Kann sich hierzulande außer Politikstudenten noch jemand an die Diktatur in Chile erinnern? Seit dem Militärputsch von 1973 herrschte Diktator Augusto Pinochet bis 1989 mit eiserner Faust und staatlicher Repression über das südamerikanische Land. Das clevere und intelligente Politdrama „No!“ erzählt von der Volksabstimmung, welche die Phase des Übergangs – „Transicion“ – zur Demokratie einleitete.
Auf internationalen Druck musste Pinochet abstimmen lassen, ob er sich als einziger Präsidentschaftskandidat zur Wahl stellen kann. Leichte Abstimmung: „Ja“ oder „Nein“, wenn da nicht die jahrelang geschürte Angst vor den gefürchteten Ordnungsmächten wäre. Den Umfragen und Prognosen zufolge ist es daher eine Formalität, dass die Volksabstimmung den Machtanspruch des Diktators bestätigt. Doch es regt sich ernsthafter Widerstand. Das Volk hat Hoffnung auf Demokratie. Fraglich bleibt allerdings, ob sich der Diktator überhaupt an das Abstimmungsergebnis halten würde.
Die Oppositionellen in Santiago de Chile wenden sich an den jungen Werbeexperten René Saavedra (Gael Garcia Bernal), um die „No!“-Kampagne zu entwerfen. Der Mann ist eigentlich total unpolitisch doch er hat durch seine verstorbenen Eltern Kontakte zu ehemaligen Linken. Dann übernimmt René die Kampagne doch und setzt auf die Macht der Bilder und der Werbung. Mit Aufbruchsstimmung und guter Laune soll dem Diktator beizukommen sein? „Heute denkt Chile an seine Zukunft“ ist der Slogan. Sein Agenturchef ist konfliktträchtiger Weise für die staatliche Wahlkampagne zuständig.
„Das was sie gleich sehen, passt in den soziologischen Kontext.“
Die Einbeziehung von Archivmaterial in das fiktive Drama hat die Macher um Regisseur Pablo Larraín dazu bewogen, sich komplett auf damalig Technik und Bildqualität einzulassen. Die Zeitreise funktioniert, und das Chile von 1988 erwacht zu neuem Leben. Das hat neben zahlreichen Preisen auch zu einer Oscar-Nominierung gereicht.
Regisseur Pablo Larraín schließt mit „No!“seine Trilogie über die Epoche unter Pinochet ab, auch wenn „Tony Manera“ (2008) und „Post Mortem“ (2010) in Deutschland nicht erschienen sind. Die Filme sind inhaltlich allerdings unabhängig voneinander. Das Drehbuch beruht auf einem Theaterstück des chilenischen Autors Antoni0 Skármeta, der durch die Verfilmung „Der Postmann“ seines Romans „Mit brennender Geduld“ weltweit bekannt wurde.
Der im Grunde unpolitische Werbeexperte beginnt, sich mit den Zielen der Kampagne zu identifizieren, und gerät auch persönlich in das Visier der repressiven Ordnungsmächte. Die spannende und gleichzeitig auch sehr witzige fiktive Geschichte zieht einen schnell in ihren Bann und spielt gekonnt mit dem subversiven Potential der Werbebrache. Die Verzahnung der unterschiedlichen Subtexte ist vor allem deshalb gelungen, weil sie eine komplizierte Volksseele zu beleuchten weiß. Daneben immer wieder das inhaltsleere Gefloskel der Werbebranche, der es grundsätzlich egal zu sein scheint, ob sie einen neuen Softdrink, ein neues Musikalbum oder eben eine politische Kampagne lancieren soll.
Fazit: Durch die clevere Verlagerung des eigentlichen, hochpolitischen Themas in eine Werbekampagne gelingt es dem grandiosen Drama, einen distanzierten, analytischen und gleichzeitig auch emotionalen personalisierten Zugang zur Situation zu schaffen. Ein Politdrama, das man auch so als meisterlichen Film genießen kann.
Film-Wertung: (7,5 / 10)
OT: !No!
Genre: Drama, Chile 2012
Länge: 118 Minuten,
Regisseur: Pablo Larraín
Darsteller: Gael Garia Bernal, Alfredo Castro, Louis Gnecco
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Piffl Media
Kinostart: 07.03.2013