Irgendetwas müssen die Veranstalter des Wacken Open Air über die letzten Jahrzehnte richtig gemacht haben. Seit 1990 pilgern Heavy Metal Fans in das Dorf im südwestlichen Schleswig-Holstein, um ihre Lieblingsbands abzufeiern. Was einmal ganz klein von Fans für Fans angefangen hat, ist inzwischen das größte Heavy Metal-Festival der Welt und zumindest in den letzten Jahren ausverkauft, bevor überhaupt das Line-Up feststeht. Die extrem gelungene Musikdoku „Wacken 3D“ setzt der Festivalinstanz nun ein Denkmal und erlaubt auch all jenen am Festival-Feeling teilzuhaben, die – mal wieder – keine Karte ergattern konnten. Jetzt kommt der Film auch für das Home Entertainment auf den Markt. Viel kurzweiliger kann man sich die Wartezeit bis zum ersten August-Wochenende nicht vertreiben.
Inzwischen ist das W:O:A eine feste Instanz, die nicht nur in der weltweiten Heavy Metal-Fangemeinde bekannt ist, sondern auch darüber hinaus. Es gibt zahlreiche Dokumentarfilme und Reportagen, die das Festival auf der Weide zum Gegenstand der Betrachtung machen. Nicht wenige Bands veröffentlichen ihre W:O:A-Auftritte als Livealbum und jedes Jahr erscheint eine DVD zum Festival, die die Highlights des ersten Augustwochenendes auch zuhause erlebbar macht. Vor allem durch die soziologisch ausgelegte Doku „Full Metal Village“, die die koreanische Regisseurin Cho sung-hyung 2006 drehte, hat es das Festival auch ins Feuilleton geschafft. Warum also noch eine Wacken-Doku?
Schlicht aus dem Grund, weil bislang noch kein Film den Geist und die Stimmung des Festivals richtig gepackt hat. Und ebenso wie sich das Festival als Veranstaltung von Fans für Fans versteht, darf man „Wacken 3D“ getrost als Film für Fans verstehen. Allerdings findet man auch Zugang zu der Atmosphäre, wenn man nicht auf harte Gitarrenmusik steht. Die Doku findet eine sehr gelungene Mischung aus Konzertsequenzen, Fanbeobachtungen, Hintergrund-Interviews und einigen Aspekten, die Wacken als Open Air Festival besonders machen. Das Bonusmaterial besteht zum überwiegenden Teil aus Interviews, die hier in ihrer Gänze zu sehen sind. Scott Ian von Anthrax, Henry Rollins, Doro Pesch, Mikkey Dee von Motörhead und andere lassen sich hier ausgiebig über die Musik, Festivals im Allgemeinen und die Besonderheiten von Wacken aus. Für Fans eine interessante Zugabe, die in ihrer Gesamtlänge dann mehr als filmfüllend ist.
„So you need guitars to break the world apart and you can navigate through it. That’s why we have Heavy Metal. It makes life possible.“ (Henry Rollins)
Inzwischen ist das Wacken-Festival eine Mammutangelegenheit geworden, und im Jahr 2013, in dem der Film aufgenommen wurde, fanden sich wie schon in den Jahren zuvor 75 000 Fans in dem Dorf ein, das gerade einmal knapp 2000 Einwohner hat. Auf acht Bühnen traten in drei Tagen 136 Bands auf. Um diese Größenordnung im Film auch einigermaßen umfassend und veranstaltungsgetreu wiedergeben zu können, hat Filmmacher Norbert Heitker zwei wesentliche Entscheidungen getroffen, die zum Gelingen des Films beitragen. Zum ersten wurde im Vorfeld ausgesucht, welche Bands (und mit welchen Songs) in dem Film zu sehen sein werden. Ansonsten sei der Aufwand nicht in der begrenzten Zeit schlicht nicht zu leisten gewesen. Und wer mehr Live-Footage vom Festival baucht, kann auf die jährliche Live-DVD zurückgreifen. Zum zweiten wurden über die Homepage des Festivals Fans gesucht, die sich während der Veranstaltung begleiten lassen wollten. So kommen auch unterschiedliche Fanperspektiven in den Film und tragen sehr zum Gefühl bei, mitten im Geschehen zu sein.
Und man ist nicht nur durch die 3D-Technik nahe am Geschehen sondern bekommt teilweise auch Bühneneinblicke, die man als normal sterblicher Fan nie bekommen würde. Die fast schon klischeehafte Schlammparty des Festivals war noch nie so schön anzuschauen wie in diesem Film. Wer zuhause auf den stereoskopischen Effekt verzichten muss, der wird mit einer größeren Tiefenschärfe des Films belohnt. Sound und Bildqualität sind herausragend wie man das bei Hardrock Konzerten nur selten erlebt und können sich durchaus mit Metallicas großartigem Konzertfilm „Through the Never“ aus dem vergangenen Jahr messen.
Doch es ist nicht nur der Fan-Aspekt, der „Wacken“ so sehenswert macht. Der Film legt auch viel Wert auf die „Nachwuchsarbeit“ des Festivals: Im „Metal Battle“, einem weltweiten Wettbewerb für Nachwuchsbands, kann man sich für einen Wacken-Auftritt qualifizieren. Der dort gekürte Sieger bekommt dann einen Plattenvertrag. Viel motivierender kann man junge Leute kaum zum Musikmachen bewegen. So vereint „Wacken 3D“ Fans aus aller Herren Länder, altgediente Stars und aufstrebende Talente zu einem nachvollziehbar spaßigen Festival-Event.
„Wacken 3D“ ist genau der Film geworden, den das größte Heavy Metal Festival der Welt verdient hat: Schnell, laut dreckig, oder wie es im Untertitel des Kinoplakats heißt „A Trip to a Planet of Music, Mud & Magic“.
Film-Wertung: (8 / 10)
Wacken 3D
Genre: Musikfilm, Doku
Länge: 96 Minuten, D 2014
Regie: Norbert Heitker
Mitwirkende: Anthrax, Motörhead, Alice Cooper, Rammstein, Doro Pesch, Deep Purple, u.a.
Extras: Deleted Scenes, Interviews, Trailer, Weltpremiere in Hamburg,
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: NFP /Warner
Kinostart: 24.07.2014
DVD- & BD-VÖ: 24.12.2014
Veranstaltungstipp für Hamburger Metal Fans: Am 23. Dezember wird der Film über das Phänomen Wacken in vorweihnachtlicher Metal-Stimmung im Großen Saal der Markthalle Hamburg gezeigt. Mehr Infos gibt es unter www.markthalle-hamburg.de