Der deutsche Maler und Bildhauer Anselm Kiefer zählt zu den bekanntesten deutschen Künstlern. Von 1993 bis 2008 erschuf Kiefer in dem Areal „La Ribeaute“ ein Gesamtkunstwerk. Sofia Fiennes Dokumentarfilm „Over Your Cities Grass Will Grow“ nähert sich Werk und Künstler in durchaus fordernder Weise. Das ist nur Kunstfreunden zu empfehlen.
Die Kamera bewegt sich suchend und forschend durch ein unbelebtes Gewirr von Gängen, begleitet von der Musik des rumänischen Komponisten György Ligeti. Es dauert etwa fünfzehn Minuten bis mit Anselm Kiefer der erste Mensch ins Bild tritt. Anschließend beobachtet „Over Your Cities Grass Will Grow“ den Künstler und seine Helfer bei der Arbeit. Etwa in der Filmmitte findet ein Interview mit Anselm Kiefer statt, bevor es dann an der Oberfläche zu einem weiteren Rundgang über das 35 Hektar große, vom Künstler gestaltete Gelände in der südfranzösischen Gemeinde Barjac geht, das Anselm Kiefer im Jahr 2008 fertiggestellt hat.
Die formale Konsequenz der Regisseurin Sophie Fiennes („Perverts guide to Cinema“, 2007) ist bewundernswert, aber mutmaßlich auch alternativlos, wenn man sich dem Kunst-Phänomen Anselm Kiefer nähern will. „Over Your Cities…“ bleibt descriptiv und zieht sich ganz auf die Beobachterposition zurück. Der Film lässt das Werk in La Ribeaute über weite Strecken für sich selbst sprechen, untermalt nur mit den avantgardistischen Klängen Lygetis. In einem künstlerischen Film über einen Künstler kann man als Filmemacher eine gewisse Vertrautheit des Publikums mit dem Werk voraussetzen. Doch es geht auch darum Kontakt zwischen Publikum und Werk beziehungsweise Künstler herzustellen, der unter das Oberflächliche abtaucht. Das Konzept geht nur bedingt auf.
Man muss unterscheiden zwischen filmischer Bildgewalt und solcher, die von der archaischen und überdimensionalen Kunst Kiefers ausgeht: Künstlich angelegte unterirdische Säulenhallen, überbordende Bleiskulpturen, reliefierte, großflächige Gemälde und abstrakte Städte aus Betontürmen zeugen von Schaffensdrang und künstlerischen Vision, ihre Faszination auf den Betrachter ausüben.
Die Kamera selbst versucht dieses Mysterium zu erfassen; allein, es gelingt nicht immer. Während der ausgedehnten Eingangssequenz gelingt es nicht, einen Zugang zu diesem Ort zu finden, die Musik ist ebenso sehr versuchte Intonation des Ortes wie Störfaktor bei der Betrachtung. Die Erkundung endet im Rätsel, das sich zu lüften beginnt, sobald der Künstler die Arbeit aufnimmt. In diesen Momenten hat der Film seine starken Momente. Fragen tauchen auf und bleiben unbeantwortet.
Die Verortung fehlt. Es wird erwähnt wo das Gelände La Ribaute liegt und so allmählich fügen sich die Impressionen des Dokumentarfilms zu einer Karte des Geländes, allein ein Überblick, ein Modell oder eine Vogelperspektive wäre hilfreich, um das Projekt in seinen Ausmaßen zu erfassen.Der Künstler selbst stellt sich zwar einem Interview, schafft es aber, so gut wie nichts auszusagen. Stichworte fliegen, Andeutungen werden geraunt, Ansätze eines eigenen Gedankenkosmos tauchen aus dem Gespräch das doch keines ist. Fragen bleiben aus oder bleiben unbeantwortet. Das künstlerische Mysterium bleibt.
So bleibt der Künstler Anselm Kiefer auch am Ende des Besuches in La Ribaute ein Fremder der befremdliche Kunst macht, die zwischen dem Heiligen und dem Profanen, dem Kosmischen und dem Komischen, dem Größenwahnsinnigen und dem Großartigen einen eigenen Ort sucht und ihm zeitweise in Barjac gefunden hat.
Fazit: Der Dokumentarfilm „Over Your Cities Grass Will Grow“ versucht sich dem Künstler Anselm Kiefer und dessen Werk zu nähern, doch der weiß sein Geheimnis zu bewahren. Sein Areal La Ribaute ist ein gigantisches Kunstprojekt, das eine eigene Faszination ausübt, die der Film phasenweise transportieren kann. Nur für Kunstinteressierte mit Vorwissen.
Film-Wertung: (5 / 10)
Over Your Cities Grass Will Grown
Ein Film über das Werk von Anselm Kiefer
Genre: Dokumentarfilm, Kunst
Länge: 105 Minuten
Regie: Sophie Fiennes
Mitwirkende: Anselm Kiefer
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Mindjazz Pictures
Kinostart: 27.10.2011
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