The Gang: Zwischen Schlachthof und Rotlicht-Milieu

In die Niederlanden war das historische Thriller-Drama „The Gang“ 2011 ein großer Hit bei Publikum und Kritikern. Regisseur André van Duren inszeniert nach historischen Begebenheiten kurz vor dem Zweiten Weltkrieg die Geschichte einer jungen Frau, die verzweifelt einen Ausweg aus jenen kriminellen Machenschaften sucht, die die Geschicke ihrer Heimatstadt Oss bestimmen. Mit Syliva Hoeks und Matthias Schoenaerts, die inzwischen auch international bekannt sind, hat „The Gang“ namhafte Darsteller zu bieten, bleibt allerdings in Sachen Spannung einiges schuldig.

Im Jahr 1938 sind die Niederlande wie ganz Europa bedroht von dem schweren Schatten, den die Nazis im Nachbarland Deutschland werfen. Auch in Holland gibt es eine Nationalsozialistische Bewegung und zudem wird vor allem der Süden des Landes von organisierter Kriminalität und Korruption heimgesucht.

In der erzkatholischen südlichen Provinz Nordbrabant, vor allem in dem Städtchen Oss, hat die Bande von Verbrechern um den Boss Wim de Kuyper (Marcel Musters) die Geschicke der der Stadt fest in der Hand. Die Polizei ist korrupt, der örtliche Großindustrielle, ein jüdischer Fleischfabrikant, steckt mit dem Gaunern unter einer Decke und die normale Bevölkerung fügt sich ergeben und furchtsam in ihr Schicksal. Zwar hat die holländische Regierung extra Truppen nach Oss geschickt, aber die richten auch nicht viel aus und die Bande von Oss scheut sich auch nicht, deren Kommandanten aus dem Weg zu räumen.

Mittendrin in diesem kriminellen Sumpf steckt die junge Barbesitzerin Johanna (Sylvia Hoeks) und versucht, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, während ihr Mann Ties van Heesch (Matthias Schoenaerts), der Neffe von de Kuyper, noch im Knast sitzt. Die beiden wollen einen Neuanfang. Doch diese Träume zerplatzen schnell als Ties aus dem Gefängnis kommt, keine Arbeitserlaubnis erhält, wieder zu trinken anfängt  und auch wieder mit der alten Gang rumhängt. Für Johanna, die von Ties immer mehr zur Prostituierten degradiert wird, wird es unumgänglich aus der Situation auszubrechen.

Wie so häufig steht der alte Animals Hit „We Gotta Get out of This Place“ als Motto für ein solides Drama Pate. Doch in „The Gang“ geht es keineswegs um die romantische Flucht aus dem Umständen, sondern um den verzweifelten Kampf einer jungen Frau, ihr Leben unter allen Umständen zu verbessern.

Doch „The Gang“ lässt dabei die nötige Dringlichkeit vermissen, die das Drama auch wirklich packend gemacht hätte. Stattdessen verstrickt sich Regisseur André van Duren in der Historisierung. Schon zu Filmbeginn werden die Ereignisse in Oss, die immerhin für den Sturz einer Regierung gesorgt haben, durch den Filter einer Nachkriegs-Rückblende gewissermaßen verharmlost. Und auch in der Folge schafft das Drehbuch von Paul Jan Nelissen es nie, den Spagat zwischen lebendigem Drama und historischer Darstellung aufzulösen. Schon Johannas einführender Off-Text schafft eine weitere Distanz zu dem Leinwandgeschehen, die in der Folge nicht mehr aufgeholt werden kann.

Die Charaktere sind etwas plakativ gehalten und man hat sichtlich viel Wert auf Ausstattung und Kostüme gelegt, dabei aber vergessen, die eigentliche Geschichte mit ihren vielen brisanten Aspekten auch packend zu inszenieren. Im direkten Vergleich mit ähnlich gelagerten Stoffen wie etwa dem dänischen Blockbuster und Widerstandsdrama „Tage des Zorns“ (2008) oder auch dem Miniserienformat „Peaky Blinders“ das seit 2013 läuft, fehlt es „The Gang“ schlicht an Direktheit und stimmiger Inszenierung. Das erinnert alles – trotz diverser Grobheiten -eher an Großmütterchens Gutenachtgeschichten und ist musikalisch auch entsprechend unterlegt ist.

„The Gang“ hat eine sehenswerte Besetzung aufzuweisen und bietet auch einen Haufen gelungener Schauwerte. Kulissen und Kostüme sind aufwändig, auch wenn der eine oder andere CGI-Effekt nicht überzeugt. Der historische Hintergrund der Bandenkriminalität liefert ein reizvolles und interessantes Setting, das aber nicht ausgeschöpft wird. Eine langatmige Dramaturgie und gemächlicher, erzählerischer Tonfall bügeln jegliches Drama platt. Schade eigentlich.

Film-Wertung: 4 out of 10 stars (4 / 10)

The Gang
OT: De Bende van Oss
Genre: Thriller, Drama, Historie
Länge: 111 Minuten, NL, 2011
Regie: André van Duren
Darsteller: Sylvia Hoeks, Matthias Schoenaerts, Frank Lammers, Marcel Muster
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Koch Media
DVD- & BD-VÖ: 25.09.2015