Posthum fand man in den Unterlagen des österreichischen Schriftstellers Friedrich Torberg (1908 – 1979) einen unveröffentlichten Roman. 1984 wurde „Auch das war Wien“ erstmals veröffentlicht, die Liebesgeschichte zur Zeit des Österreichischen Anschlusses an das Deutsche Reich 1938. Zwei Jahre später folgte eine Verfilmung. Nun hat der Wiener Milena Verlag in seiner Reihe „Revisited“ Torbergs Roman mit einem Nachwort versehen und neu aufgelegt.
Im Herbst 1937 ist die Welt in Österreich noch in Ordnung. Während der jüdische Schriftsteller und Theaterautor Martin Hoffmann verliebt sich in die gefeierte Schauspielerin Carola Hell. Und während das heillos verliebte Paar sich in Wien ein heimeliges Nest baut und Hoffmann vor lauter Liebestaumel nicht zum Arbeiten kommt, kriecht der Nationalsozialismus auch in Österreich aus den Ecken. Martins jüdische Abstammung wird immer häufiger zu einem Thema und sein Freund, der Journalist Toni Drexler, rät ihm zu emigrieren. Doch davon will der Autor nichts wissen. Auch die Liebe zu der arischen Schauspielerin wird durch den Antisemitismus getrübt. Während einer Gastspielreise in Deutschland gerät Carola Hell mit der Gestapo in Kontakt.
Die Gerücht eines arischen Anschlusses von Hitlers österreichischer Heimat an das Großdeutsche Reich mehren sich, doch das Leibespaar verharrt standhaft in bis sich im März die Dinge verschärfen und die Situation für den jüdischen Autor lebensbedrohlich wird.Der Autor Friedrich Torberg ist vor allem wegen seines Romans „Der Schüler Gerber hat absolviert“ zu literarischem Ruhm gekommen. Zu der Popularität seiner Zeitgenossen Egon Erwin Kisch, Alfred Polgar und Joseph Roth hat es allerdings nicht gereicht.
„Auch das war Wien“ entstand, als sich Torberg selbst auf der Flucht aus Österreich befand und so verwundert es nicht, dass viele Parallelen zu Torbergs Leben in der Liebesgeschichte zu finden sind. Das gilt weniger für die Liebe in der Mischehe, als in den wiederkennbaren Wiener Literatenzirkeln, der Theaterszene der Stadt und der Profession seines Protagonisten Martin Hoffmann. Autobiografisch ist „Auch das war Wien“ allerdings keineswegs.
Der Roman entstand unter den waghalsigen Umständen der eigenen Flucht und Torberg schafft es dennoch ein Österreich, ein Wien entstehen zu lassen, dem deutlich die liebevolle Verbundenheit Torbergs zu der Stadt, der Kultur und dem Leben anzumerken ist. Immer wieder scheint aber auch diese ignorante Naivität und selbstzufriedene Überheblichkeit durch, die es vielen Wienern nicht erlaubte, den „Anschluss“ kommen zu sehen. Darin gleichen sich die etablierte Wiener Boheme und das deutsche Großbürgertum, die Hitler und die Nazionalsozialisten für ein vorübergehendes Phänomen gehalten hatten.
„Dass Dinge wie Überwachung und Denunziation, Wie Gestapo und Schutzhaft tatsächlich existierten: das wusste sie nun also, und versuchte gar nicht daran zu deuteln. Es ließ sie auch keineswegs gleichgültig. Sie war entsetzt und empört darüber. Aber Entsetzen und Empörung waren falsch, ja fast schon unzulässig: nämlich privat. Nämlich davon bestimmt und darauf beschränkt, dass sie, Carola Hell, von diesen Dingen persönlich betroffen war.“ (S. 134)
„Auch das war Wien“ ist von seltsamer, aus heutiger Sicht gewöhnungsbedürftiger, erzählerischer Qualität. Dem leichten, fast schwatzhalten, Stil eines Lustspiels, der den Zeitgeist und die Wiener Theaterszene so wunderbar trifft, gewinnt der Autor Möglichkeiten ab, das Innenleben seiner Figuren in Form eines inneren Monologs zu durchleuchten. Da Hin und Her, das rationale Erfassen der Gefahr für Leib und Leben und dann wieder der emotionale Liebestaumel. Im Nachhinein der Geschichte ist es einfach, solcherlei Naivität der Figuren zu kritisieren, im Augenblick sind Haltung und Handeln nachvollziehbar. Nicht umsonst arbeitet Martin Hoffmann während der Roman spielt an einem Stück namens „die Träumerin“. Dessen Premiere freilich nicht mehr stattfindet.
Fazit: Friedrich Torberg erzählt keine reißerische Fluchtgeschichte und auch kein Epos vom antifaschistischen Widerstand, sondern vom schleichenden Verlust eines Heimatgefühls, von der Hilflosigkeit im Angesicht des kommenden Sturmes, von der Zögerlichkeit beim Verlassen dessen, was man heute wohl Komfortzone nennen würde. Dabei nimmt sich der Autor Zeit, das gesellschaftliche Leben Wiens in jenen Tagen zu erfassen. Detailreich, manchmal ein bisserl selbstverliebt, spürt man das Flair der Stadt und den drohenden Untergang. Ein zutiefst menschlicher Roman.
Buch-Wertung: (8 / 10)
Friedrich Torberg: Auch das war Wien
Revisited 12 -Mit einem Nachwort von Edwin Hartl
Genre: Roman, Liebesgeschcihte, Nationalsozialismus
ISBN: 978-3-85286-240-8
Verlag: Milena Verlag, Wien, 346 Seiten, Hardcover
VÖ: September 2013