Als ich von dem Anvil-Film hörte, ging es mir ähnlich wie Filmemacher Sacha Gervasi, der sich zunächst wunderte, dass es die Band überhaupt noch gibt und ebenso schwappte meine Metaller-Jugend wieder hoch. Wie also objektiv über den Film schreiben? Eben, gar nicht. „Anvil – Geschichte einer Freundschaft“ rockt, ist witzig, erschüttert, verwirrt und macht Mut! Das spricht für sich selbst.
Dabei ist die Doku alles andere als ein Loblied auf das Musikerleben, kein Hohelied des Rockstartums, sondern das komplette Gegenteil. Mit Steve „Lips“ Kudlow und Robb Reiner, den beiden Kumpels und Gründungsmitgliedern der kanadischen Heavy Metal Band Anvil stehen zwei annähernd Fünfzigjährige vor der Kamera, die noch immer an ihrem Traum vom großen Durchbruch als Rockstars träumen. Und das seit sie vierzehn sind und begonnen haben zusammen Musik zu machen!
Absurder- und dankenswerter Weise hat ausgerechnet der Film dazu beigetragen, dass es der Band besser geht als je zuvor. Seit dem Erscheinen von „The Story of Anvil“ (Originaltitel) im Jahr 2008 hat die Band mehr Alben verkauft als vorher in der gesamten Bandgeschichte. Und ich gönne ihr jede verkaufte Scheibe. Ganz nebenbei ist das aktuelle Anvil-Output „This is Thirteen“ ein ziemlich gelungenes Metal-Album.
Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten steht es um die Band nicht gerade gut. Die Musiker und Familienväter schlagen sich mit schlecht bezahlten Jobs durch und versuchen nebenbei unentwegt an ihrer Musik zu arbeiten. Da gehören regelmäßige Gigs im näheren Umkreis ebenso dazu, wie der inzwischen innige und freundschaftliche Kontakt zu einigen Die-Hard-Fans der ersten Stunde. Nur mit dem neuen Album will‘s noch nicht so recht klappen. Die Songs sind da, aber es fehlt eine Plattenfirma oder die Kohle, in Eigenregie ein vernünftiges Studio zu buchen.
Dann ergibt sich dank einer rumänischen Managerin die Möglichkeit, eine Europatour zu unternehmen und die Jungs sind voll dabei. Doch das Unternehmen entpuppt sich als totales Desaster. Verpasste Züge, schlechte Planung, leere Clubs und zu allem Überfluss wird auch nicht immer Gage gezahlt. Glänzender Höhenpunkt soll das Headlining eines Rockfestivals in Transsylvanien sein. Da tut auch das Zuschauen manchmal körperlich weh.
Die Tour bringt die Band an den Rand. Drummer Robb fragt sich ernsthaft, ob das noch Sinn macht, Lips ist so unentwegt vom Durchhalten überzeugt, dass es schon fast rührend ist, mit welcher Hingabe der Familienvater an den Durchbruch glaubt. Da fragt man sich als Zuschauer schon mal, ob das nicht eigentlich bemitleidenswerter Realitätsverlust sein könnte.
Doch die Familie gibt erstaunlicherweise Rückhalt und so kommt dann tatsächlich genug Kohle zusammen, um mit Chris Tsangarides, der Anfang der 1980er die ersten beiden Anvil-Alben produzierte, ins Studio zu gehen. Doch auch die Sessions in England gehen nicht reibungslos von der Bühne.
Der Filmemacher Sacha Gervasi, der früher mal Roadie bei Anvil war, macht keinen Hehl aus seiner Absicht, der Band mit dem Film helfen zu wollen. Dabei gelingt es ihm jedoch, ein ehrliches und auch widersprüchliches Bild zu zeichnen, in dem auch kritische Töne vorkommen und nichts verklärt wird. Und ganz nebenbei entsteht so nicht nur das Bildnis einer Metal-Legende, sondern auch ein tiefer Einblick in das Musikerdasein jenseits von Stretchlimo und kreischenden Fans wie es für viele Bands zum Alltag gehört.
Letztlich überzeugen, wie bei jedem guten Dokumentarfilm, die Menschen selbst und nehmen den Zuschauer für sich ein. Das gilt auch für Lipps und Robb, die bei alldem auch noch ihren Humor behalten. Was für ein Unterschied zu den Megastars von Metallica, die ihre dysfunktionale Band zum Therapeuten schleppen, wie in „Some Kind of Monster“ (2004) hinreichend dokumentiert. Am Ende ist „Anvil: Die Geschichte einer Freundschaft“ ein filmisches Erlebnis, das voll und ganz mitreißt und ganz einfach in den Olymp der besten Musikfilme gehört und definitiv schon jetzt Kult-Charakter hat.
Fazit: „Anvil – Die Geschichte einer Freundschaft“ ist ein absolut ehrliches, authentisches Zeugnis einer lebenslangen Hingabe und Freundschaft. Als Film ist das ebenso erschütternd wie mitreißend und am Ende gönnt man der Band einfach allen Erfolg der Welt, weil die Jungs das einfach verdient haben.
Film-Wertung: (9 / 10)
OT: Anvil! The Story of Anvil
Genre: Musikfilm, Dokumentation, Biographie
Länge: 80 Minuten, USA, C,
Regie: Sasha Gervasi
Mitwirkende: Rob Reiner, Steve „Lips“ Kudlow
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Rapid Eye Movies
Kinopremiere: 11.03.2010
DVD-VÖ: 16.07.2010