Mit dem Wort Emanze haben ja so einige Menschen ihre Schwierigkeiten, was vor allem daran liegt, dass der Begriff heutzutage auch abfällig benutzt wird. Aber: Gleichbehandlung von Frauen und Männern ist auch bei uns zivilisierten Westeuropäern gesellschaftlich noch längst kein Selbstgänger. Emanzipation verstanden als psychologischer und gesellschaftlicher Unabhängigkeit eine erstrebenswertes Privileg. Nun schickt DC mit „Wonder Woman“ die erste Superheldin in einer Filmhauptrolle in die Kinos. Und ja, die in den 1940ern erschaffene Comic-Heldin ist eine emanzipierte Frau – gut so. „Wonder Woman“, der vierte Film im DC Extended Universe unter der kreativen Leitung von Zack Snyder, ist unterhaltsam und actionreich ausgefallen, hat aber auch in paar Schwachpunkte. Dennoch kann DC auf der Leinwand gegenüber Marvel wieder in paar Punkte gutmachen. Auf zu den Amazonen!
Die Story von „Wonder Woman“ erzählt eine klassische Superhelden-Oringin-Story, also von der Herkunft und Werdegang der Heldin. Dass die Handlung dennoch im Pariser Louvre beginnt, sorgt für die Kontinuität in dem Superheldenuniversum der Gegenwart und knüpft „Wonder Woman“ sehr lose an „Superman Vs.Batman“ an. „Suicide Squad“, der bislang erfogreichste film der neuen DC-Abenteuer ist da eigneständiger angelegt. Und um es vorweg zu nehmen: Abspanngucker brauchen nicht auf einen Ausblick oder eine versteckte Szene zu warten, die schon auf „Justice League“ Appetit machen soll.
Im Louve bekommt Diana Prince (Gal Gadot) von Bruce Wayne alias Batman ein verblichenes Foto geschickt, das Erinnerungen in ihr weckt. „Wonder Woman“ blickt zurück auf ihre Kindheit und den Abschied von der Amazonen-Insel Themyscira. Die Amazonen leben hier seit Jahrhunderten vor den Menschen verborgen. Generalin Antiope (Robin Wright) trainiert die wehrhaften Frauen und bleibt stets wachsam, weil sie einen Angriff fürchtet. Ihre Schwester, Königin Hippolyta (Connie Nielsen), hat aus Lehm und mit Hilfe der Götter ein Kind erschaffen, das nicht wie eine Amazone ausgebildet werden soll. Diana (Lilly Aspell) allerdings will davon nichts wissen und trainiert heimlich mit ihrer Tante.
Hippolyta erzählt ihrer Tochter Geschichten. Eine ist die vom Kriegsgott Ares, der die Herzen der von Zeus geschaffenen Menschheit vergiftet hat und später die Götter selbst in einer Schlacht besiegte. Seither sei es die Bestimmung der Amazonen, Ares zu bekämpfen und dem Krieg ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.
As junge Frau entdeckt Diana (Gal Gadot) ihre übermenschlichen Kräfte, die auch über jene der Amazonen hinausgehen. Doch genau in diesem Moment stürzt ein Flugzeug in den Gewässern vor Themyscira ab. Diana rettet den amerikanischen Piloten Steve Trevor (Chris Pine) doch der Krieg scheint die Amazoneninsel endlich doch erreicht zu haben. Trevor erzählt Diana , er sei als Spion bei den Deutschen gewesen, die an einer Giftwaffe arbeiten, um den großen Weltkrieg zu gewinnen. General Ludendorff (Danny Huston) will den Krieg entscheiden, bevor es zu Friedensverhandlungen kommt, die ungünstig für das Deutsche Kaiserreich ausfallen würden.
In diesem Treiben erkennt Diana den Kriegsgott Ares ist klar, und gegen den Willen ihrer Mutter beschließt sie den Menschen zu helfen und Themyscira zu verlassen. Bewaffnet mit einem Schild, dem Lasso der Wahrheit und dem Schwert das Götter töten kann findet sich Diana in den Wirren des ersten Weltkrieges wieder, aber von Ares höchstselbst ist weit und breit keine Spur. Stattdessen begibt sich Diana mit Trevor und seinen Gefährten an die Front nach Belgien.
Superheldenfilme sind Blockbuster-Kino, Blockbuster-Kino basiert auf Schauwerten, Schauwerte bedeuten effektbeladene Actionsequenzen. Aber gutes Popcornkino und gute Actionfilme haben auch immer einen Mehrwert zu bieten. Und so müssen die Charaktere und ihre Entwicklung auch überzeugen, um aus dem Mittelmaß der Superheldenfilme herauszuragen. Für Fans stellen sich diese Fragen eh nicht, das sie so weit in den jeweiligen Mythologien der Helden und Heldinnen drinnen stecken, dass sie auf Details und Variationen achten können.
Die Action in „Wonder Woman“ kann sich sehen lassen und selbst wenn mit Pattys Jenkins („Monster“) eine Frau als Regisseurin verantwortlich zeichnet, die Choreographie der Sandalenkämpfe am Strand der Paradiesinsel wirken doch arg inspiriert von Zack Sniyders „300“. Später wird wird es superheldentypisch deutlich explosiver und der Bösewicht, nachdem er sich am Ende offenbart, hat es in sich und bechert Wonder Woman ein furioses, aber auch austauschbares Finale. Aber die vielleicht ikonenhafteste Szene ist jene, in der Diana Prince aus den Schützengräben der Ardennen in das Kriegsgeschehen des Ersten Weltkrieges eingreift. Das ist ebenso episch wie pathetisch inszeniert, fügt sich aber in den Charakter dieser großen Superheldin.
Aber die von Gal Gadot gespielte Diana feiert dennoch eine gelungene Filmpremiere. Das liegt an der charmanten und naiven Ausstrahlung Wonder Womans und gelungen dargestellten Entwicklung ihres Charakters. Mit jedem Schritt in der kriegerischen Welt der Menschen wächst die Ernüchterung über so viel Zerstörung und Zwietracht und das feste altruistische Bestreben, dagegen etwas zu unternehmen, oder zumindest einen Standpunkt klar zu machen. Das, was Heldinnen eben tun.
Der große Schwachpunkt in „Wonder Woman“ lässt sich an einer Besetzung festmachen, geht aber deutlich darüber hinaus. Chris Pine als Steve Trevor ist nicht direkt eine Fehlbesetzung, aber dem Film und auch der Figur Wonder Woman“ hatte es gut zu Gesicht gestanden einen weniger bekannten Darsteller zu besetzten als ausgerechnet Pine, der sich als junger James Tiberius Kirk durch die jüngsten Abenteuer von „Star Trek“ wuselt. Mit dem bekannten männlichen Gesicht wirkt es fast, als würde man dem Charisma der Heldin und der Darstellerin nicht zutrauen, ihr eigenes Publikum zu gewinnen, so muss noch ein prominent besetzter Side-Kick hinzukommen, vielleicht auch, als Identifikationsmöglichkeit für die männlichen Zuschauer. Schade eigentlich, aber es zeigt ein Phänomen, das sich bislang durch alle vier Filme des DC Extended Universe zieht: Sie sind ziemlich konservativ und ein bisschen altbacken.
Das zeigt sich in der Geschichte selbst, die von Zack Snyder („Sucker Punch“), Jason Fuchs („Pan“) und Allen Heinberg („Greys Anatomy“, „Sex and The City“) erdacht und von letzterem in ein eher überraschungsfreies Drehbuch gebracht wurde. Das mag daran liegen dass Christopher Nolans „Dark Knight“-Trilogie die Grundstimmung so finster angelegt hat oder auch am Bemühen, sich durch Ernsthaftigkeit und Ironiefreiheit von der Marvel-Konkurrenz abheben zu wollen. So oder so, etwas mehr Mut, Pep und emanzipiertes Selbstbewusstsein hätten auch Wonder Woman nicht geschadet.
Man hält sich in „Wonder Woman“ an die Mythologie der Comic-Figur, deutet ein paar Schlupflöcher an, völlig anders übrigens als die neue Comic-Serie von Autor Greg Rucka unter der DC „Rebirth“ Marke, der genüsslich die Mythologie dere diana Prince dekonstruiert. So wird der Film „Wonder Woman“ der ersten großen Superheldin überhaupt, zwar in gewisser Weise gerecht, hat die erste Heldin als Leading Charakter deutlich früher am Start als die Marvel, deren „Captain Marvel“ mit Brie Larson erst 2019 kommen soll, kommt dem selbstbewussten Geist, den „Wonder Woman“-Erfinder und Psychologe William Moulton Marston beabsichtigte, aber nur bedingt nahe.
William Moulton Marston entwickelte die Heldin zu Beginn der 1940er Jahre explizit als Vorbild für Frauen und Mädchen, um ihnen selbständige Werte zu vermitteln und der gewalttätigen Konfliktlösung des Krieges ein positives, emanzipiertes Gegenbild aufzuzeigen. Das kommt in dem Kinofilm „Wonder Woman“ nur bedingt durch. Aber Gal Gadot ist eine perfekte Besetzung für eine der ersten Superheldinnen in der ersten Reihe überhaupt und eine würdige Nachfolgerin für Lynda Carter, die Wonder Woman in der gleichnamigen TV-Serie von 1975 bis 1979 mit großem Erfolg verkörperte.
„Wonder Woman“ hat einiges zu bieten, ist aber auch etwas zu lang ausgefallen. Der superhelden-Actioner ist eine epische, fantastische und bombastische Sache geworden, die über weite Strecken gut unterhält. Und endlich darf auch mal eine Superheldin ran, um den Kerlen zu zeigen, was eine Harke ist.
Film-Wertung: (7 / 10)
Wonder Woman
OT: Wonder Woman
Genre: Fantasy, Action, Superhelden
Länge: 141 Minuten, USA, 2017
Regie: Patty Jenkins
Darsteller: Gal Gadot, Chris Pine, Robin Wright, Connie Nielsen, David Thewlis,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Warner
Kinostart: 15.06.2017
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