Demnächst feiert das Regiedebut von Hollywood-Star Ryan Gosling seinen deutschen Kinostart. Und „Lost River“ ist sicher keine leicht verdauliche Kost, aber dazu später mehr. Filmisch stark beeinflusst zeigt sich Gosling als Regisseur von David Lynch und dem Dänen Nicolas Winding Refn, mit dem er die Thriller „Drive“ und „Only God Forgives“ drehte. Drive beruht auf einem Roman von James Sallis und ist in der Filmvariante nachgerade stylish und angemessen gradlinig ausgefallen. Das hat trotz gehöriger Härte (der Film hat keine Jugendfreigabe erhalten) schon Klassikerqualitäten.
Der namenlose Protagonist, der Fahrer (Ryan Gosling) in „Drive“ ist Stuntfahrer und Automechaniker. Doch seinen Ruf hat der „Driver“ sich als krisenfester, zuverlässiger Fluchtwagenfahrer erworben. Der Mann bringt mit einem motorisierten Untersatz schier Unfassbares zuwege. Dabei hat Driver seine festen Regeln: Waffen fasst er nicht an, Kontakt ist unerwünscht und auch sonst ist Driver nur fürs Fahren zuständig. Wenn das Zeitfenster überschritten ist, ist der Fahrer weg.
Privat hat es der Driver gerne unauffällig, alleine und geregelt, aber als Irene (Carey Mulligan) mit ihrem Sohn nebenan einzieht, freundet sich Driver mit der Nachbarin an. Die ist mit Standard (Oscar Isaac) verheiratet, der gerade im Knast sitzt. Als er herauskommt, will er solide werden, doch die alten Kumpel lassen ihn nicht. Gegen seine Prinzipien beschließt Driver, der Familie zu helfen und übernimmt Standards Job als Fluchtfahrer. Doch der Überfall geht komplett schief und Driver kann nur mit Mühe aber mit der Beute entkommen. Jetzt sitzt Driver auf Mafia-Kohle und alles gerät aus dem Ruder.
Der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn („Bronson“, „Valhalla Rising“) inszeniert die wortkarge und lakonische Krimi Noir Vorlage von James Sallis in kongenialer Weise. Über das Stiling im 80er Look kann man sich sicherlich streiten, auch weil das im Roman zeitlich so nicht unbedingt verortet ist. Die Umsetzung ist aber stilistisch schlüssig und konsequent und bedient so auch Reminiszenzen an eine bestimmte Art des Action-Kinos. „Drive“ ist keineswegs nostalgisch ausgefallen, sondern bedient sich zeitgemäßer filmischer Stilmittel.
Zugunsten der Kompaktheit verkürzt der Film den zweiten Handlungsstrang, die Dreiecksgeschichte, für die Leinwand, was auch auf Kosten von Irenes Charakters geht. Drive“ setzt trotzdem vor allem auf Atmosphäre und großartige Darsteller, so zieht sich durch Phasen des Films eine fast meditative Ruhe vor dem Sturm, bevor sich die auflodernde Gewalt ihre Bahn bricht und kurz und heftig explodiert. Ryan Gosling („Crazy.Stupid.Love“) gelingt es, dies in der Figur des Drivers glaubhaft und ohne Bruch in der Persönlichkeit darzustellen.
Der Mann ohne Vorgeschichte weiß, dass in seinem Nusiness Konsequenz angesagt ist. Wenn er aktiv wird, dann mit aller Wucht und tödlicher Absicht. Es sind vor allem diese abrupten und heftigen Gewaltexplosionen, die verstören. In diesem Filmmotiv liegt auch der Zusammenhang zu Winding Refns anderen Arbeiten. Und so findet sich der Protagonist in einer Linie mit dem Knastbruder Bronson (Tom Hardy) und dem einäugigen Wikinger-Krieger (Mats Mikkelsen).
Mit dem Thriller „Drive“ ist dem dänischen Regisseur Nicolas Winding Refn ein hartes, gestyltes Actionmovie gelungen, das mit sehr dichter, auswegloser Atmosphäre und großartigen Darstellern begeistert. Die pechschwarze Abgründigkeit der Romanvorlage erreicht Drive naturbedingt nicht ganz, kommt aber ziemlich nah ran. Und wenn der Driver seine Fabel vom Frosch und dem Skorpion erzählt, wird die unergründliche Einsamkeit des Drivers zu einer fatalistischen Getriebenheit. Und ganz kurz blitzt in dem so wortkargen Charakter etwas wie menschliche Sehnsucht auf.
Film-Wertung: (8 / 10)
Drive
OT: Drive
Genre: Action, Thriller
Länge: 101 Minuten,
Regie: Nicolas Winding Refn
Romanvorlage: James Sallis
Darsteller: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Bryan Cranston, Christina Hendricks
FSK: ohne Jugendfreigabe
Vertrieb: Universum Film
Kinostart: 26.01.2012
DVD- & BD-VÖ: 29.06.2012