Die andere Seite der Hoffnung: …und die Band spielt weiter

Der finnische Autorenfilmer Aki Kaurismäki ist schon lange im Geschäft, hat in diesem Jahrtausend aber nur eine Hand voll Spielfilme veröffentlicht. Die sind dann aber immer ihre ganz eigene Vision und ihre eigenwillige Geschichte. Der Macher der „Leningrad Cowboys“ legt mit „Die andere Seite der Hoffnung“ den zweiten Film seiner „Flüchtlings-Trilogie vor, die 2011 mit „Le Havre“ begann. Bei der Berlinale im Februar wurde Kaurismäki  mit dem Silbernen Bären als bester Regisseur ausgezeichnet.

Es sagt schon viel über die Filme von Aki Kaurismäki aus, wenn es den Fan eher verstört, dass ein Notebook und ein mobiler Fingerabdruck-Scanner auftauchen, als dass es verwundert einen der beiden Protagonisten aus rußgeschwärzt aus einem Kohlenschiff steigen zu sehen. Irgendwie wirken Kaurismäkis Filme immer als seien sie aus der Zeit gerissen und spielten in den Fünfziger- oder Dreißigerjahren. Aber das zeitlose gibt auch den Blick frei auf die inneren Zustände der Charaktere, die so finnisch wortkarg ihr Schicksal annehmen oder bekämpfen.

Wie schon in dem hochgelobten „Le Havre“ treffen auch in „Die andere Seite der Hoffnung“ ein älterer Mann und ein junger Flüchtling aufeinander. Doch dieses Mal wirkt auch der selbständige Hemdenverkäufer Wikström (Sakari Kuosmanen) wie ein Flüchtling aus seinem schnöden Leben, wenn er beschließt ein heruntergewirtschaftetes Restaurant zu kaufen. Der junge Syrer Khaled (Sherwan Haji) hingegen weiß eigentlich sehr genau, was er will: Nämlich seine auf der Flucht verlorene Schwester wiederfinden. Der zufällig in Helsinki gestrandete lässt sich willig von den Mühlen der Bürokratie zermahlen, verweigert sich dann aber der Abschiebung und haut ab.

Die unterschiedlichen Wege der beiden Männer kreuzen sich zufällig an den Mülltonnen des Restaurants und nach einer handfesten Begrüßung taucht Menschlichkeit auf, wo man sie am wenigsten erwartet. Wikstöm stellt Khaled an, hilft ihm falsche Papiere zu bekommen und seine Schwester zu suchen. Mit Kaurismäki-typischer Melancholie und wortkargen Szenen, die sich dem Zuschauer in ihrer Langsamkeit fast entziehen, berichtet „Die andere Seite der Hoffnung“ auch von dem stoisch eingeforderten Recht auf Hoffnung. Hoffnung, es möge in diesem Leben, egal zu welchem verzweifelten Zeitpunkt noch etwas anderes geben. Eine Alternative, die schon die Bremer Stadtmusikanten im Märchen suchten: Etwas Besseres als den Tod findet man überall.

Dabei zieht Aki Kaurismäki auch in „Die andere Seite der Hoffnung“ alle ihm zur Verfügung stehenden Register an Bildkomposition, Beleuchtung, Dramaturgie und wunderbar eingesetzten Musikszenen.  Insgesamt mag der Film inhaltlich recht nahe am Vorgänger „Le Havre“ sein, was dann dazu führt, zunächst ein wenig weniger hingerissen zu sein als sonst gerne mal bei Kaurismäki. Je länger man aber über den Film nachdenkt, desto klaren sieht man die erstaunliche Aktualität der Flüchtlingskriese, die uns in Europa längst eingeholt hat und sich auf unseren Hinterhöfen abspielt – nicht mehr in anonymen Auffang- und Übergangslagern.

Mit seinem ebenso bewegenden wie leise humorvollem Drama „Die andere Seite der Hoffnung“ beweist der finnische Filmmacher Aki Kaurismäki einmal mehr, dass er einer der größten Regisseure unserer Tage ist.

Film-Wertung:7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

Die andere Seite der Hoffnung
OT: Toivon tuolla puolen
Genre: Drama, Komödie
Länge: 98 Minuten, FIN, 2017
Regie: Aki Kaurismäki
Darsteller: Sherwan Haji, Sakari Kuosmanen, Simon Al-Bazoon, Janne Hyytiäinen, Nuppu Koivu, Ilkka Koivula, Kaija Pakarinen, Kati Outinen
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Pandora
Kinostart: 30.03.2017