Wenn sich der afroamerikanische Schriftsteller Darius James ind dem dokumentarischen Radtrip „United States of Hoodoo“ auf die Suche nach den Wurzeln seiner Kultur macht, ist das nicht nur eine abstrakte literarische Unternehmung, sondern sowohl ein persönliches Ringen als auch das Sichtbarmachen eines wesentlichen Bestandteils schwarzer Kultur, der gerne verleugnet wird, aber im Grunde nicht wegzudenken ist: Voodoo. Man mag jetzt vielleicht glauben, das sei eine rein afrikanische Angelegenheit, aber das täuscht: Denn gerade afroamerikanische Musik ist ohne den polyrhythmischen und percussiven, afrikanischen und karibischen Anteil undenkbar. Und aus Jazz und Blues ist schließlich die gesamt moderne Rock- und Popmusik entstanden. Auf, in ein unsichtbares Amerika.
Darius James hat lange in Berlin gelebt und dort den Filmmacher Oliver Hardt kennengelernt. Anlässlich des Todes seines Vaters ist er vor einigen Jahren in seine Heimat zurückgekehrt und wohnt wieder in dem Haus seiner Kindheit. Doch die Asche seines Vaters steht in einer Urne noch immer im Haus und die Sammlung afrikanischer Masken, die Darius geerbt hat, fasziniert ihn zwar, irritiert ihn aber auch. Der Literat ist eher rational-skeptisch veranlagt als spirituell religiös.
In den Neunziger Jahren hat Darius James zwei für die afroamerikanische Community wesentliche Bücher geschrieben: „That’s Blaxploitation: Baad Assss’tude“ und „Negrophobia: An Urban Parabel“. Jetzt macht er sich auf, dem Voodookult in den USA nachzuspüren und besucht dazu einige Freunde, Künstler und Experten, die sich mit dem Thema und den Wurzeln afroamerikanischer Kultur beschäftigen. Oliver Hardt begleitet den Literaten und hat das Drehbuch mit ihm zusammen geschrieben. Die Reise geht quer durch die Vereinigten Staaten, von der Wall Street in New York, bis nach New Orleans.
Diese spirituelle Kraft, die sich unter haitianischen Sklaven herausgebildet hat, die einst aus Afrika verschleppt wurden, hat die schwarze Kultur ebenso beeinflusst – und tut es noch – wie auch das Christentum. Robert Johnson, legendärer Blues Sänger hat seine Seele nicht an den Teufel verkauft, sondern an Papa Legba, eine wichtige, einflussreiche und wankelmütige spirituelle Kraft im Voodoo. Da bekommt die alte Blues-Legende doch eine neue Dimension.
Auch das Sklaverei-Mahnmal direkt an der Wall Street, das Darius James mit der Wissenschaftlerin Kanene Holder besucht, wirkt bei genauer Betrachtung komplettdeplatziert: Voodoo-Insignien inmitten der Schaltzentrale der Finanzwelt. „The United States of Hoodoo“ ist voll von solchen Episoden und Anekdoten. Darius James begleitet und analysiert diesen sehenswerten Roadtrip mit großartigen literarischen Off-Texten und macht den Dokumentarfilm auch in dieser Hinsicht zu einem Genuss.
„United States of Hoodoo“ wird im Original mit Untertiteln gezeigt, das ist insofern klug gewählt, weil so die literarische Dimension der Erzählung voll zur Geltung kommt. Die deutschen Untertitel hingegen beschränken sich leider zumeist auf die inhaltliche Wiedergabe des Textes. Das ist aber auch schon der einzige Kritikpunkt einer außergewöhnlichen leinwandreise, die den Interessierten Zuschauer in ein Amerika entführt, von dem viele gar nicht wissen, dass es existiert und das lebendig und vielfältig ist. Am Ende macht auch Darius James seinen Frieden mit seinem verstorbenem Vater und seinem afrikanischen Erbe.
Fazit: „United States of Hoodoo“ ist ein dokumentarisches Roadmovie par Excellence und hat sowohl eine persönliche wie ein gesellschaftliche Dimension, die die Reise trägt. Kurzweilig, unterhaltsam, aber auch skeptisch und gesellschaftskritisch macht sich der Autor Darius James auf kulturelle Spurensuche und entführt in das Reich des Voodoo, ohne sich darin zu verlieren. Extrem gelungen!
Film-Wertung: (8 / 10)
„United States of Hoodoo“
Genre: Dokumentation, Biographie
Länge: 100 Minuten, D 2012, OmU
Regie: Oliver Hardt
Mitwirkende: Darius James, Ishmael Reed, Danny Simmons, Kanene Holder, Val Jentry,
FSK: noch nicht geprüft
Verleih: Real Fiction Films
Kinostart: 26.07.2012