte F.W. Murnau mit „Nosferatu“ den ersten Blutsauger auf die Leinwand. Ganz so grandios ist „Wir sind die Nacht“ – neunzig Jahre und Hunderte von Vampirfilmen später – nicht geworden, aber die weibliche Vampir-Clique, die Berlin des Nachts aussaugt, rockt die Leinwand zeitgemäß, emanzipiert und bissig.

Die junge Lena (Karoline Herfurth) lebt, ziemlich verlottert, mit ihrer Mutter in einer Sozialwohnung, hat einige Vorstrafen und hält sich mit Gaunereien über Wasser. Als sie einen russischen Zuhälter am EC-Automaten abzocken will, gerät sie zufällig mitten in eine Polizeiaktion. Kommissar Tom Serner (Max Riemelt) macht sich an die Verfolgung und hätte Lena fast erwischt – fast. Immerhin kommen sich die beiden nahe genug, um sich attraktiv zu finden.

Ein paar Nächte später geht Lena in einem hippen Berliner Nachtclub auf Fischzug und die Clubbesitzerin Luise (Nina Hoss) wirft ein Auge auf die junge Streunerin. Luise ist eine Vampirin und seit Ewigkeiten auf der Suche nach Begleitung. Als sie Lena beißt, weiß diese kaum, wie ihr geschieht, bis sie am nächsten Morgen die Sonne meiden muss.

Nach anfänglichem ungläubigen Staunen und einem eher deftigen Willkommensgruß lässt sich Lena auf ihr neues Leben als Vampirin ein und zieht mit Luise, Charlotte und Nora durch das Berliner Nachtleben und den Jet-Set der Stadt. Immer auf der Suche nach Spaß, dem ultimativen Kick und selbstredend Blut.

„Menschen gehen so schrecklich schnell kaputt.“

Doch die Vampir-Ladies werden unvorsichtig. Durch eine Reihe Mysteriöser Todesfälle kommt ihnen die Polizei auf die Spur und Tom wieder in Kontakt zu Lena. Außerdem hält – abseits der Nahrungsbeschaffung -auch ewiges Leben seine Tücken bereit und das Zusammenleben der Blutsaugerinnen ist nicht ohne Probleme.

„Wir sind die Nacht“ wirft vielleicht kein neues Licht auf ein strapaziertes Genre, weiß sich aber in jeder Hinsicht souverän zu behaupten. Berlin funktioniert als Kulisse prächtig mit seinem urbanen und gleichzeitig maroden Charme. Heute geht einem Berlin als Drehort zwar eher auf den Senkel, aber 2010 war der turf noch nicht so abgegrast und die Filmmacher haben sich bei der Wahl der Locations und der Filmmusik richtig ins Zeug gelegt.

Auch die Idee einer Vampirwelt, in der die männlichen Exemplare ausgestorben sind, stellt die mächtigen Blutsaugerinnen in ein verrücktes Licht. Im Wesentlichen kommt frau ganz gut ohne Kerle aus, die immer den Macker raushängen lassen. Menschliche Spielzeuge gibt es schließlich in Hülle und Fülle. Wozu also noch einen potentiellen Haustyrannen beißen?

„Je böser der Mann, desto süßer das Blut“

Regisseur Dennis Gansel („Die Welle“, „Napola“) und Produzent Christian Becker („Die Welle“, „Vorstadtkrokodile“) trugen die Idee, in Berlin einen Vampirfilm zu drehen, schon lange mit sich herum. Wahrscheinlich hat ihr Erfolg und der Vampirhype, den „Twilight“ ausgelöst hat, erst ermöglicht, „Wir sind die Nacht“ zu drehen.

Hauptdarstellerin Nina Hoss („Anonyma“, „Yella“) wollte man von Anfang an dabei haben. Das Drehbuch, das auf einem Entwurf Gansels beruht, bekam seinen Feinschliff von Jan Berger („Die Tür“) und schafft es eine zeitgemäße Story zu beschreiben, die als Subtext neben den üblichen Vampirthemen wie Erotik und Tod auch die satte, zügellose Langeweile der Gesellschaft thematisiert. Ohne Lovestory kommt allerdings auch „Wir sind die Nacht nicht“ aus.

Neben einer überzeugenden Besetzung und dem stimmig inszenierten Kontrast von Jet Set und Dreck sind es vor allem das hohe Erzähltempo und ein treibender Soundtrack die „Wir sind die Nacht“ zu einem spannenden Filmerlebnis machen.

„Wir sind die Nacht“ hat Biss und Berlin rockt als wiederbelebte Filmmetropole. Die Gang der Vampirinnen versprüht ebenso viel Charme und Sexappeal wie Blut an den Wänden.

Film-Wertung 7 out of 10 stars (7 / 10)

Wir sind die Nacht
Genre: Horror, Thriller, Mystery,
Länge: 99 Minuten, D, 2010
Regisseur: Dennis Gansel
Darsteller: Karoline Herfurth, Max Riemelt, , Jennifer Ulrich, Anna Fischer, Nina Hoss
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Vertrieb: Constantin Film
Kinostart: 28.10.2010
DVD- & BD_VÖ: 14. April 2011