Utopia Ltd.: Unverschämtheit, oder?

utopia-ltd-4-wDie Herren Hinnerkort, Muxfeldt und Spielmann sind jung, eigenwillig und auf der Suche. Zusammen bilden die drei 1000 Robota und spielen wütende, energiegeladene Musik. Die sehenswerte Musik-Doku „Utopia Ltd.“ beleuchtet die Anfangstage  der Band und zeigt dabei eindrucksvoll, wie der erste mediale Hype die musikalischer Selbstfindung der Band behindert. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7…

Die Regisseurin Sandra Trostel entdeckte 1000 Robota eher zufällig auf einem ihrer ersten Konzerte. In der Folge hat die Dokumentarfilmerin die jungen Musiker aus der Gegend von Hamburg über einen Zeitraum von drei Jahren mit der Kamera begleitet. Während Bassist Sebastian Muxfeld und Schlagzeuger Jonas Hinnerkort noch zur Schule gehen, beginnt Gitarrist und Sänger Anton Spielmann eine Ausbildung bei dem Hamburger Plattenlabel Tapete-Records, bei dem auch 1000 Robota unter Vertrag stehen.

Nach der erfolgreichen EP „Hamburg brennt“ werden die Medien auch im Ausland auf die junge Band aufmerksam und der britische Hype schwappt zurück nach Deutschland. Als es daran geht, das Debütalbum „du nicht er nicht sie nicht“ einzuspielen, kommt es zu musikalischen Differenzen zwischen dem Label und der Band.

Du sollst mich nicht Roboter nennen

utopia-ltd-1Auch auf der Tour läuft nicht alles optimal und 1000 Robota spielen nicht immer vor ausverkauften Häusern; Konzerte zwischen Lust und Frust. Die England-Gigs sind trotz des Hype sehr schlecht besucht und die Band kann sich kaum die Übernachtungen leisten. Immer wieder hinterfragen die jungen Männer sich, ihr Handeln und die Musikindustrie. Muss man sich als Künstler verkaufen? Und wenn ja, reicht ein Bein, ein Arm, oder muss es immer gleich die Seele sein?

Sänger und Gitarrist Speilmann hat da recht eigene, sehr individualistische und idealistische Ansichten und hält damit absolut nicht hinterm Berg. Für 1000 Robota ist die künstlerische Freiheit ein hohes Gut. Man ist nicht nur musikalisch, sondern auch von der Attitüde den Ursprüngen des Punks verpflichtet und weigert sich, nur den kommerziellen Aspekt der Musikvermarktung zu sehen und zu bedienen.

utopia-ltd-2-wGanz egal, ob der Zuschauer mit Anton Spielmann und 1000 Robota übereinstimmt, die Jungs haben was zu sagen und das artikulieren sie auch, machchmal auf drastische Weise. Idealistisch und im besten Sinne naiv, aber ohne Anspruch, die Wahrheit gepachtet zu haben. Die Band versteht sich als Idee. Eine Idee, die nicht richtig sein muss, aber den Versuch darstellt, an den bestehenden Verhältnissen etwas zu ändern und etwas Neues zu wagen.

Nicht so und nicht so

Was „Utopia Ltd.“ außerdem eine enorme Qualität verleiht, ist die Nähe der Filmemacherin zu den Musikern. Gefilmt wurde, während etwas passiert. Nichts wurde später nachinszeniert oder gestellt.  Insofern geht „Utopia Ltd.“ auch als Dokumentarfilm wieder zurück zu den Wurzeln und lehnt sich an die Tradition des direct cinema an.

utopia-ltd-5-anton-spielmannDer Konflikt zwischen Kunst und Kommerz ist nicht neu, auch das Revoltieren gegen die Mechanismen des Business nicht, und doch gerät in Zeiten dauerpräsenter Casting-Shows gelegentlich in Vergessenheit, dass Popmusik nicht aus der Retorte kommen muss, das Karrieren nicht planbar und nicht nach Schema F verlaufen müssen. Junge Künstler brauchen Zeit und Gelegenheit, sich zu entwickeln und sind eben kein fertiges Produkt, dass sich jederzeit optimal, in gleichbleibender emotionaler Intensität vermarkten lässt.

Wenn du solche Diskussionen nicht aushalten kannst…

utopia-ltd-3Das ist beileibe keine Mainstream-Problematik. Auch im Bereich dessen was gemeinhin als Independent-Musik gilt, wird nach kommerziellen Gesichtspunkten geplant und nach dem Anforderungen der Marktwirtschaft entschieden. Häufig geht dies zu Lasten der Kreativität oder des künstlerischen Ausdrucksspektrums. Jeder Künstler, der von seiner Kunst einen Lebensunterhalt bestreiten will, findet sich in dieser Zwickmühle. Früher hätte man das unverblümt systemimmanent genannt.

Das alles erlebt der Zuschauer in „Utopia Ltd.“ hautnah und sehr authentisch. Wenn 1000 Robota sich äußern, hat meist Anton Spielmann das Wort und der Sänger polarisiert und provoziert. Manchmal bewusst, manchmal unbewusst durch seine scheinbar aufmüpfige Grundhaltung. Aber ist nicht Rock-Musik ihrem Wesen nach einst genau das gewesen, ein Sprachrohr jugendlicher Rebellion? Nette Jungs spielen keinen Rock’n’Roll (Rose Tattoo).

Fazit: „Utopia Ltd“ ist eine sehr intensive Banddoku, die eine etwas andere Erfolgsgeschichte erzählt und zeigt, was auf junge Bands zukommen kann, sobald sich erster Erfolg einstellt. Dabei werden ganz offensiv auch das Musikbusiness, die Presse und die Fans als Konsumenten  hinterfragt. „Utopia Ltd.“ gibt freimütig Einblicke und ungefragt Auskünfte. Ich kann das nur empfehlen. Hier geht’s zum Trailer.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Uropia Ltd. Kinoplakat„Utopia Ltd.“
OT: „Utopia Ltd.“
Genre: Musik-Dokumentation
Länge: 90 Minuten, D., 2011
Regie: Sandra Trostel
Mitwirkende: 1000 Robota
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Rapid Eye Movies
Kino-Start: 12.05.2011