„Innen Leben“ ist ein klaustrophobisches Drama über das Leben in einem Kriegsgebiet. Zwar ist das Drama im aktuellen Syrien-Konflikt angesiedelt, aber als Anti-Kriegs-Film ist die Botschaft von allgemeiner Gültigkeit. Der belgischen Regisseurs Philippe van Leeuw liefert mit „InSyriated“ – so der Originaltitel –im wahrsten Sinne des Wortes ein aufwühlendes Kammerspiel ab. Ein wichtiger Film, den man nicht verpassen sollte.
Inmitten einer umkämpften Zone in einer Syrischen Stadt versucht eine kleine Hausgemeinschaft den Alltag aufrecht zu halten. Neben der Mutter des Haushaltes, Oum Yazan (Hiam Abass), ihrem kleinen Sohn und der Schulpflichtigen Tochter, leben in der Etagenwohnung auch noch die Hausangestellte Delhani, der alte Schwiegervater, ein Freund der Tochter und das benachbarte Paar Halima und Samir mit ihrem Baby. Die Kleinfamilie will flüchten und der Kontakt ist hergestellt, doch auf dem morgendlichen Weg aus der Wohnung wird Samir von einem Heckenschützen erwischt und bleibt reglos im Hof, halbverborgen von einem Schutthaufen, liegen.
Die bestürzte Delhani (Juliette Navis) meldet das sogleich der Hausherrin Oum (Hiam Abbas), aber die beschließt, Halima bis zum Sonnenuntergang nichts zu erzählen, da es zu gefährlich wäre, die Wohnung zu verlassen, während der Heckenschütze noch lauert. Es ist ohnehin schon gefährlich in dem halbverfallenen Hochhaus wohnen zu bleiben. Zwischen den unkalkulierbaren Bombenangriffen und Gefechten kommen auch immer wieder Männer in das Haus, entweder auf der Suche nach Überlebenden oder auf der Suche nach leerstehenden Wohnungen zum Plündern.
Was wie ein Horrorszenario anmutet, wird von dem belgischen Filmmacher Phillippe Van Leuuw mit fast vorsichtiger Dramaturgie zu einem Drama verdichtet, das mit einem Theaterstück nicht nur die enge und Überschaubarkeit der Wohnung gemeinsam hat, sondern auch die fast intime Nähe zu den Charakteren. Dabei dauert es ein wenig, bis sich der Zuschauer in der Wohnung orientiert hat, und die Herausforderungen des Zusammenlebens realisiert.
Bildtechnisch ist das von Kamerafrau Virginie Surdej („Much Loved“) mit eindrücklichen Kamerafahrten und Perspektiven sehr stark inszeniert. Van Leuuw ist selbst ein gefragter Kameramann und wird um die Wirkung wissen, die Intimität und Beklemmung heraufbeschwört. Darstellerisch wird das von einer starker Schauspielerriege umgesetzt, allen voran die großartige Hiam Abbas ((„Lemon Tree“, „Ein Sommer in New York“) und der nicht minder stark aufspielenden Diamand Bou Abboud in der Rolle der Halima. Die psychologische Spannung ist in jedem Augenblick des intensiven Dramas greifbar und wird von Van Leuuw mit sicherer Konsequenz zu einem erstaunlichen Höhepunkt geführt. Aber das sollte dann jeder selbst erleben.
Bis hin zu seinem symbolträchtigen Ende ist Philippe Van Leeuws Drama ebenso erschütternd wie großartig und wichtig. Das Eintauchen in den Alltag einer syrischen Familie im Kriegsgebiet ist ein beklemmendes Filmerlebnis.
Film-Wertung: (8 / 10)
Innen Leben
OT: Insyriated
Genre: Drama,
Länge: 85 Minuten, B, 2017
Regie: Philippe Van Leeuw
Darsteller: Mohsen Abbas, Hiam Abbass, Diamand Bou Abboud, Juliette Navis
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Weltkino
Kinostart: 22.06.2017