Da isser also: Der neue, von den Fans sehnlich erwartete „Spider-Man“-Film. In den USA ist das Superhelden-Abenteuer mit großem Erfolg gestartet und es spricht nichts dagegen, dass „Spider-Man: Homecoming“ auch bei uns für volle Kinosäle sorgen wird. Aber so ganz über den grünen Klee loben kann ich „Homecoming“ als alter Spidey-Fan dann doch nicht. Dazu hat der fantastische Actioner von Regisseur Jon Watts einfach zu viele Aspekte aufzuweisen, die weniger gelungen sind. Gute Superhelden-Unterhaltung ist „Spider-Man: Homecoming“ aber allemal.
1963 markiert das Geburtsjahr des jugendlichen Superhelden „Spider-Man“. Autor und Marvel-Legende Stan Lee erfand den Teenager, der zum Helden wurde, zusammen mit Zeichner Steve Ditko. Aber die Redaktion war seinerzeit skeptisch, ob das Konzept wirklich funktionieren könnte. Der Rest ist Comic-Geschichte und „Spider-.Man“ gehörte schnell zu den beliebtesten Superhelden aller Zeiten.
In gewisser Weise ist „Spider-Man: Homecoming“ also eine Rückbesinnung auf die Wurzeln des Helden und, um es vorwegzunehmen, sowohl Spinnenbiss als auch der Tod von Onkel Ben werden in dem Drehbuch der sechs Autoren um Jonathan Goldstein und John Francis Daley nicht in Szene gesetzt und auch nicht weiter erwähnt. Das ist auch gut so, denn Tom Holland als Peter Parker beziehungsweise „Spider-Man“ ist nach Tobey Maguire und Andrew Garfield bereits die dritte Inkarnation dieser Figur, die Sony auf das Publikum loslässt. Zudem haben Regisseur Jon Watts, der mit dem Indie-Film „Cop Car“ auf sich aufmerksam machte, und Tom Holland, der bereits in „Captain America: Civil War“ den Netzschwinger spielte, die undankbare Aufgabe, „Spider-Man“ wieder in das Marvel Cinematic Universe zu überführen, damit der im nächsten „Avengers“-Abenteuer richtig mitmischen kann. Der Titel „Homecoming“ ist dabei aber mehrdeutig angelegt und kommt auch als Handlungselement vor.
Sony hatte die Filmrechte an „Spider-Man“ lange bevor Marvel unter der Disney-Ägide ein eigenes Studio gründete und damit begann, seinen Helden auf die Leinwand loszulassen. (Daher ist das X-Men-Universum auch immer noch bei 20th Century Fox.) Nun also kommt es zu einer Kooperation der beiden Filmgiganten, damit gegenseitige Gastauftritte der Superhelden möglich werden. Das kann man befürworten oder auch nicht. Ich habe als Teenager aufgehört, „Spider-Man“ Comics zu lesen, als der anfing, immer häufiger mit anderen Helden zusammen zu arbeiten und der Marvel Superhelden-Kosmos immer unübersichtlicher wurde.
Nun aber endlich an die Story in „Homecoming“: Tony Stark (Robert Downey Jr.) alias Iron Man hat den jungen Helden aus dem New Yorker Stadtteil Queens unter seine Fittiche genommen, nachdem der die Avengers im letzten Kampf in Europa unterstützt hat („Captain America: Civil War“). Stark hat Peter Parker mit einem Hightech-Anzug ausgestattet und ihm Happy Hogan (Jon Favreau) als Ansprechpartner zur Seite gestellt. Ansonsten soll der Teenager bitte die heldenhaften Füße stillhalten und brav die Schulbank drücken. Kleinere Einsätze als „freundlicher Netzschwinger von nebenan“ ausgenommen.
Also bleibt Peter, während er auf eine Superaufgabe wartet, nur der schnöde Schulalltag. Und der ist für Peter und Kumpel Ned Leeds (Jacob Batalon) ziemlich ernüchternd: Schulsnob Flash Thompson (Toni Revolori) mobbt den Streber Parker, die schöne Liz (Laura Harrier), in die Peter verknallt ist, scheint ihn nicht wahrzunehmen, und die nationale Wissenschaftsolympiade ist irgendwie auch öde.
Und als Peter dann endlich von Liz auf eine Party eingeladen wird, muss sich „Spider-Man“ dienstlich verdrücken: Jemand handelt mit Waffen aus Alien-Technologie, die bei der großen Schlacht der Avengers mit den außerirdischen Invasoren („The Avengers“) auf der Erde geblieben ist. Spidey warnt Happy, der gerade den Avengers-Tower ausräumt, doch der hat anderes im Kopf. Daher macht sich Peter allein auf die Suche nach dem Drahtzieher des Waffenhandels. Wie sich herausstellt ist es dem ehemaligen Bauunternehmer Adrian Toomes (Michael Keaton) gelungen, an Alien-Artefakte zu kommen und einen schwunghaften Handel aufzubauen. Dazu schlüpft er selbst immer wieder als der Geier („The Vulture“) in seinen fliegenden Anzug.
Die Story kommt mit einer gehörigen Portion Teenager-Humor daher und kehrt die Tatsache heraus, dass es sich bei Peter Parker um einen Helden handelt, der genauso alt ist, wie sein anvisiertes Zielpublikum. Die Autoren Jonathan Goldstein und John Frances Daley scheinen dafür prädestiniert, haben sie doch zusammen schon die beiden „Kill the Boss“-Filme und „Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen 2“ verfasst. Allein, wer nicht auf Teenie-Komödien steht, wird in „Homecoming“ arg strapaziert. So wie es grundsätzlich zu begrüßen ist, den bislang jüngsten Film-Spider-Man ins Rennen zu schicken, Peters endloses Homevideo zum Auftakt ist eher mäßig unterhaltsam und auch Side-Kick Ned hat in der Spider-Man Mythologie eigentlich nichts verloren. Hinzu kommt, dass von den Klassenkameraden nur die sehr eigenwillige Michelle (Zendaya) über das Teenager-Klischee in dieser „Melting Pot/Multi Kulti“-Truppe hinauswächst und eine interessante Figur geworden ist. (Zenadya wäre nebenbei bemerkt eine perfekte Besetzung für die neue „Ms Marvel“ aka Kamala Khan gewesen, die unbedingt verfilmt gehörte, wenn die Marvel Studios nicht so lahmarschig wären.)
Auch mit dem Auftakt der Story nimmt sich „Homecoming“ viel Zeit und schickt quasi zwei lange Rückblenden vorweg, um in den Avengers-Kosmos einzutauchen. Hier zeigt sich ein großer Nachteil des Marvel Cinematic Universe (MCU): Wer nicht up to date ist, hat kaum die Chance, einfach nur einen eigenständigen Action-Film zu sehen. Zu viele Ostereier, Anspielungen, Gastauftritte und so weiter. Dinge, die Fans lieben, aber die es auch schwerer machen, einen Einstieg zu finden, oder den Überblick zu behalten. In „Homecoming“ ist das extrem auffällig.
Die Action kann trotz einiger sehr ikonenhafter Szenen nicht immer überzeugen. Viele Szenen mit „Spider-Man“ sind mäßig choreografiert, sehr verwaschen gefilmt beziehungsweise animiert und trotz des Bemühens das ganze Action-Geschehen erdig zu halten, schlicht nicht gut genug um mit denen, in den beiden Andrew Garfield Filmen („The Amazing Spider-Man“, „Rise of Electro“) mitzuhalten. Zudem ist das 3D wirklich nicht überzeugend konvertiert und sorgt eher für schlimme Augen als für Erkenntnisgewinn.
Das ist schade, denn mit Michael Keaton (der selbst schon „Batman“ und „Birdman“ gewesen ist) als klassischer Gegner „Vulture“ (In den deutschen Comics hieß der immer „Der Geier“) hat „Homecoming“ einen der besten Marvel-Filmschurken überhaupt am Start. Keaton geht total in der Rolle des Underdogs aus der Arbeiterklasse auf, der aus schierer Existenznot kriminell wird. Dabei hat Toomes viel zu wenige Auftritte, die aber wirken allesamt großartig und in der Teenie-Komödie irgendwie deplatziert.
Deplatziert, aber aus anderen Gründen wirkt auch Dampfplauderer Tony Stark alias Iron Man (Robert Downey Jr.), der muss als Anführer der Avengers ja auftreten, übernimmt aber auch den Part des Mentors für Spider-Man, quasi als Ersatz für die originale Herkunftsgeschichte. Für mich als alten Fan hat das nur sehr begrenzt funktioniert, ebenso wie das Thema High-Tech Superhelden-Anzug mit eingebautem sprechendem Computer. Das wird dem Charakter des Comic-Helden „Spider-Man“ so gar nicht gerecht.
Alles in allem ist „Spider-Man: Homecoming“ eine durchwachsene Sache geworden, die sich im Grunde an einem Phänomen festmachen lässt: „Blitzkrieg Bop“ von den Ramones; in „Homecoming“ gleich zweimal angestimmt. Die Single der New Yorker Punk Band kam 1976 auf den Markt. Dann wäre ein realer Peter Parker gerade dreizehn oder vierzehn Jahre alt gewesen und hatte vielleicht auf die Underground-Band gestanden. Nur gehört der Sound der Ramones heute, 40 Jahre später, zum Mainstream, wird dauernd in diversen Filmen eingespielt und spiegelt in keiner Weise aktuelle Jugendkultur. Stattdessen können sich die Älteren im Kinosaal nostalgisch zurücklehnen und denken: Kenn ich, erinnert mich an meine Jugend“.
Film-Wertung: (6 / 10)
Spider-Man: Homecoming
OT: Spider-Man: Homecoming
Genre: Action, Adventure, sci-fi, Superhelden
Länge: 133 Minuten, Produktion: USA 2017
Regie: Jon Watts
Darsteller: Tom Holland, Marisa Tomei, Robert Downey Jr., Michael Keaton
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Sony
Kinostart: 13.07.2017