Catch The Fair One: Tiefer in die Kälte

In dem Thriller-Drama „Catch the Fair One“ ist eine Boxerin auf der Suche nach ihrer jüngeren Schwester. Deren spurloses Verschwinden hat die Familie zerrüttet. Das düstere Drama von Regisseur Joseph Kubota Wladyaka mit der ehemaligen Boxerin Kali Reis in der Hauptrolle wurde von Darren Aronofski produziert. Drop-out Cinema bringt den Film ab 26. Januar 2023 in die Kinos.

Kaylee (Kali Reis), genannt K.O., ist Boxerin. Doch es läuft nicht sonderlich gut für die 29jährige. Drogen haben ihre Karriere einst ins Stocken gebracht. Aktuell jobbt sie sich in einem Diner durch den Tag und übernachtet in einer Unterkunft für Bedürftige. Die Rasierklinge zur Selbstverteidigung ist immer bereit.

Gelegentlich wird K.O. von jungen Frauen auf ihren Kampfsport angesprochen, doch die Boxerin trainiert für eine andere Mission. Vor Jahren ist ihre jüngere Schwester Weeta spurlos verschwunden. Während ihre Mutter Zuflucht in der Leitung von Selbsthilfegruppen findet, gibt sich K.O. die Schuld am Verschwinden, da Weeta an jenem Abend alleine unterwegs war.

Man nimmt an, dass das junge Mädchen Menschenhändlern in die Hände gefallen ist und in die Prostitution verschleppt wurde. K.O.s Trainerin und Freundin sagt immer wieder, dass der Sucherfolg mehr als unwahrscheinlich ist. Doch die Boxerin klappert einschlägige Online-Portale nach ihrer minderjährigen Schwester ab. Dann glaubt K.O. endlich Weeta erkannt zu haben. Durch Kontakte lässt sie sich selbst als Prostituierte anwerben um weiter zu suchen. Zwar besteht K.O. die Eignungsüberprüfung, doch der Plan schlägt gründlich fehl.

Im Ring kämpft jeder allein

„Catch The Fair One“ meint soviel wie „Die Schöne fangen“, das mag im Zusammenhang des US-amerikanischen Thrillerdramas mehrdeutig sein, denn die Menschenhändler sind immer auf der Jagd nach Schönheiten, K.O. ist auf der Suche nach ihrer Schwester und letztlich wird die Boxerin selbst zur Jagdbeute.

Dabei stammt die Idee zu der Geschichte wohl von der Hauptdarstellerin, die ihre eigene Sportbiografie und auch ihre indigene Abstammung in den Film einfließen lässt. Kein Wunder eigentlich, denn Kali Reis engagiert sich für vermisste indigene Frauen und Mädchen. Die Organisation MMWIG (Missing and murdered Indigenous women) setzt sich in den USA, in Canada und in Lateinamerika gegen Gewalt gegenüber indigenen Frauen ein. Das Problem besteht seit Jahrzehnten und nimmt immer erschreckendere Ausmaße an. Unter anderem eben auch durch den modernen Sklavenhandel und Zwangsprostitution.

Regisseur Joseph Kubota Wladyaka hat bislang vor allem als Serien-Regisseur seine Verdienste und er schrieb der charismatischen Kali Reis die Rolle auf den Leib. Es verwundert also nicht, das „Catch the Fair One“ ein sehr körperbetonter Film ist. Das bedeutet keineswegs, dass es nur um Action geht, sondern vielmehr, dass Körperlichkeit in einer sehr dominanten Weise präsentiert wird. Ich persönlich mag das, weil viele Filmaspekte über die Optik und die vermeintliche Haptik transportiert werden, statt dialogisch aufbereitet zu werden oder sich szenisch zu erschließen.

Winterliche Wälder und zynisches Transportgewerbe

Tatsächlich ist auch das Winterliche, oft nächtliche und meist lichtarme Setting des Films eine beinahe körperliche Qualität, die für beinahe monochromatische Stimmungen sorgt. Davon unterscheiden sich eigentlich nur die Actionszenen, in denen K.O. sich vorbereitet oder kämpft. In seiner Stimmung erinnert „Catch the Fair One“ durchaus an die herausragenden Dramen „Wind River“ (2017) oder eben auch an „Frozen River“ (2008).

Mit etwa 85 Minuten Spielzeit ist „Catch The Fair One“ recht schnörkellos gehalten, daher bleiben einige Aspekte wenig beleuchtet und der Thriller entwickelt sich relativ genreüblich von der Suchaktion zum Rachefeldzug. Doch immer wieder sind da diese Momente und Szenen ungeschönter Ausgeliefertheit und großer Furcht, in denen sich die K.O. und auch die anderen Frauen absurd häufig befinden. Das ist schon befremdlich intensiv vorgeführt.

Im Grunde gibt gleich die Filmeröffnung eine fast klassische Overtüre. An die Fight-Vorbereitungen schließt sich die Kontemplation der Heldin an, nur um direkt in einer knastartigen Umgebung wieder aufzuwachen. Unterschwellig ahnt das Publikum, dass es aus diesem Leben kein Entrinnen gibt. Das Motiv der Vorbereitung auf den Wettkampf wiederholt sich und wird meisterlich variiert. Die atmosphärische postrockartige Filmmusik tut ihren Teil dazu eine düstere Stimmung zu verbreiten.

Das amerikanische Thrillerdrama „Catch the Fair One“ ist Independent-Kino par excellence wie man es lange nicht mehr gesehen hat. Die kurze Spieldauer bringt die Handlung auf den Punkt und weiß vor allem die körperlichen und realistischen Aspekte der Handlung intensiv zu transportieren. Dass dabei Einiges unterschwellig bleibt, gehört auch zu den Stärken des Film.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Catch The Fair One
OT: Catch the Fair One
Genre: Thriller, Drama,
Länge: 85 Minuten, USA, 2021
Regie: Josef Kubota Wladyka
Darsteller:innen: Kali Reis, Daniel Henshall, Kevin dunn,
FSK: Ab 16 Jahren
Vertrieb: Drop-out Cinema
Kinostart: 26.01.2023

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