Treibsand: Erkenntnisse eines musikalischen Wochenendes

black-sheep-by-heide-fuhlendorfEs gab auf diesen Seiten ja mal die Idee einer unregelmäßigen Kolumne über dies und jenes, die zugegebenermaßen nicht wirklich intensiv gepflegt wurde. Das vergangene Wochenende mit den äußerst gelungenen Konzerten von Leatherface (Punk) und Nada Surf (Gitarrenpop) habt nicht nur den Effekt, mich wieder zu erden und den Blick für das Wesentliche zu schärfen, sondern rücken auch einen Altmeister des Rock wieder in mein Gehör.

leatherface-stormy-petrelWährend ich mir in Flensburg die Recken von Leatherface zu Gemüte führe, erstaunen mich zwei Dinge: 1. Dass ich so ignorant sein konnte, das Hitpotential der letzten Leatherface Studioscheibe „The Stormy Petrel“ nicht auf Anhieb erkannt zu haben; immerhin hatte ich die Band direkt nach Veröffentlichung auch schon auf der Bühne erlebt. Und zweitens, dass Frank Stubbs eine wirklich coole Socke ist und selbst mit dem Arm in der Schlinge und dem Hut auf dem Kopp mehr working class credibility hat, als ein Bus voll Leiharbeiter. Der Mann schreibt großartige Texte und ist eine Ikone. Warum gibt es nicht endlich ‚ne Doku über das britische Urgestein?

Nada Surf haben ihren charismatischen Gitarrenpop zwar streng genommen erst nach dem Wochenende unter das Hamburger Volk gebracht, aber wen stört das schon, angesichts dieser melodischen Macht, die einen quasi mit Harmonien überschüttet und durchtränkt. Irgendwann versinke ich dann in der Musik und mir wird wieder einmal bewusst, dass Musik das wirkliche, das einzig wahre Kopfkino ist. Nirgendwo sonst fliegen mit so viele Ideen zu, ich quelle fast über vor kreativer Energie und habe wieder (nutzlose, aber interessante) Geschäftsideen und Kunstprojekte am Fantasiestart, die ich gerne umgesetzt wüsste.

Nada-surf-stars-astronomyZur philosophischen Erbauung gibt es ebenfalls Anlass: Während man sich in Villa Nada Surf noch fragt, ob es eine höhere Macht gibt, die das Leben bestimmt („Whose Authority“) ist man in Villa Leatherface schon mit transzendentalen Dingen beschäftigt, da Gott tot im Schuppen liegt („God is Dead“). Da sage nochmal einer, Rockmusik mache dumm. Und während ich noch über diese zugegeben extrem subjektive Koinzidenz nachgrüble, wird mir bewusst, dass musikalische Kommunikation auch was irgendwie Postkoitales hat. Intensiver Austausch findet zwar statt, aber auf eine bestimmte Weise ist der Mensch gleichzeitig ganz bei sich, quasi allein in Gesellschaft. Ein weiteres Paradoxon, das mein Leben bereichert.

Womit wir bei der oscar-reifen Frage angelangt wären, ob ich ein Mensch oder ein Muppet bin? Müsste ich wählen, ich entschiede mich gegen die offensichtliche Fremdbestimmtheit des Puppendaseins. Dass Meister Frank Zappa sich und uns eine ähnlich wichtige Frage schon vor Jahren gestellt hat, zeigt, wie weitsichtig der Künstler war (vergleiche „Muffin Man“). Da wäre ich dann lieber ein Muffin. Genug geschwätzt…

…einen noch auf den Weg:

„Information ist nicht Wissen,

Wissen ist nicht Weisheit,

Weisheit ist nicht Wahrheit,

Wahrheit ist nicht Schönheit,

Schönheit ist nicht Liebe,

Liebe ist nicht Musik.

Musik ist das Beste.“

(„Joe’s Garage“, Frank Zappa“)