Mark Oliver Everett und ich hatten schon immer Startschwierigkeiten. Nicht dass mich Mister E, wie sich der Eels-Mastermind selbst nennt, kennen würde, aber anfangs habe ich ein Weilchen gebraucht. Und auch die nun neu aufgelegte Autobiografie von E hätte ich schon längst lesen wollen. Als das Original 2008 unter dem Titel „Things The Grandchildren Should Know“ erschien, war ich höchst neugierig, hab das Exemplar dann aber ungelesen verschenkt, in der Erwartung das wieder ausleihen zu können. Pustekuchen, jemand anders kam mir zuvor und hat das Exemplar dann verlegt. Jetzt aber endlich! Und „Glückstage in der Hölle“ ist nicht nur für Fans ein empfehlenswertes Buch. Das Leben von Mark Oliver Everett hat genug Tragik und Komik zu bieten, um mehr als nur interessant zu sein. Außerdem kann der Mann schreiben, sollte er auch als Songwriter, aber für Musiker ist das keineswegs selbstverständlich.
Der etwas interessiertere Eels-Fan hat spätestens mit dem zweiten Album von E’s Bandprojekt mitbekommen, dass der Songwriter seine musikalische Begabung auch als Selbstherapie benutzt und in den Texten sein eigenes Leben verarbeitet. Auf „Electro-Shock Blues“ war es im Wesentlichen der Selbstmord seiner Schwester. Dann auf dem großartigen Doppelalbum „Blinking Lights and Other Revelations“ die Familiengeschichte aus Sicht des Großvaters. 2005 erschien das Album, aus dem auch der Originaltitel der Autobiografie stammt: „Things The Grandchildren Should Know“. Kiepenheuer und Witsch hatten die Autobiographie auch schon 2009 veröffentlicht, insofern handelt es sich bei dem vorliegenden Taschenbuch um eine Wiederauflage. Mein dritter Anlauf.
„Glückstage in der Hölle“ unterscheidet sich von der herkömmlichen Musikerautobiografie in mehrerer Hinsicht, am wichtigsten ist vielleicht, dass E den Leser tatsächlich teilhaben lässt an seinem Schicksal, der tragischen Familiengeschichte, in der so kurz nacheinander Vater, Schwester und Mutter starben. Statt sich in Details zu verlieren, wann wer wen Backstage getroffen hat und warum jener Auftritt besonders herausragend oder deprimierend war, gibt Everett offen zu, sich an viele Details gerade aus der Kindheit kaum noch erinnern zu können. Der Mann kommt auf den Punkt, macht die bleibenden Eindrücke und prägenden Einflüsse klar und faselt nicht lange rum. Dabei kommt der Vergleich mit dem literarischen Schaffen von Autor Kurt Vonnegut, den der Rolling Stone anstellte, sowohl stilistisch als auch in Bezug auf die Pointensetzung mit ihrem tragischen und humoristischen Ausprägung ziemlich gut hin.
Selbstverständlich geht es in „Glückstage in der Hölle“ (übrigens sehr schön von Hannes Meyer übersetzt & auch ein Songtitel der Eels) auch um Musik, die in Es Fall wie eingangs erwähnt auch immer persönlich ist. Aber darüber hinaus kriegt der Leser auch einen Hauch des Kreativen Funkens mit, der den Songwriter umweht. Vor allem sein Hang zum Trotz, beziehungsweise seine Neigung, etwas auf keinen Fall tun zu wollen; und es dann später gerade zu machen. Das gilt auch musikalisch: Statt nach dem kommerziellen Durchbruch „Beautiful Freak“ die gleiche Schiene noch einmal zu bespielen folgte besagtes „ Electro-Shock Blues“ Album. Das zieht sich durch E’s Karriere, führt zu seltsamen Erwartungshaltungen und auch irritierenden Festivalbuchungen, weil sich der Künstler schon wieder woanders befindet, als ihn Fans und Veranstalter verortet haben. Dazu meint E nur lapidar, dass das Leben zu kurz sei für öde Berechenbarkeit. Und gerade das macht auch den Charme seiner Alben, Konerte und auch seiner Autobiografie aus. Das neue Eels Album „Wonderful Glorious“ erscheint übrigens am 1. Februar 2013 und soll erstmals tatsächlich eine Bandplatte sein.
Fazit: „Glückstage in der Hölle“ sind ein literarischer Hochgenuss, der nicht nur für Eels-Fans eine Pflichtveranstaltung ist (die haben das Teil sowieso schon längst). Auch ohne jedes Vorwissen ist die Autobiografie des Mark Oliver Everett eine grandiose, schnökellose Lesetour, die einfach nur zu kurz ist.
Buch-Wertung: (9,5 / 10)
Mark Oliver Everett: Glückstage in der Hölle
(Wie die Musik mein Leben rettete)
OT: „Things The Grandchildren Should Know“
Genre: Biografie, Musik,
Übersetzung: Hannes Meyer
ISBN: 978-3-462-04457-7
Verlag: KiWi_Paperback, Verlag Kiepenheuer und Witsch, 224 Seiten.
VÖ: 07.01. 2013
Weiterführende Links:
Offizielle Eels-Homepage
The Eels bei Wikipedia (englisch)
Verlagsseite mit Leseprobe